Kultur | Auslandsjahr

Das schulische Auslandsjahr

Ein Schuljahr in einem anderssprachigen Ausland kann eine große Bereicherung darstellen. Die Rückkehr in die heimatliche Schule ist nicht immer ganz einfach.
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Aeroplano
Foto: upi

Das Auslandsjahr, das einige Schülerinnen und Schüler in der Regel in der 4. Klasse Oberschule absolvieren, bietet sprachbegabten und weltoffenen jungen Leuten Gelegenheit ihren Horizont zu erweitern. Nach den bisherigen Erfahrungen ist das Jahr an einer ausländischen Schule eine positive Ergänzung des Lernangebots der Oberschule. Interessant ist es vor allem für Gymnasien und wirtschaftlich bzw. sprachlich orientierte Fachoberschulen. Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Angebots sind gute Schulleistungen und sehr gute Kenntnisse der Sprache des Ziellandes. Das gleiche gilt für das Zweitsprachjahr, das die deutschsprachigen Schüler an einer italienischen Schule und umgekehrt absolvieren.

Der juridische Rahmen ist durch den Beschluss der Landesregierung vom 3. Juni 2014, Nr. 658 und mit dem Rundschreiben des Schulamtsleiters Nr. 31/2014 klar definiert. Diese Vorgaben sind gleichzeitig eine Hilfe für die Familien und für die Schulen bei der Vor- und Nachbereitung des Aufenthalts im Ausland. Es ist dafür gesorgt, dass die Jugendlichen bei ihrer Rückkehr nicht einen kaum zu bewältigenden Berg an Nachholprüfungen vorfinden. Für jeden Schultyp ist mittels einer Tabelle der schultypischen Fächer festgelegt, welche Fächer aufzuholen sind, falls sie im Ausland nicht belegt oder nicht positiv abgeschlossen worden sind. Die Schüler/innen im Ausland bleiben weiterhin Mitglieder der Klassengemeinschaft, der sie bis zur dritten Klasse angehört haben und erhalten einen Tutor/eine Tutorin, aus praktischen Gründen häufig der Klassenvorstand der Klasse, die sie hier im Lande besuchen würden. So werden die jungen Leute aus der Ferne begleitet, damit sie über das Klassengeschehen am Laufenden bleiben und nicht zu viele Rückstände aufbauen. Mit dem Abschlusszeugnis der Auslandsschule und den eventuellen Aufholprüfungen erhalten die Schüler auch das Schulguthaben, das sie später für die Matura brauchen. Diese Regelung wurde in Zusammenarbeit mit dem Schulamt von Direktoren ausgearbeitet, die sehr viel Erfahrung mit dem Auslandsjahr haben, und von der Landesregierung mit geringfügigen Änderungen übernommen.

Dieses Entgegenkommen war nicht immer gegeben. Stellte das Auslandsjahr eine positive Lebenserfahrung dar, war die Rückkehr hingegen ein Trauma. Zum einen sahen die abgebenden Lehrpersonen nicht ein, dass das Lernen an der ausländischen Schule ein Ersatz für ihren Unterricht sein könnte und zum anderen reagierten auch einige Direktionen zurückhaltend bis negativ, da die mit dem Auslandsjahr zusammenhängenden bürokratischen Angelegenheiten als lästige Pflicht empfunden wurden oder von vorne herein starke Zweifel an der Qualität der ausländischen Schule gehegt worden sind. Die rückkehrenden Schüler wurden mit strengen Aufholprüfungen in einer Mehrzahl der Fächer bestraft und riskierten gar das Schuljahr. Dies geht auch deutlich aus dem Forschungsbericht „ Rückkehr von einem schulischen Auslandsjahr/Zweitsprachjahr“ (von Dellemann, Portesi, Mussner; edizioni junior: 2008) hervor. Aussage der Professoren zu einer Auslandsjahr-Schülerin bei ihrer Rückkehr: „Gelernt hast du dort für dich sicher einiges, wenn du bei uns unseren schulischen Abschluss machen willst, musst die Nachholprüfungen aber alle bestehen, und das am besten möglichst bald! Was du in [X] gelernt hast, interessiert uns nicht, auch nicht die Noten, hier entscheiden wir!“ (in v.Dellemann et.al. 2008) Eine andere Aussage: „Da wolltest du dir wohl eine feine Auszeit nehmen, während wir hier seriös gearbeitet haben.“ (ebenda).

Diese Situation hat sich deutlich gebessert. Leider ist es in Fällen von Direktorenwechsel wieder zu Ungemach für die Schüler und deren Familien gekommen, indem die aufgrund des oben genannten Beschlusses getroffenen Vereinbarungen mit den Familien und den zuständigen Klassenräten vom Direktor, der neu an der Oberschule ist, nicht anerkannt wurden, wahrscheinlich aus Unkenntnis der gesetzlichen Lage. Da aber auch Schuldirektoren als Amtsträger gehalten sind, die Verordnungen des Landes einzuhalten und die Rundschreiben des Schulamtsleiters zu respektieren, wird sich die Situation hoffentlich bald einpendeln.

Neben vielen privaten Angeboten zur Unterstützung des Auslandsaufenthalts nimmt sich auch die Region Trentino – Südtirol der Sache an und bietet neben einer gut funktionierenden Organisation Stipendien an, um auch weniger betuchten Familien diese Möglichkeit zu eröffnen. In einer schriftlichen und mündlichen Prüfung legen die Schüler/innen ihre Fremdsprachenkenntnisse und ihr Wissen über die Europäische Union dar.

Etwa ein Drittel der antretenden Schülerinnen und Schüler bestehen die Zulassungsprüfung. Waren es im Schuljahr 2006/2007 noch 55 Schüler, die das Angebot in Anspruch nahmen so ist die Anzahl bald auf 80 angewachsen. Im Schuljahr 2017/18 werden 90 Stipendien vergeben, davon 60 an Südtirolern und 30 an Trentinern. Viele Trentiner greifen auch auf private Angebote zu. Erste Ansätze gab es bereits 1996/97 als auf Initiative des Regionalratsvizepräsidenten Franz Pahl 3 Stipendien für einen Schulaufenthalt in Bournemouth bezahlt wurden. In den Schuljahren darauf waren es sieben, achtzehn und 1999/2000 bereits 20 Stipendien an Oberschülerinnen/Oberschüler der deutschen Sprachgruppe. Das Vorhaben wurde zunächst über die ONLUS (seit 1998) „Intercultura“ abgewickelt, später aus Kostengründen vom Amt für europäische Integration direkt übernommen. 2002/2003 wurde das Unterfangen von den Landeshauptleuten Durnwalder und Dellai ausgesetzt, aber im Schuljahr darauf auf großem Wunsch der Bevölkerung wieder eingeführt. Systematisch erfolgt die straffe Organisation der Region seit dem Schuljahr 2007/08.

Es gibt auch eine Reihe von privaten Organisationen, die ein schulisches Auslandsjahr anbieten. Dort muss man die Spreu vom Weizen trennen. Einige ONLUS arbeiten sehr seriös, andere wieder sind eher am finanziellen Aspekt der Initiative interessiert. Im Gegensatz zur Region werden die aufnehmenden Gastfamilien für ihr Angebot von den privaten Organisationen in der Regel nicht bezahlt und nehmen unsere Schüler aus kulturellem oder sozialem Interesse auf oder sind an der Gegenseitigkeit des Austausches interessiert. Das zuständige Amt der Region Trentino – Südtirol hingegen trifft nicht nur selbst oder über die Vertretung vor Ort die Vereinbarungen mit den aufnehmenden Familien sondern pflegt auch die Organisation an den aufnehmenden Schulen im Ausland.

Es ist befremdlich, dass auf staatlicher Ebene zwar ständig große Worte von der Wichtigkeit des Sprachenlernens fallen, auf der anderen Seite aber immer wieder dem Auslandsaufenthalt der Schülerinnen und Schüler gesetzliche Prügel in den Weg gelegt werden. So hat heuer im Frühjahr eine in einem Anhang versteckte Ministerialanweisung vorgesehen, dass die in einigen Ländern Europas und in Übersee erworbenen Reifeprüfungen nicht anerkannt werden. Wahrscheinlich ist diese Regelung auf Druck vieler italienischer Oberschulen entstanden, denen das Auslandsjahr immer schon ein Dorn im Auge war. Der vorgeschobene Grund scheint gewesen zu sein, dass die Auslandsmatura zu Missbrauch führen könnte.