Books | Salto Afternoon

Verzwicktes und vertracktes Schrifttum

Soeben ist eine zweibändige Monografie zum dichterischen und bildnerischen Werk von Franz Josef Noflaner erschienen.
Noflaner
Foto: Haymon

Franz Josef Noflaner, der 1989 verstorbene, zeitlebens erfolglos gebliebene Schriftsteller und Maler aus St. Ulrich in Gröden, dessen prekäre Lebensführung und gleichzeitig besessene Produktivität als Künstler zu Legendenbildungen aller Art beigetragen haben, wird mit der soeben erschienenen Doppelmonografie Dichter Worte. Menschen Bilder, Ausgewählte Werke (Haymon Verlag, im Auftrag des Museum Ladin Ciastel de Tor und des Institut Ladin Micurá de Rü) endlich eine würdige Anerkennung zuteil. Bereits ein erstes flüchtiges Durchblättern der beiden, zusammen 528 Seiten umfassenden Bände lässt erahnen, dass mit dieser lang erwarteten Aufarbeitung des Werkes von Franz Josef Noflaner (1904 – 1989) den Herausgebern und dem Haymon Verlag eine veritable editorische Sensation gelungen ist.

Die beiden Bände überzeugen sei es durch editorische wie durch grafische Sorgfalt. Die elegante, erfindungsreiche Gestaltung von Uli Prugger (gruppegut) – Akzente werden in Band 1 etwa mit verstreut zwischen die Gedichte platzierten Vignetten des Künstlers gesetzt, Spannung und Dynamik durch die Variation von Bildformaten in Band 2 erzeugt – geht einher mit dem ehrgeizigen editorischen Anspruch, das umfangreiche schriftstellerische und bildnerische Werk Noflaners mit Hintergründen, Deutungen und unterschiedlichen literatur- bzw. kunsthistorischen Kontextualisierungen analytisch auszuleuchten.
Dem Herausgeber und Hauptautor Markus Klammer schien es dabei offensichtlich ein Anliegen, Noflaner endlich den Nimbus des verkannten Genies und Sonderlings abzusprechen, das er als allzu bequeme Marotte der Leserschaft entlarvt, um die eigentliche Autorität des Schriftstellers und Künstlers Noflaner zu verschleiern:

„Die Rückbindung des Schreibens an die eigene Biografie verleitet dazu, es als Ersatzhandlung zu deuten, die sich wie eine Folie über das handschriftliche Gekritzel und die vielen Tausend Seiten seiner maschinengeschriebenen poetischen Recherche gelegt hat, um der Nachwelt zu ersparen, auch den materiell darauf angesammelten Staub zu entfernen. Was es darunter freizulegen gibt, nachdem man sich die Finger schmutzig gemacht hat, ist das weit über seine Zeit hinausweisende Opus einer Krisenerfahrung der modernen Welt.“

Welches die Themen, Motive, inhärenten Reflexionen und Bezugnahmen dieser Erfahrung bei Franz Josef Noflaner sei es im Schreiben als auch in der Malerei und Zeichnung gewesen sein könnten, erörtert Markus Klammer aufschlussreich in Band 2, wo er einzelne Gedichte und Gedichtzeilen mit Bildern und Bildmotiven verknüpft und aufzeigt, wie vielfältig verschränkt das bislang zwischen Texten und Bildern getrennt rezipierte Oeuvre Noflaners gelesen werden kann.
Eindrücklich zur Geltung gebracht sind im anschließenden Bildteil, der eine Auswahl der zwischen 1967 und ca. 1985 entstandenen Ölbilder und Zeichnungen zeigt, die wie schwerelos, inmitten einer beseelten Fauna und Flora schwebenden expressiven Gesichter, Figuren und Kreaturen Noflaners. Erstmals in diesem Ausmaß wird das bildnerische Werk Noflaners – es umfasst an die 390 Arbeiten auf Leinwand und ca. 800 Zeichnungen – hier der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und in einem von Katharina Moling erstellten Werkverzeichnis vollständig aufgelistet.

Dass jetzt, 30 Jahre nach seinem Tod, Franz Josef Noflaner diese umfangreiche Werkausgabe gewidmet wird, freut einen für ihn, der sich den Erfolg so sehr gewünscht hat und stellvertretend für alle, die aus welchen Gründen immer von den Segnungen des Kunstbetriebs ausgeschlossen bleiben. Ein wichtiges Verdienst dieser Ausgabe also, Noflaners leidvolle Erfahrungen als autodidaktischer und missachteter Schriftsteller und Künstler im Kontext ihrer gesellschaftlichen Umstände, den provinziellen und bildungsfernen seiner Herkunft auszuleuchten und sein künstlerisches Insistieren als Notwendigkeit einer Existenzbewältigung nachvollziehbar zu machen.
Ob Noflaners über die Bildflächen tänzelnde Fabelwesen mit weit aufgerissenen Augen und vor allem sein manisch selbstbezogenes und fragmentarisches Schreiben dadurch zugänglicher geworden sind, bleibt allerdings fraglich. Seine sprichwörtliche Schrulligkeit, die durch viele Anekdoten überliefert ist – finden diese in der vorliegenden auf Seriösität bedachten Ausgabe auch kaum Erwähnung –, rächt sich da, wer weiß, posthum an seinen Verlegern.

[…] Ich bemühe mich spitzbübisch
um einen besseren Ruf,
als Lektoren und Tippfräuleins
in den Büros der Herren Verleger,
von Köln bis Salzburg
und von München bis Bozen mir
niederschmetternd angekreidet haben.

Rowohlt war mir zu weit,
Mondadori zu fremd
und die übrigen Poetenfresser
gaben mir selbstherrlich den Laufpaß,
ehe ich wußte, daß ich schon draußen lag. […]

Amen.