Umwelt | Neowise

„Er tauchte plötzlich auf“

Derzeit ist Komet Neowise zu sehen. Astronom David Gruber über das seltene Phänomen, dessen Interpretation als göttliche Warnung und was unser Kaffee damit zu tun hat.
Neowise über Vinschgau
Foto: Gianni Bodini

Salto.bz: Mit August beginnt die Zeit der Sternschnuppen. Doch dieses Jahr kann man zusätzlich den Kometen Neowise am Himmel beobachten. Was ist der Unterschied zu Sternschnuppen?

David Gruber: Bei Sternschnuppen handelt es sich um ein atmosphärisches Phänomen. Wenn Staubkörnchen, millimetergroß, auf die Erde prasseln, verglühen sie, sobald sie die Erdatmosphäre durchdringen. Diese regen unsere Luft, also Sauerstoff und Stickstoff, zum Leuchten an, was wir dann als Sternschnuppen wahrnehmen. Aber eigentlich haben sie nichts mit Sternen zu tun. Die bekanntesten sind die sogenannten Perseiden im August, doch Sternschnuppen gibt es auch im Dezember.

Kometen hingegen spielen sich außerhalb unserer Erdatmosphäre, weit weg im Weltall, ab. Es sind mehrere km große Klumpen, bestehend vorwiegend aus Eis, Gestein und Staub. Die um die Sonne kreisen. Wenn sie zu nahe an die Sonne geraten, werden sie erhitzt und beginnen zu sublimieren, d.h. sie werden gasförmig. Bei diesem Prozess werden Staub, Wasserdampf und geladene Teilchen ins Weltall abgegeben, was sich uns als leuchtender Schweif zeigt. Der Unterschied zu einer Sternschnuppe ist auch, dass Kometen über längere Zeit, manchmal über mehrere Wochen, am Himmel zu sehen sind. 

 

 

Was ist das Besondere an dem Kometen Neowise?

Zum einen sind Kometen sehr seltene Ereignisse. Es gibt sie zwar oft, aber nicht immer ist die Konfiguration zwischen Erde, Sonne und Komet so günstig, dass wir den Kometen mit freiem Auge sehen können. Der letzte bekannte Komet war Hale-Bopp im Jahr 1997-98. Der war richtig hell. Ein Jahrhundertkomet! 

Das heißt, Neowise ist im Vergleich zu Hale-Bopp weniger beeindruckend?

Wer von den Lesern sich an Hale-Bopp 1997 erinnert: Kein Vergleich. Man sieht auf Twitter und Instagram all diese beeindruckenden Fotos von Neowise. Doch man muss bedenken: Das ist ein Foto von einem Profi, das extrem lang belichtet wurde. Mit freiem Auge sieht man eher nur einen leicht diffusen Stern, der Schweif ist schwerer zu erkennen. Also es ist nicht ein Komet, der mich von den Socken haut. Trotzdem sollte man ihn mal gesehen haben, weil es ein so seltenes Phänomen ist. Dafür muss man aber wissen, wo überhaupt hinsehen.

Neowise kommt erst in 6.000 Jahren wieder. Mit dem brauchen wir also wohl nicht mehr zu rechnen.

Wo und wie kann man den Kometen am besten beobachten? 

Neowise befindet sich ziemlich knapp über dem Horiziont, d.h. ich muss eine Gegend aufsuchen, von der ich den Horizont sehen kann, am besten Richtung Nordwesten. Talkessel sind dafür weniger geeignet. Wie entdeckt man ihn nun am Himmel? Zuerst sucht man den großen Wagen, ein relativ einfach zu findendes Sternbild. Von den unteren beiden Sternen des Kastenbildes, die Räder des Wagens sozusagen, sollte der Blick dann nach unten verlängert werden. Am besten funktioniert es natürlich, wenn es dunkel ist. Außerdem kann man mit dem Fernglas die Schweifstruktur schöner erkennen. Natürlich muss auch das Wetter stimmen, der Himmel muss klar sein.

 

 

Für diejenigen, die es dieses Jahr nicht schaffen, den Kometen zu sehen, wann wird der nächste Komet bei uns am Himmel zu sehen sein?

Man kann nur schwer vorhersehen, wann der nächste Komet auftauchen wird. Das liegt daran, dass da draußen so viele Gesteinsbrocken herumfliegen, dass man gar nicht alle kennt. Neowise tauchte im März unvorhergesehen auf. Es kann also sein, dass nächstes Jahr plötzlich wieder ein Steinbrocken sich auf den Weg Richtung Sonne bewegt. Aber das weiß man eben nicht. Es gibt aber auch kurzperiodische Kometen, wie etwa der Halleysche Komet, der alle 76 Jahre wieder zu sehen ist. D.h. hier wissen wir, der kommt 2061 wieder. Neowise kommt zwar auch wieder, aber erst in 6.000 Jahren. Mit dem brauchen wir also wohl nicht mehr zu rechnen.

Man sieht all diese beeindruckenden Fotos von Neowise. Doch man muss bedenken: Das ist ein Foto von einem Profi, das extrem lang belichtet wurde. Mit freiem Auge sieht man eher nur einen leicht diffusen Stern

Woher bekommen die Kometen eigentlich ihre Namen? Warum heißt dieser „Neowise“?

Diejenigen, die den Kometen zum ersten Mal entdecken bzw. seine Bahn beschreiben, deren Nachnamen erhält der Komet. Der Halleysche Komet zum Beispiel ist benannt nach Edmond Halley, der als erster entdeckte, dass es sich bei den wiederkehrenden Phänomenen um denselben Kometen handelte. Er berechnete dann seine Bahn und konnte hervorbestimmen, dass der Komet in 76 Jahren wiederauftaucht. Neowise hat seinen Namen nicht von einer Person, sondern von einem Satelliten, der den Kometen entdeckte. Zu dieser Namensgeschichte gibt es übrigens eine lustige Simpsons-Folge. Der Grundschuldirektor Skinner will ewig in Erinnerung bleiben, und dafür einen Kometen entdecken, der dann nach ihm benannt wird. Er verdonnert Bart Simpson dazu, ihm zu helfen. Zur Berühmtheit kommt es aber nicht für Barth, denn der Komet stürzt am Ende auf die Erde.

 

 

Apropos auf die Erde stürzen: Haben Kometen einen Einfluss auf die Erde, oder können sie gar eine Gefahr darstellen?

Kometen sind Jahrtausende lang bekannt, und wurden früher als Unheilsbringer interpretiert. Die haben ganze politische Entscheidungen beeinflusst, Kriege wurden abgebrochen, Hungerkatastrophen wurden auf Kometen zurückgeführt. Das war wohl deshalb, weil Kometen so plötzlich auftauchen. Der Himmel ist sonst sehr konstant und rhythmisch, und diente daher immer als Orientierung für die Menschen. Damals dachte man: Die Mondphasen und Sternbilder sind so regelmäßig, so perfekt, das muss etwas Göttliches sein. Wenn dann plötzlich etwas Unerwartetes, wie eben ein Komet, auftauchte, dann musste es sich im Glauben der Menschen um eine Strafe oder Warnung Gottes handeln. Selbst als Hale-Bopp auftauchte, gründete sich die Sekte „Heaven’s Gate“, die Massensuizide begangen, weil sie den Kometen als Raumschriff interpretierten, das die Seelen Aller in eine bessere Welt bringe. Auch 1910 brach in England wegen eines Kometen eine Massenpanik aus, denn man befürchtete, dieser sende einen gefährlichen Giftstoff auf die Erde. Es wurden Anti-Kometen Masken, Anti-Kometen Pillen verkauft. Am Ende stellte sich die Furcht als unbegründet heraus. 

Das heißt, die Gefahr eines Kometen ist sozialer Natur, statt physikalischer? 

Die Erde wird jeden Tag von 100 Tonnen an kosmischem Material getroffen. Nur merken wir davon nichts, weil die Körper so klein sind, oder die Erde an vielen Orten nicht besiedelt ist. Größere Brocken sind seltener. Die Erde ist außerdem so klein, und wird daher weniger wahrscheinlich getroffen. Es kann aber passieren, dass größere Gesteinsbrocken mit der Erde kollidieren. In der Vergangenheit ist das häufig passiert, daher kommt auch das Wasser auf unserem Planeten. Also diesen Kaffee, den wir gerade trinken, wurde mit Kometenwasser gebraut. Die Frage ist am Ende nicht, ob der nächste Komet einschlagen wird, sondern wann.

 

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Profil für Benutzer Matti Messer
Matti Messer Di., 21.07.2020 - 20:43

Ich warte auch schon gespannt auf die Weltuntergangsphantasien, Corona & the Comet, aber nix passiert

Ps: Als einer der Hale-Bopp nicht gesehen hat finde ich diesen Schweifstern sehr beeindruckend!

Di., 21.07.2020 - 20:43 Permalink