Kultur | Salto Afternoon

Das kurze Verbleiben

Was bleibt? Der Frage der Ausstellung, als sanktionierter Vandalismus direkt an die Wand der Stadtgalerie Bozen geschrieben, stellen sich Peter Burchia und Ariel Trettel.
Was bleibt?
Foto: Privat
Sie ergänzen sich auf den ersten Blick in die Bozner Stadtgalerie schon gut, die alten Freunde und ehemaligen Bandkollegen: Während der Trettel hauptsächlich mit Objekten arbeitet, gibt Burchia dem Bild den Vorzug. Trettel arbeitet eher minimalistisch, Burchia füllt seine Bilder bis in den letzten Winkel mit Details. Der eine bleibt bei Erdtönen, Schwarz und Weiß, der andere arbeitet mit urban grellen Farben. Land und Stadt.
 
 
Burchias Bilder scheinen das Zerfallen von Systemen zu thematisieren mitsamt dem daraus resultierendem Chaos. Sie agitieren, machen unruhig und sind in ihrer verschiedenen  Techniken geschuldeten Vielschichtigkeit, ein scharfer Pinselstrich und eine weiche Spray-Wolke, die handgeschriebenen Tags und die Notizen die hauptsächlich unleserliche Kalkulationen durchführen, macht es schwer die Bilder eindeutig zu lesen. Allein das Portrait am Eingang hat recht deutliche Überschneidungen - ich will hier keine Intention unterstellen - mit Basquiats Selbstdarstellungen. Die Berechnungen sind dabei, gerade im Fall einer Spiralgalaxie astronomischer Natur und stellen dem auf den ersten Blick überwältigenden menschlichen Chaos eine wesentlich größere, kosmische Ordnung gegenüber, die unser unaufgeräumtes Haus Erde tröstlich nichtig und klein erscheinen lässt. In einem weiteren Bild bedeckt eine Anordnung von 36 chirurgischen Masken einen Abschnitt des Werkes. Ob darunter das Bild weiter geht oder eine Fehlstelle bedeckt wird, unklar. Die Farbgebung des Bildes liest sich wie ein Psychogramm aus bedrückendem Blau und einem Gefahr signalisierendem Orange, wie dem einer Sicherheitsweste und hier ist es die Abwesenheit der auf den anderen Bildern fast obsessiv wirkenden Rechnungen, die ins Auge sticht. Was bleibt von der Pandemie? Ein Stimmungsbild.
 
 
Trettel geht die Frage nach dem Kaffeesatz der Existenz recht wörtlich an und liefert zum Teil fäkale Kunst mit Ironie ab: Seine getrockneten Kuhfladen und hinter Glas gestellten Schafs-Köttel sind als Rohstoff geruchsneutral und sprechend. Auf Marmorbruch gesetzte Köttel bilden „Landschaft mit Schafe“, ein Kunstwerk über welches sich Trettel bei der Eröffnung sichtlich freut und das ihn erheitert. Eine Videoarbeit zeigt, wie eine Holz-Büste dem Feuer preisgegeben wird, um anschließend gelöscht zu werden, das verkohlte Relikt steht neben der Projektion auf einem Sockel. Fast sämtliche Details gehen verloren, der offene Mund bleibt als stummer Schrei erkennbar. Lesen lässt sich diese Zerstörung nicht als willkürlicher Akt an dessen Ende eine Null steht, sondern als planmäßige Reduktion auf ein Wesentliches. Überhaupt geht Trettel auf das Wesentliche zurück, auch auf das, was, zumindest beim Menschen oft vor der Verdauung steht: Das Brot. Die Arbeit „Täglich Brot“ bespielt traditionelle Holzrahmen, wie sie etwa im Vinnschgau zur Lagerung verwendet werden mit Marmor Fragmenten, an einer Wand sind Brottücher wie ein Vorhang installiert. Der brotlose Beruf trifft auf eine Struktur, die Brot(-Erwerb) einfordert und antwortet mit seinen, unzulänglichen Mitteln.
Ein Kompliment gilt es für die Entscheidung auf Ausstellungskärtchen zu verzichten, die vielleicht auch nur zur Vernissage fehlten. Klar genug ist die Autorschaft der Werke ohnehin. Auf die Frage „Was bleibt?“ lässt sich keine definitive Antwort finden. Hier nutzt man sie um einen Kontext für eine Begegnung voller Widersprüche zwischen zwei alten Freunden zu finden, die sich nach langer Zeit wieder sehen, auf einer Ebene irgendwo zwischen professionell und persönlich, irgendwo zwischen Stadt und Land, Zeitlosigkeit und datierbarer Erinnerung.