Umwelt | Interview

„Es geht um einen Systemwechsel“

Der ehemalige Meraner Energy Manager Bruno Montali blickt auf die letzten Jahre zurück, benennt die Hindernisse der Energiewende und warnt vor Polemik.
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Foto: Privat

Salto.bz: Herr Montali, was sind die Vorteile eines Energy & Climate Managers auf Gemeindeebene?

Bruno Montali: Die Gemeinde Meran merkte durch die Teilnahme am Konvent der Bürgermeister und am Programm KlimaGemeinde, dass eine zentrale Stelle für Umwelt, Klima und Energie innerhalb der Gemeindeverwaltung notwendig ist. Ansonsten riskiert man trotz einiger schöner Initiativen, keine klare Linie und keine gemeinsame Vision zu verfolgen. Denn so können die Arbeit verschiedener Ämter koordiniert und verschiedene Projekte in der Gemeinde besser organisiert werden. Zudem ist die Beratungsstelle für Energie ein für Bürger:innen kostenloser Service, um Informationen aus erster Hand zu Energie und Klima zu erhalten.

 

Allerdings fehlte aus meiner Perspektive der Newsletter in Papierform, der bis vor ein paar Jahren noch an die Haushalte der Gemeinde verteilt wurde.

 

 

Welche Erfahrungen haben Sie mit der Beratungsstelle für Energie gemacht?

Die Beratungsstelle für Energie ist direkt an die Bürger:innen gerichtet, allerdings gab es während meiner Zeit leider nicht viel Nachfrage. Im Vergleich dazu waren öffentliche Abendveranstaltungen zum Thema Klima und Energie gut besucht. Beispielsweise luden wir die Klimaforscher Luca Mercalli und Georg Kaser ein, aber auch Expert:innen für energieeffizientes Bauen, wie zum Beispiel Manfred Koblmüller aus Salzburg, oder Techniker:innen von dem KlimaHaus und dem Energieforum. Bei der Beratungsstelle hingegen ging es um die konkrete Bereitstellung von Informationen an die Bürger:innen, die sich telefonisch an mich wendeten. Personen fragten mich beispielsweise, ob es Sinn macht, in ihrer Situation eine Photovoltaik-Anlage anzubringen oder sie berichteten von dem Zustand ihrer Wohnungen. Hier gab ich dann hilfreiche Kontakte weiter. Allerdings fehlte aus meiner Perspektive der Newsletter in Papierform, der bis vor ein paar Jahren noch an die Haushalte der Gemeinde verteilt wurde. So erhielt ich nach den öffentlichen Abendveranstaltungen viele Anrufe, aber mit der Zeit vergaß man, dass es diese Beratungsstelle in der Gemeinde gibt.

 

Das Dekret könnte der Wendepunkt für den Ausbau von Solarenergie in Italien sein.

 

Könnte der Newsletter nicht auch per Mail versendet werden?

Daran haben wir auch schon gedacht, allerdings konnten wir aus Datenschutzgründen nicht auf die Mailadressen der Bürger:innen zugreifen, ohne vorher ihre Erlaubnis einzuholen. Dafür wären die Abendveranstaltungen eine gute Möglichkeit gewesen. Die Nachrichten auf der Website der Gemeinde sind nützlich und interessant, aber viele Bürger:innen, vor allem ältere Menschen, benutzen keine Computer. Über das komplexe Thema der Kommunikation bin ich noch immer mit dem neuen Energy & Climate Management von Meran in Kontakt und wir tauschen Ideen aus.

 

Hier bringt es wenig, sich weiter mit der aus meinen Augen falschen Polemik zwischen Fahrrad und Auto zu befassen, sondern es geht um einen Systemwechsel in unserem Leben.

 

Wie beurteilen Sie das italienische Dekret zu den sogenannten Energiegemeinschaften (comunitá energetiche)?

Das Dekret könnte der Wendepunkt für den Ausbau von Solarenergie in Italien sein. Die Durchführungsbestimmungen dazu werden in diesen Monaten verhandelt, um dem Ausbau von Solarenergie hoffentlich neuen Schwung zu geben. Denn der Ausbau hatte sich in den letzten Jahren verlangsamt, als 2013 die öffentlichen Beiträge für Photovoltaik-Anlagen ausliefen. Mit Energiegemeinschaften kann die Solarenergie bestmöglich genutzt werden, indem der Eigenverbrauch des erzeugten Solarstroms optimiert, unter den Mitgliedern der Gemeinschaften aufgeteilt wird und auch staatliche Subventionen für die Solarproduktion in Anspruch genommen werden können. Hier hat die Gemeinde, zwei Rollen zu übernehmen: Zum Einen soll sie selbst weiter und entschlossen auf ihren eigenen Gebäuden die Solarenergie ausbauen, zum Anderen die Energiegemeinschaften der Bürger:innen unterstützen, zum Beispiel auch als Mitglied einer solchen. Denn es ist erlaubt, dass in den Energiegemeinschaften auch die öffentliche Hand dabei ist.

Was sind aus Ihren Augen die größten Herausforderungen bei der Energiewende?

Die erste große Herausforderung liegt meines Erachtens in unseren Städten in der energetischen Sanierung der Gebäude. Denn mehr als 30 Prozent der Energie verbrauchen wir in einer Stadt wie Meran bei der Klimatisierung von Gebäuden. Viele unserer Wohnungen haben einen zu hohen Energieverbrauch. Bei einer wichtigen Initiative wie dem Superbonus 110% geht es nicht nur um die Ankurbelung der Wirtschaft, sondern vor allem um die energetische Sanierung und die Reduzierung der Treibhausgasemissionen in Ein- und Mehrfamilienhäusern. Ich bin schon neugierig, welche Erfolge dadurch statistisch gesehen erzielt werden können. Ein weiterer Bereich mit hohem Energieverbrauch ist die Industrie, bei der aber auch hierzulande bereits seit Jahren aktiv an der Energieeffizienz gearbeitet wird. Wenn wir aber als europäische Gemeinschaft bis 2030 55 Prozent der Treibhausgase reduzieren wollen, gelingt das nur als solidarische Gesellschaft, die gemeinsam handelt. Das betrifft auch die Mobilität, die für weitere mehr als 30 Prozent des Energieverbrauchs verantwortlich ist. Hier bringt es wenig, sich weiter mit der aus meinen Augen falschen Polemik zwischen Fahrrad und Auto zu befassen, sondern es geht um einen Systemwechsel in unserem Leben. Da bringen Stereotype von Fahrrad- und Autofahrer:innen nicht viel. In den Bereichen Wohnen und Mobilität haben wir als Bürger:innen die Verantwortung, aber auch die Möglichkeit, selbst Emissionen zu reduzieren. Durch das Einsparen von Energie wird zudem auch die finanzielle Belastung weniger.

 

 

Wieso braucht gerade Südtirol mit seiner Wasserkraft noch mehr Energie von Photovoltaik-Anlagen?

Die Wasserkraft spielt unbestreitbar eine wichtige Rolle in der Energiepolitik unserer Provinz. Andererseits wird auch im Klimaplan der Provinz (vorläufige Fassung 2021) darauf hingewiesen, dass es notwendig ist, die Erzeugung aus erneuerbaren Energiequellen zu diversifizieren, beispielsweise durch den Ausbau von Photovoltaik, weil die Wasserkraft unter Berücksichtigung der Umweltauflagen fast an der Grenze ihrer Möglichkeiten angelangt ist und weil es zu einem Rückgang der Wasserkrafterzeugung kommen kann, wenn die Niederschläge über lange Zeiträume abnehmen, was eine der Auswirkungen des Klimawandels ist.

Die verstärkte Nutzung von Photovoltaik wird auch vor dem Hintergrund des Trends empfohlen, fossile Brennstoffe bei der Erzeugung von Wärmeenergie für Heizzwecke durch elektrische Wärmepumpensysteme zu ersetzen.