Gesellschaft | Zwischennutzung

Orte, die sich öffnen

In der Bozner Bahnhofsremise wurden gestern zwei Tage zur Zwischennutzungen brachliegender urbaner Räume vorgestellt, am 30. September ebendort und am 1. Oktober am ARBO.
Konferenz
Foto: Stadt Bozen
Was ist das ARBO? Genau, auch darum, dass die wenigsten das wissen geht es. Später dazu mehr. Pate stehen darf ein Studentenprojekt, das sich mittlerweile zur Bürgerinitiative ausgeweitet hat. „A place to B(z) - Zwischennutzungen, eine Chance für partizipative Regeneration urbaner Räume“ lautet der vollständige Namen der von der Konferenz, die den Blick auf die Thematik etwa in Richtung Ruhr, Wien, sowie nach St. Gallen und in die Region Emilia-Romagna weiten soll, wo man lohnende Beispiele ausgemacht haben will. Ausgerichtet wird die Veranstaltung gemeinschaftlich von der Stiftung Architektur Südtirol, dem Verein Landschaftsarchitektur Südtirol (LAS), der Stadt Bozen und der Kulturinitiative Restart BZ.
In der Bahnhofsremise - im Besitz von Trenitalia - wird zwischen 8.30 und 17.30 getagt. Den Anfang macht Landschaftsarchitekt Andreas Kipar, der im vergangenen Jahr von den Stadträten Luis Walcher (Urbanistik) und Chiara Rabini (Umwelt) beauftragt wurde, einen neuen Grünraumplan für Bozen zu erarbeiten. Der Fokus soll dabei auf einer klimagerechten Stadtentwicklung liegen. Die Architektin Isabella Inti, Präsidentin des Kulturvereins temporiuso.net und Dozentin am Polytechnikum Mailand referiert anschließend zu Zwischennutzungen als „Instrumente zur territorialen und soziokulturellen Erneuerung“.
Nach einer Kaffeepause befasst sich der Architekt und CEO des Mailänder Transport-Planungs-Unternehmens MIC-HUB, Federico Parolotto, mit der Fortbewegung im engen, urbanen Raum. Es folgt der Architekt Andrea Boschetti, gebürtiger Bozner und CEO des international tätigen Architekturunternehmens Metrogramma beschließt den Vormittag mit „Reisenotizen für eine offene, freundliche und visionäre Urbanistik“, ausgehend von Zwischennutzungen und Partizipation. Auf eine Viertelstunde für Fragen folgt die Mittagspause.
 
 
Architekt Sebastian Schlecht, Gründer der Plattform lala.ruhr und Experte für grüne Städte in Nordrhein-Westfalen liefert seine Sicht auf die Zwischennutzung urbaner Räume. In Folge geht man zur Praxis über: Drei Vorträge beleuchten erst das Fallbeispiel „Kreative Räume Wien“ (Diplom Ingenieur Magister Ulrich Fries; Mag. Thomas Kerekes), dann digital zugeschaltet Initiativen aus St. Gallen (Samuel Zuberbühler, Leiter der Standortförderung der Stadt St. Gallen) und schließlich teilt die Architektin Marcella Isola, das Hub Usi Temporanei, Regione Emilia Romagna vertretend, Erfahrungswerte. Diese könnten besonders spannend sein, da in der Region die „Usi temporanei“ bereits Eingang ins Gesetz gefunden haben.
Nach der zweiten Kaffeepause teilen die Master Studentin Marielle Christin Scharfenberg (Eco-Social-Design) und Philipp Rier (Städteplaner und Designer, Universität Bozen) den aktuellen Stand der Dinge des Projekts „A place to B(z)“ und dessen Werdegang mit.
Beschließen wird die Tagung ein Runder Tisch, moderiert von Isabella Inti. Geladen sind der Bürgermeister der Gemeinde Bozen Renzo Caramaschi, Joachim Dejaco (Südtiroler Transportstrukturen AG), Antonello Martino (Rete Ferroviaria Italiana), Tanja Pichler (Präsidentin Transart), Marzia Bona (Eurac – Gruppe Creative Industries), Chiara Rabini (Stadträtin der Gemeinde Bozen) und Marco Molon (LAS). Zur Teilname an der mehrsprachigen Konferenz (mit Simultanübersetzung), welche auf 100 Teilnehmer beschränkt ist, war eine Online-Anmeldung erforderlich. Sie ist bereits ausgebucht, Salto.bz wird berichten.
 

Tag des offenen Tors

 
Ein Tag mit weitem Blickfeld, auf den ein ebensolcher im Rahmen der Bolzano Art Weeks (BAW) folgen soll: Von 10 bis 20 Uhr wird am 1. Oktober mit „A place to B(z) – The Art of Public Space“ auf dem - fast - ungenutzten ARBO (Areale di Bolzano), dem Bahnhofsareal der RFI, dessen temporäre Nutzung „A place to B(z)“ anstrebt, ein Tag der offenen Tür ausgerichtet. Dieser Tag soll sich an alle richten, zum einen, indem man ihn ohne vorherige Anmeldung besuchen kann, zum anderen auch dadurch, dass für Kinder und Erwachsene Aktivitäten geboten werden sollen. Die Veranstaltung gliedert sich dabei weniger zeitlich, mehr räumlich auf: Die Themengebiete „Nature & Food“, „Art & Culture“, „Sharing Economy“ (auf dem Prinzip des Teilens oder Leihens von Gütern aufbauender Zweig der Wirtschaft), „Music“ und „Sport & Play“ werden in einem, am Boden des Areals aufgemalten Stadtplan jeweils ihren Platz in einem Stadtteil finden.
Die bunte Liste an Zusammenarbeiten umfasst die Associazione Donne Nissa, das junge Künstlerkollektiv Ultra Alto, das Versuchszentrum Laimburg, der Sportverein Roundnet Bolzano-Bozen (Spikeball oder Roundnet ist eine junge Ballsportart, die in Zweierteams gespielt wird), der Galerie Foto Forum, dem Bündnis Climate Action, sowie dem VKE. Geplant sind Aktivitäten wie Musik, Live Malerei, Kleidertausch oder Fahrradreparatur. Dabei geht es auch darum, beispielhaft aufzuzeigen, welche Organisationen im Territorium auf der Suche nach einem Freiraum wie jenem von der RFI sporadisch bis gar nicht genutzten sind. Im „Zentrum“ der fiktiven Stadt soll ein Workshop „Menschen aus allen Gesellschaftsschichten“ motivieren „an der demokratischen (Selbst)Organisation dieses Freiraums mitzuwirken“.
 
 
Somit ist das „Placemaking“, welches die Universitätsstudenten vorantreiben wollen, also das Schaffen eines gemeinschaftlichen Ortes in einem ungenutzten Areal oder Gebäude, im ersten Schritt eine Aktivität der Bewusstseinsbildung bei der ansässigen Bevölkerung, im zweiten einer der Nachbarschaftsbeteiligung und inklusiven Mitgestaltung. „Es wird ein Experiment, eine Generalprobe von dem, was mittelfristig die Nutzungen des Areals sein könnten“, weiß Valentina Cramerotti aus dem Team der BAW. Dass sich nun RFI und die Stadt Bozen auf eine Öffnung des Areals für eine breite Öffentlichkeit einigen konnten, darf vorsichtigen Optimismus wecken. Es werden Fragen der Haftung zu klären sein, falls das Areal auch anderen Akteuren als der Gemeinde geöffnet werden soll. Hier könnte das größte Hindernis für das Projekt liegen.
 
 
Das Areal im Dornröschenschlaf, dass mit der beschlossenen, aber noch nicht zeitlich oder finanziell fixierten Gleiseverschiebung für neuem Wohnraum Platz bieten soll, findet aktuell lediglich in einem Teil Nutzung als Ausweichparkplatz bei starkem Touristenaufkommen. Nachdem bei der letzten Öffnung des Areals die Teilnehmerzahl aus Sicherheitsgründen stark limitiert war, ist dieses Mal keine Beschränkung vorgesehen. Es gilt daher zahlreich zu erscheinen, um ein starkes Signal an die Politik und Verantwortlichen zu senden, dass neue, vielseitig einsetzbare Freiräume in Bozen auf großes Interesse stoßen.