Politik | Interview

EVTZ/BL: Dorfmann im Interview

Nach dem Antrag Bellunos zur Aufnahme als Beobachter in den EVTZ ließen Briefverkehr und Stellungnahmen unserer Landeshauptleute noch viele Fragen offen.

Herbert Dorfmann, Abgeordneter im Europäischen Parlament, vermittelt seine Sicht auf die Dinge.

Herr Dorfmann, man munkelt, dass Sie es waren, der – nach der doch etwas harschen Antwort von LH Platter an die Präsidentin Larese Filon – Kompatscher und Rossi zu versöhnlicheren Tönen überzeugte.

Herbert Dorfmann: Ich gebe gerne zu, dass ich mich sehr bemühte, den Sachverhalt richtig zu stellen.

Kennen Sie das Antwortschreiben LH Platters?

Herbert Dorfmann: Ich kenne grob den Inhalt, nicht aber den genauen Wortlaut. Das Antwortschreiben des EVTZ-Vorsitzenden Platter ist sicher formal korrekt, aber der politische Teil ist wohl etwas kurz geraten. Man muss verstehen, dass Belluno in Innsbruck kein euphorisches Thema ist. Bald geht der Vorsitz aber an LH Ugo Rossi über, in dessen Präsidentschaft das weitere Prozedere fallen wird. Das Trentino ist nicht nur räumlich, sondern natürlich auch sprachlich und kulturell dem Belluno viel näher. Natürlich muss man sich verdeutlichen, dass Belluno wesentlich inhomogener ist, als etwa Südtirol oder Trentino es sind. Mit Buchenstein und Cortina, aber auch mit dem Comelico, dem Cadore und dem Agordino sind wir nicht nur historisch verbunden, sondern verbinden uns auch die Dolomiten und vielerlei Herausforderungen der Zukunft. In Feltre und Belluno Stadt hingegen beobachte ich tendenziell schon eine gewisse Ausrichtung nach Venetien.

LH Platter schrieb, dass es für eine Beobachterrolle eine Änderungen der Statuten bedarf.

Herbert Dorfmann: Ja, da wird viel verwechselt. Vorarlberg ist Beobachter im Dreierlandtag, nicht aber im EVTZ. Ohne jetzt die genaue Vorgangsweise im Kopf zu haben, sollte für eine Anpassung des Statuts der Ausschuss bzw. eine Vollversammlung ausreichend sein. Nachdem ich mit allen drei Landeshauptleuten gesprochen habe, denke ich, dass die Unterstützung gegeben ist. Allerdings hat LH Platter recht, dass zur Abänderung des Statuts das Einvernehmen der teilnehmenden Staaten Österreich und Italien notwendig ist, wie uns seit der Ausarbeitung des Statuts vor ein paar Jahren in Erinnerung ist. Ich bin da aber optimistischer, dass es hierbei keine großen Bedenken geben sollte.

Wurde denn in Schwaz den Belluneser Gemeinden Fodom, Col und Anpezo die Beobachterrolle im EVTZ oder nur jene im Dreierlandtag gewährt?

Herbert Dorfmann: Gute Frage. Da fragen sie am besten Landesrat Mussner. Ich war da nicht dabei. Sicherlich hätte man damals bereits ein Gesamtkonzept für die Provinz Belluno andenken sollen. Die drei Ladiner Gemeinden waren aber immerhin Teil des historischen Tirols und auf diese Weise wird ihnen wohl eine besondere Vertretung garantiert. Wir sollten aber schon bedacht sein, dass wir als Europaregion keinerlei imperialistischen Gedanken hegen und der angeschlagenen Provinz Belluno nicht die einzelne Gemeinden abringen wollen, denn damit würde man die Probleme der Provinz ganz gewiss nicht lösen. Hätten wir im Herbst etwas weiter gedacht, dann wäre der diplomatische Unfall jetzt vermeidbar gewesen.

Als Moreno Broccon vom BARD (Movimento Belluno Autonoma Regione Dolomiti)  im Jänner die Eingabe machte, dass sich Belluno als Beobachter bewerben sollte, wollte Daniela Larese Filon die Angelegenheit bis Juni studieren. Jetzt hatte sie, sich auf ein Treffen mit LH Kompatscher in Rom berufend, die Anfrage doch schon früher verschickt. Die Zweigleisigkeit der Antworten nagt wohl etwas an der Glaubwürdigkeit des BARD, dem Sie nahe stehen. Könnten da die Venezianischen Regionalwahlen eine Rolle spielen?

Herbert Dorfmann: Selbstverständlich stehe ich dem BARD nahe. Schließlich hat er mir zu den Wahlen ins Europaparlament zu vielen Stimmen verholfen. Eine reine Absage seitens des EVTZs wäre für den BARD wohl ein schwerer Schlag gewesen, ist es ja der BARD, der seit langem einer Annäherung stetig entgegenarbeitet. Aber die jetzt gestellte Aussicht auf die Beobachterrolle ändert das natürlich. Als ich die Präsidentin vor etwa zwei Monaten getroffen hatte, hatte sie nichts von einem Junitermin gesagt. Allerdings bedarf ein Antrag solchen Ausmaßes natürlich mehr Vorbereitung, als einfach einen Brief zu schreiben. Ich glaube schon, dass Präsidentin Larese Filon das Ansuchen aus voller Überzeugung gestellt hat und nicht aus irgendeinem parteipolitischen Kalkül heraus. Es ist bemerkenswert, dass sie sich trotz Euregio-skeptischer Stimmen in der eigenen Koalition zu diesem Schritt entschlossen hat.

Wenn die Provinz Belluno erst einmal als Beobachter im EVTZ bestätigt wurde, glauben Sie, dass es weitere Anfragen geben könnte? Kann es den Beobachterstatus nur für komplette Provinzen/Bundesländer/Kantone geben, oder könnten sich auch kleinere Gebiete wie etwa das Pinzgau, Asiago oder Müstair bewerben?

Herbert Dorfmann: Natürlich denkt man sofort an Vorarlberg und auch Salzburg, sollte aber auch die Möglichkeit im Auge behalten, im Rahmen der Makroregion der Alpen zusammenzuarbeiten. Was kleinere Gebiete anbelangt, muss man sich die Kosten/Nutzen-Frage stellen: Zum einen stehen da die Beziehungen mit unseren Nachbarländern, und nochmals, es ist nicht unsere Absicht, uns Gebiete territorial einzuverleiben. Zum anderen würde ein Beobachterstatus hohe Erwartungshaltungen wecken, denen wir nicht gerecht werden können, wenn unsere Partner nicht mit notwendigen Kompetenzen und Finanzierungen ausgestatten sind. Nur dann kann man gemeinsame Projekte umsetzen. Es gilt auch, den Bellunesern gegenüber ehrlich zu sein: Eine sofortige Vollmitgliedschaft Bellunos wäre nicht nur historisch schwer begründbar, sondern auch deshalb schwierig, weil Bellunos Status als „area vasta“ nicht klar definiert ist. Es ist ja gerade dies der Punkt, der Belluno so in Mitleidenschaft gezogen hat: Die Regionenreform, die der ehemaligen Provinz Belluno viele Kompetenzen entzogen hat. Die Regionalregierung, die für Belluno schwer erreichbar ist, und die Belluno vernachlässigt. Aber das mit der „area vasta“ kann ja nicht der Endzustand sein und es ist eben der BARD, der sich in besonderer Weise dafür einsetzt, dass Belluno wieder eine richtige Provinz wird. Als Vollmitglied wäre Belluno heute ein ungleich schwacher Partner in unserem EVTZ, möglicherweise ein bremsender. Mit dem Beobachterstatus geht es uns darum, Belluno beizustehen und uns gegenseitig anzunähern. Nicht nur bezüglich des UNESCO Weltnaturerbes der Dolomiten gibt es viele Gelegenheiten für gemeinsame Projekte. Da sollten wir alle Möglichkeiten, die uns INTERREG und Euregio bieten, ausschöpfen. Der Rest muss sich entwickeln.

 

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Profil für Benutzer Maximilian Benedikter
Maximilian Ben… Di., 21.04.2015 - 17:17

Vielen Dank für diesen Artikel. Sehr aufschlussreich und präzise Nachgefragt. Ich bin mir sicher, dass auch Herr Dorfmann dies zu schätzten weiss.

Di., 21.04.2015 - 17:17 Permalink