Gesellschaft | Journalismus

Austritt aus Protest

Die bekannten Journalisten Sandro Ruotolo und Paolo Borrometi setzen aus Protest ihre Mitgliedschaft in der Journalistenkammer aus. „Entweder Vittorio Feltri oder wir."
Feltri, Vittorio
Foto: bergamonews
Der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war ein Satz, der im Radio oder im Fernsehen eines zivilisierten Landes nie auf Sendung gehen würde.
Am Montagmorgen war der bekannte italienische Schriftsteller Andrea Camilleri nach einem Herzstillstand in das römische Krankenhaus Santo Spirito eingeliefert worden. Seit Tagen kämpft der 93jährige Bestsellerautor auf der Intensivstation um sein Leben.
Zwei Tage später war Vittorio Feltri im zweiten Hörfunkprogramm der RAI zu Gast. Als der Rede auf Camilleri kam, sagte der Direktor der Rechtszeitung „Libero“ wörtlich:
 
„Mi dispiace se muore. Però mi consolerò pensando che Montalbano non mi romperà più i coglioni. Basta, mi ha stancato”.
 
Es ist der Satz, der Sandro Ruotolo und Paolo Borrometi, den Kragen platzen lässt. Die beiden renommierten Journalisten kündigen in einem offenen Brief an den Präsidenten der italienischen Journalistenkammer, Carlo Verna, an, dass sie ihre Mitgliedschaft in der Kammer selbst aussetzen, so lange Feltri weiterhin ungestraft Mitglied der Journalistenkammer bleibt. Die Botschaft: Entweder Feltri oder wir.
 

Rassimus, Xeno- und Homophobie

 
Sandro Ruotolo und Paolo Borrometi schreiben in ihrem Brief an Verna:
 
“Caro presidente, abbiamo deciso di autosospenderci dall’Ordine Nazionale dei Giornalisti perché ci consideriamo incompatibili con l’iscrizione all’albo professionale di Vittorio Feltri. Le parole di Feltri su Camilleri e le sue opere hanno rappresentato per noi la goccia che ha fatto traboccare il vaso. Ne va della credibilità di ognuno di noi e della nostra categoria. Adesso basta. O noi o lui. Quel ‘terrone che ci ha rotto i coglioni’ per noi figli del Sud è inaccettabile. Non è in gioco la libertà di pensiero. Sono in gioco i valori della nostra Costituzione. Ogni suo scritto trasuda di razzismo, omofobia, xenofobia. Riteniamo gli scritti e il pensiero del direttore Feltri veri e propri crimini contro la dignità del giornalista”.
 
 
Ruotolo und Borrometi listen dann eine ganze Reihe von menschenverachtenden Schlagzeilen auf die der „Libero“ unter der Ägide von Feltri in den vergangenen Jahren gedruckt hat. Von dem Titel „Bastardi islamici“ (nach den Attentaten in Paris), über den sexistischen Rülpser „Patata bollente”, ein Artikel über Virginia Raggi, für den die Zeitung sowohl vom Landesgericht in Mailand wie auch von der Journalistenkammer verurteilt wurde, bis hin zu den Schlagzeilen  „Renzi e Boschi non scopano” „Comandano i terroni“ und „Vieni avanti Gretina” über den Besuch der schwedischen Schülerin und Klimaaktivistin Greta Thunberg in Rom.
Continuiamo a batterci contro la censura e gli editti, ma non possiamo accettare tra noi chi istiga all’odio. Ne va della nostra credibilità”.
L’idea che Vittorio Feltri offre è che si possa, impunemente, permettersi questo avvelenamento chirurgico“, schreiben Ruotolo und Borrometi in ihrem Brief. “E non è un problema solo suo. Almeno, non lo è più. A lui non frega niente: il limite, la deontologia, la misura, il buon senso, diremmo perfino la dignità sembrano saltate da tempo. Continuiamo a batterci contro la censura e gli editti, ma non possiamo accettare tra noi chi istiga all’odio. Ne va della nostra credibilità”.

„Nicht möglich“
 

Carlo Verna, der Präsident der italienischen Journalistenkammer, hat nach Bekanntwerden des offenen Briefes umgehend reagiert. Verna erklärt, dass er die Überlegungen der beiden Kollegen verstehe und auch teile, formal aber eine freiwillige Aussetzung der Mitgliedschaft in der Berufskammer nicht möglich sei.
Se l’ordine dei giornalisti fosse un club mi autosospenderei pure io. Ma non lo è, e l’istituto dell’autospensione non esiste, ci si può semmai cancellare, astenendosi dallo svolgere la professione e salvo il diritto d’opinione per poi iscriversi di nuovo quando sono cessate le ragioni di cui alla polemica” erklärt Verna den Medien.
 
 
Der Kammerpräsident erinnert gleichzeitig daran, dass Feltri wie jedes andere Kammermitglied auch einem Disziplinarverfahren unterzogen werden kann, dessen Ausgang die beiden Kollegen Borrometi und Ruotolo dann respektieren müssen.
Demnach werden Vittorio Feltri und der „Libero“ in Stürmermanier weiterhin ungestraft wüten können.
Bild
Profil für Benutzer Manfred Klotz
Manfred Klotz Fr., 21.06.2019 - 15:16

Traurig was die Journalistenkammer für ein jämmerlicher Verein ist. Feltri, Belpietro und Sallusti sind ein Hohn für die gesamte Berufsgruppe. Ist es Zufall, dass alle drei aus dem rechten Loch, Pardon, Eck kommen?

Fr., 21.06.2019 - 15:16 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Elisabeth Garber
Elisabeth Garber Fr., 21.06.2019 - 15:21

Kein Kommentar zu den üblen, gefälligen und auch einträglichen verbalen Entgleisungen des rechten Blattes (mit dem verführerischen Namen 'Libero').
Nur eines: Hut ab vor den beiden Journalisten, die sich klipp und klar gegen die Verletzung der Menschenwürde durch Verrohung der Sprache und somit letztlich gegen eine sich wiederholende Geschichte des Fanatismus wehren.

Fr., 21.06.2019 - 15:21 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Manfred Klotz
Manfred Klotz Fr., 21.06.2019 - 18:01

Die Auflagenstärke ist nicht unbedingt der Maßstab, sondern die Anzahl der verkauften Exemplare.
In Italien sind die rechten Revolverblätter Il Giornale, Libero, La Verità da nicht ganz vorne.

Fr., 21.06.2019 - 18:01 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Manfred Klotz
Manfred Klotz Sa., 22.06.2019 - 08:14

Aber der Herausgeber stellt da auch fest, wie viele Exemplare unters Volk kommen (die Rechnung ist relativ einfach). Diese Erhebung ist nämlich aus wirtschaftlichen und marketingtechnischen Gründen von Bedeutung.

Sa., 22.06.2019 - 08:14 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Manfred Klotz
Manfred Klotz So., 23.06.2019 - 08:28

Ja gut, um werbetechnisch gut dazustehen, könnte er auch die Auflagenzahl erhöhen, viele Blätter landen ja eh schon im Müll, da kommt es auf ein paar Tausend nicht an. Seit es aber für die meisten Herausgeber keine staatlichen Zuschüsse für den Ankauf von Zeitungspapier mehr gibt, ist das natürlich ein bisschen anders.
Tatsache ist, dass die rechten Revolverblätter in Italien auch bei der Auflagenstärke nicht ganz vorne stehen.

So., 23.06.2019 - 08:28 Permalink