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Musers Mahnung

Zwei Jahre lang keine Firmung, “weniger Eventmentalität”, Einsatz im Wahljahr und Gastfreundschaft nicht nur für finanzstarke Touristen. Mahnende Worte vom Bischof.

Drei Jahre, von November 2013 bis Dezember 2015, dauerte der Nachdenk- und Reflexionsprozess in der katholischen Kirche Südtirols. 5.000 Menschen beteiligten sich an der Diözesansynode und besprachen auch unangenehme Fragen wie die stark sinkende Zahl der Priester und Gläubigen sowie neue Herausforderungen wie die Flüchtlingsaufnahme. Welchen Platz nimmt die Kirche in der heutigen Zeit ein? Wie kann sie ihren Krisen begegnen? Elf Visionspapiere wurden erarbeitet und konkrete Maßnahmen festgelegt, um die Kirche für die Zukunft zu rüsten.

“Ich habe diese Synode gewollt und ich habe diese Synode auch nie bereut, weil ich in ihr eine wichtige Möglichkeit gesehen habe, zu wichtigen Fragen in unserer Ortskirche eine gemeinsame Sichtweise und konkrete Entscheidungen zu finden”, meinte Bischof Ivo Muser zum Abschluss des Prozesses. Auf die Worte folgen Taten, wie zuletzt bei der Seelsorgetagung am gestrigen Dienstag (19. September) in Brixen deutlich wurde. Dort ging der Bischof auf einige fundamentale Änderungen ein, die in der Diözese bereits vollzogen worden sind bzw. umgesetzt werden sollen. Die überraschendste Ankündigung dürfte wohl sein, dass 2020 und 2021 keine Firmung vorgenommen wird. Konkret wird die bislang “automatische” Firmung im Mittelschulalter ausgesetzt, jene von Erwachsenen wird weiter gefeiert. Ivo Muser wird “eine Zeit des Nachdenkens” ausrufen, in dem das Firmkonzept überarbeitet werden soll. So wird es künftig “eine Firmvorbereitung, wie sie in den vergangenen Jahren praktiziert wurde, nicht mehr geben”, erklärte der Bischof. Geht es nach ihm, sollen sich junge Menschen bewusst und mit “neuer Achtsamkeit” für die Firmung entscheiden – und sich darauf mindestens ein Jahr lang vorbereiten.
Die Aussetzung und Überarbeitung der Firmung geht mit einem weiteren Anliegen des Bischofs einher. Er wünscht sich insgesamt “weniger Eventmentalität, vor allem bei Taufen, Erstkommunionfeiern, Firmungen, Trauungen, Beerdigungen, und mehr Substanz und Inhalt”. Den Blick auf das Wesentlichen richten – und nicht auf Festessen und Geschenkeberge.

Eine weitere Neuerung, die Ivo Muser am Dienstag in Brixen ansprach, ist, dass in Zukunft auch Laien Begräbnisfeiern leiten können. Er verneinte allerdings, dass die Entscheidung auf den Priestermangel zurückzuführen sei: “Zur Zusammenarbeit von Priestern und Laien gibt es keine Alternative – nicht, weil wir von den Umständen dazu gezwungen werden, sondern weil wir daran glauben.” Ebenso sprach Muser den Schutz des Sonntags an, der “heute sicher von außen bedroht, aber noch viel mehr von innen” sei. Als Schwerpunkt für 2018 nannte er auch den politischen Einsatz im Wahljahr. In Fragen des Zusammenlebens und von Unterdrückung dürfe die Kirche nicht schweigen, so Muser. Genausowenig könne man sich von Schwachen und Hilfesuchenden abwenden. Der Bischof mahnte “tiefe Solidarität unter allen Menschen” an und dankte insbesondere allen, “die sich offensiv, kreativ und offenherzig der Herausforderung der Flüchtlingshilfe stellen”. “Die biblische Haltung der Gastfreundschaft ist nicht zu beschränken auf finanzstarke Touristen”, merkte Ivo Muser an und gab zu bedenken, dass “es nicht die anderen sind, die unsere christliche Identität gefährden”.
Seine Worte in Gottes Ohr.

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gorgias Mi., 20.09.2017 - 14:05

“es nicht die anderen sind, die unsere christliche Identität gefährden”

Es ist aber eine Herausforderung mit Menschen zurecht zu kommen, die kein demokrarisches Verständnis besitzen und nichts von Individualrechten, aber dafür mehr von Familienehre.
Das Christentum kann nicht mit einer säkularisierten liberalen Gesellschaft mithalten, dafür aber setzt es sich ein, dass deren Prinzipien zu seinen Gunsten kompromittiert werden.

Mi., 20.09.2017 - 14:05 Permalink