Gesellschaft | Gleichstellung

Von neuen Weltbildern

Alle/s so schön bunt, im neuen Spanien!
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Foto: Costanachrichten

Weitestgehend unbemerkt von der Weltöffentlichkeit (die zurzeit überwiegend mit Wölfen beschäftigt ist, mit vierbeinigen, zweibeinigen und solchen im Schafspelz) hat sich in Spanien vor ein paar Wochen eine Revolution vollzogen: Eine neue Regierung hat ihre Arbeit aufgenommen.

Was daran revolutionär sein soll? Richtig - auf den ersten Blick nicht viel: Regierungen kommen und gehen, wer wüsste das besser als wir, und Spanien ist schließlich auch nur ein Land wie viele andere in der EU. Auf den zweiten Blick aber, und sei er noch so flüchtig, wird schnell klar,  worin die umwälzende Neuerung der Regierung Sánchez besteht:  Alle/s so schön bunt, dort!

Um genau zu sein, sind es die 11 (!) Frauen - Ministerinnen - die das Bild der 17 beleben, und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch die spanische, womöglich gar die europäische Politik. Àpropos: Ja, es wäre interessant, zu erfahren, ob die mehrheitlichen Ministerinnen bei der Entscheidung, die Heimatlosen der "Aquarius" aufzunehmen, eine Rolle gespielt haben (und falls ja, welche), oder ob „nur“ ein Ministerpräsident, der kein Problem damit hat, seine Regierung gewissermaßen „in Frauenhand“ zu legen, die Welt eben ein kleines bisschen anders sieht als seine Geschlechtsgenossen vom alten Weltbild.

Jedenfalls ist aber offensichtlich, und das dürfte die zahlreichen Frauenquoten-Gegner sehr freuen: Es gibt  Männer (es ist möglich), die es ganz ohne Quote/n schaffen, Frauen für öffentliche Posten mit hohem und höchstem Verantwortungsfaktor zu finden, zu rekrutieren, zu motivieren.  Denn tatsächlich: Diese unüblichen Elf sind nicht nur Ministerinnen, sondern verantworten auch - noch unüblicher - sämtliche Schlüsselpositionen der Regierung. 

Womit also endgültig klar - und vielleicht auch die auffallende Stille um die neue spanische Regierung geklärt - wäre: Die üblichen Ausreden einer gewissen Männerwelt - Frauen wollen nicht, Frauen können nicht, Quoten gehen nicht - sind endgültig null und nichtig, ist mithin unbestreitbar, dass der Fehler im System nur ein einziger sein kann: Männer wollen nicht (Macht abgeben). Da passt sehr schön ins Bild, dass man hierzulande schon Stress (Verlustängste?) bekommt, wenn nur vorgeschlagen wird, Kandidat_innenlisten sollten doch künftig alternierend, nach einem Reißverschlussmodus, geordnet werden (Achtung: nicht gewählt!, nur gelistet!). Ich glaube, im Sport nennt sich die Praxis zum Ausgleich unterschiedlicher Start-/Ausgangsbedingungen "Handicap", und ist dort ohne weiteres akzeptiert (vielleicht mangelt's ja also einer gewissen - alten - Welt nur am Sportsgeist).

An dieser Stelle fallen mir, warum auch immer, die beiden Frauen der Freiheitlichen (mit dem engen Weltbild) ein: Die Frau Oberhofer, Nummer zwei der zwei Frauen in der Partei, lässt verlauten, Frauen seien nicht wirklich geeignet für höhere Weihen (in der Politik), sie brächten Unheil über die regierte Menschheit, sie ratschten zu viel, könnten nicht entspannt (!) arbeiten und seien überhaupt nicht so entscheidungsfähig (!!) wie Männer, was immer das heißen soll. (Spanien müsste also, Frau Oberhofer's Werte-und Weltbild gemäß, spätestens innnerhalb der nächsten paar Tage mit Getöse untergegangen sein, politisch und überhaupt). Ihre Chefin, die Nummer eins also der beiden Frauen in der Partei (mit dem engen Weltbild), sekundiert, und erhebt Nebenschauplätze der Gleichstellungsdebatte - die ja übrigens längst obsolet wäre, wenn es nicht, immer noch und trotz allem, so(lch) renitente und veränderungsrestistente Frauen und Männer gäbe - zu  "Luxusdebatten über gendergerechte“ Sprache (Binnen-I und die ganzen Innen" . Schon klar: "Politiker_innen", die (andere) Menschen nach Rasse Hautfarbe Religion Herkunft usw. kategorisieren, und vor-verurteilen, haben wohl wenig Gespür für Gleichstellungs- und andere Fragen der Gerechtigkeit. 

So bleibt also der Blick aus der Heimat hoffnungsvoll nach Spanien gerichtet, wo der Alte-Welt-Modus in aller Stille begraben wurde und damit neue Maßstäbe gesetzt sind. Wie übrigens die spanischen Männer, auch aber nicht nur die verbliebenen sechs Minister, mit der sowohl für individuelle als auch für gesamtmännliche Verhältnisse völlig neuen Erfahrung umgehen, wäre interessant zu erfahren, ist aber leider - noch - nicht überliefert. Aufstände hat es jedenfalls keine gegeben.

PS. Nicht zuletzt wird es auch SEHR spannend sein, zu beobachten, wie die (im mehrfachen Sinne) neue spanische Regierung mit den katalanischen Separatist_innen umgehen wird: Der Reformwille ist (erwiesenermaßen) sehr hoch, ebenso die Fähigkeit, über den eigenen, kleinen Tellerrand hinauszuschauen, und entsprechend zu agieren. Und ja, es ist davon auszugehen, dass eine neue Basis für ein neues, innerspanisches Miteinander gefunden werden wird: Die Aussichten sind gut, für Spanien, für Katalonien, und also - im weiteren Sinne -, auch für Südtirol.

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Sepp.Bacher Sa., 23.06.2018 - 14:02

Nun liebe Silvia, ich kann verstehen, dass du dich über eine mehrheitlich weibliche Regierung in Spanien freust. Ich freue mich aber auch, dass wieder eine Mitte-Linksregierung an der Macht ist. Und dass sich der neue Regierungs-Chef dafür entschieden hat, die Aquarius auf zu nehmen, könnte auch dieser anderen Weltanschauung geschuldet sein. Ebenso, eine eventuelle offenere Haltung in der Katalonienfrage.
Dass die Frauen immer die guten sind und die Männer immer die bösen und dass Probleme immer nur aus der Gender-Sicht zu sehen und zu lösen sind, glaubst du wohl selbst nicht. Obwohl das militante Frauenrechtlerinnen meistens tun.
Ich habe vor Jahrzehnten, als ich in die Abendschule ging, einen Aufsatz geschrieben zum Thema, ob Frauen grundsätzlich bessere Politikerinnen sind und damit in der Klasse und im Kollegenkreis der Lehrperson für Aufsehen gesorgt. Ich hatte die Frage verneint:
Indira Gandhi hatte als indische Premierministerin einen Krieg mit Pakistan geführt, in ihrer Regierungszeit wurde Indien zur Atommacht. Etwa zur gleichen Zeit war in Sri Lanka Sirimavo Bandaranaike an der Macht. Bekämpfte aber gleich wie die männlichen Regierungs-Chefs vor und nach ihr, die tamilischen Minderheit.
In Israel hatte unter Regierungs-Chefin Golda Meir im Sechstage-Krieg große Teile nachbarlichen Territoriums besetzt und in der Folge viele Palestinenser in die Flucht getrieben. Heute sind diese ähnlich wie die Juden in einer Diaspora fast über die ganze Welt zerstreut. An den Folgen diesen Krieges leidet der Nahe Osten noch heute.
Die Eiserne Lady Margaret Thatcher hat nur wenige Jahre später als englische Premier-Ministerin den Falklandkrieg mit Argentinien geführt. Und - von wegen Macht abgeben - ihre Monarchin Elisabeth klebt ganz wie Männer am Sessel der Macht.
Ähnliche Beispiele gibt es auch aus der jüngeren Geschichte.

Sa., 23.06.2018 - 14:02 Permalink
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Sylvia Rier So., 24.06.2018 - 10:51

Antwort auf von Sepp.Bacher

Ja natürlich lieber Sepp, das versteht sich von selbst, also die Freude über die Mitte-Links-Regierung (ich habe mich ein Weilchen lang gefragt, ob diese - die spanische also - "Regierungskonstellation" überhaupt nur möglich ist, weil die Regierung nach links ausgerichtet ist? Was meinst du?). Doch davon abgesehen, habe ich mich über die Regierung Trudeau mindestens genauso sehr gefreut - vielleicht noch ein wenig mehr, weil sie noch vielfältiger ist, die Gesellschaft noch um ein Quäntchen "tiefer" widerspiegelt -, wie übrigens auch über Londons (neuen) Bürgermeister Sadiq Khan. --- Und ja, noch einmal. Ich weiß auch nicht, woher diese Erzählung, Frauen seien besser als Männer, herkommt. Von mir stammt sich nicht. Frauen sind nicht besser, aber auch nicht schlechter, und haben auch weder Verpflichtung noch Anlass, besser zu sein als Männer, allenfalls vielleicht das Recht, ebenso schlecht zu sein. Insofern ist es ja auch völlig unverständlich, und nicht zu rechtfertigen, wenn diese/s Theater gemacht wird, wenn irgendwo Frauen der ihnen zustehende Raum überlassen werden soll. --- Eben darum finde ich das spanische Regierungsbild auch so spannend: Daran wird sich, vielleicht, hoffentlich, beobachten lassen, wie es läuft, wenn Frauen (der weibliche Faktor, wenn wir so wollen), in der Mehrheit sind.

So., 24.06.2018 - 10:51 Permalink
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Sylvia Rier So., 24.06.2018 - 10:55

Dein Beispiel ist nicht gut gewählt. Allenfalls müsste eine - korrekte - Probefrage lauten (beispielsweise): "Ist ein Regierung in Südafrika richtiger/berechtigter, wenn ihr mehrheitlich schwarze Menschen angehören?."

So., 24.06.2018 - 10:55 Permalink
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Sepp.Bacher So., 24.06.2018 - 11:33

Antwort auf von Sylvia Rier

Südafrika ist ein gutes Beispiel: Nelson Mandela (ein Mann) hat wie sein Vorbild und Mentor Mahatma Gandhi (ein Mann) eine Gewalt-lose Befreiungspolitik erfolgreich zum Ziel gebracht. Leider erbringt die vorwiegend schwarze Regierung nicht die erwarteten Ergebnisse und ist teilweise korrupt. Ich erlaube mir einen Satz von dir abzuwandeln: Schwarze sind nicht besser, aber auch nicht schlechter, und haben auch weder Verpflichtung noch Anlass, besser zu sein als Weise, allenfalls vielleicht das Recht, ebenso schlecht zu sein!

So., 24.06.2018 - 11:33 Permalink
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gorgias Di., 26.06.2018 - 07:06

Frauen sind von Natur aus gut. Wenn das nicht immer so scheint, weil sie Ulli Mair oder Margaret Tatcher heissen oder am Ende sogar in einem KZ als Wärterin gearbeitet haben, dann ist das nur weil sie als Agenten des Patriarchat vereinnahmt wurden.

Also diese Frauen sind dann wohl auch nur Marionetten des Patriarchats und können für ihre Taten nichts dafür, weil Männer sind für alles Schlechte dieser Welt verantwortlich, denn diese sind ja von Natur aus schlecht.

Dass eventuell die politische Ausrichtung der Partei die die Regierung bildet, für das zumindest anfänglich "Gute" dieser Regierung verantwortlich sein könnte und nicht der hohe Anteil im Kabinett an Vaginas , kann sich Frau Rier in Ihrem bornierten verengten Interpretationsrahmen nicht vorstellen.

Di., 26.06.2018 - 07:06 Permalink
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19 amet Di., 26.06.2018 - 12:39

Was bin ich froh, dass der amtliche Verteidiger des Abendlandes, Oliver Ha. sofort vermelden kann, dass die schröckliche spanische Regierung doch nicht so toll ist. Ich frage mich ob er andererseits auch forsch melden würde,wenn sie tolle Sachen macht. Ich finde diese permamnente schwarz-weiss Malerei, und Unterscheidung zwischen Freunden und Feinden einfach primitiv. Warten wir doch ab was die Fascios in Italien und die Linken in Spanien machen werden und dann kommentieren wir.

Di., 26.06.2018 - 12:39 Permalink
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Michael Bockhorni Sa., 30.06.2018 - 17:40

Ich denke es geht ja nicht nur um gut oder schlecht, sondern ob sich in einer Regierung bzw. in einem Führungsgremien von Unternehmen bzw. Organisationen alle verschiedenen Teile einer Bevölkerung bzw. Belegschaft (Männer / Frauen, "Weisse / Schwarze", ....) sich repräsentiert fühlen und mitgestalten können oder nicht

Sa., 30.06.2018 - 17:40 Permalink