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Sommerloch & Großschwyz

Wie aus einem Satz eine internationale Medienstory wird. Die Geschichte einer Nachricht durch die Südtirol zum Großschweizer Traum wurde.

Christian Girardis Verwunderung ist nicht gespielt. „Wenn ich sehe, welche Kreise diese Geschichte zieht, kann ich nur mehr staunen“, sagt der Gründer des „Global Forums Südtirol (GFS)“ mit einem leichten Kopfschütteln.
Girardi und seine Plattform haben in wenigen Wochen die eigenen Gesetze des internationalen Medienmarktes kennengelernt. Der Südtiroler Akademiker hat das berühmte Steinchen geworfen, das dann auf einem glatten, ruhigen See immer größere Kreise zieht. Es war nur ein Satz, der zu einem internationalen Medienecho geführt hat, das die Südtirol Marketinggesellschaft nicht einmal für viel Geld erkaufen könnte.
Dabei sagt die Geschichte auch viel über die europäische Medienrealität aus, über die ungeschriebenen Gesetze zwischen Sommerloch, Zufall und dem Ab- und Nachschreiben großer und kleiner Medienhäuser.

Das Forum

Der Neumarkter Christian Girardi hat in Innsbruck Wirtschaft studiert und danach in New Orleans, Mailand und München berufliche Erfahrung gesammelt, seit 2008 lebt und arbeitet er im Kanton Zug in der Schweiz. Girardi war Gründungspräsident von Südstern, dem Netzwerk der Südtiroler im Ausland, das er 6 Jahre lang bis Mai 2009 ehrenamtlich leitet.



Seit 2009 ist Girardi Gründer und Organisator des Global Forum Südtirol. Das GFS sieht sich als exklusiven Think Tank, der Impulse zu globalen Trends und weltweiten Zukunftsthemen gibt, mit dem Ziel einen Beitrag zur Diskussion und Mitgestaltung einer langfristigen Vision für Südtirol zu leisten.
Dem Leitungsausschuss des GFS gehören neben Christian Girardi, Armin Broger (Esprit Group, Düsseldorf-Hong Kong), Michl Brunner (Unternehmer, Bozen), Zeno Kerschbaumer (Volkswagen Group, Kuala Lumpur – Malaysia), Giovanni Podini (Podini Holding, Bozen)
, Johannes Schneebacher (Südtiroler Volksbank, Bozen) und Peter Thun (Thun AG, Bozen) an.
Seit 2009 findet einmal im Jahr das Global Forum Südtirol statt, bei dem sich Persönlichkeiten und Entscheidungsträger aus dem In- und Ausland mit führenden Vertretern der Südtiroler Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und Politik treffen, um Impulse für die Zukunft Südtirols zu liefern.
Das Forum geht 2014 am 3. Oktober an der Uni Bozen über die Bühne und steht unter dem Titel „Kanton Südtirol - Utopie oder Modell?“. Auf der Tagung soll die Frage diskutiert werden, ob das Schweizer Kantonsmodell oder Teile daraus für Südtirol interessant sein könnten. Abgerundet wird das Thema durch die Vorstellung des Modells der kanadischen Provinz Quebec, welches zwischen dem Schweizer Kantonsmodell und dem Südtiroler Provinzmodell einzuordnen ist.
Als Referenten treten neben Landeshauptmann Arno Kompatscher, Urs Durrer vom Volkswirtschaftsdepartement des Kantons Schwyz, Thomas Held, Gründungsdirektor der Denkfabrik Avenir Suisse, Matthias Michel, Regierungsrat des Kantons Zug, Elisa Valentin vom Ministerium für internationale Beziehungen der Provinz Québec und der Südtiroler Senator und Verfassungsrechtler Francesco Palermo auf.

Der Satz

Bereits im Februar verschickte das GFS ein ausführliche Pressemitteilung zur Tagung und alle lokalen Medien in Südtirol berichteten darüber. Doch ende Juli erhält Christian Girardi einen Telefonanruf, der alles veränderte. Ein Schweizer Journalist fragt zur Tagung in Bozen nach. „Ich habe ehrlich gesagt, nicht gleich geschnallt, um welche Zeitung es sich handelt“, gibt Girardi heute offen zu. Auf Nachfrage des Journalisten, ob Südtirol nun der Schweiz betreten wolle, sagt er GFS-Gründer einen ganz normalen Satz: „Einige Südtiroler wären sicher dafür ein Schweizer Kanton zu werden“.
Diese Satz ist die Initialzündung für einen über einen Monat lang anhaltenden Sturm in in- und ausländischen Medien. Denn der Anrufer bei Christian Girardi ist ein Journalist der Schweizer Gratis-Pendler-Zeitung „20 Minuten“. Der Titel des Artikel vom 28. Juli sagt bereits alles: „Das Südtirol will Schweizer Kanton werden“.
Zwei Tage später baut 20 Minuten dann die Südtiroler Schweiz-Gelüste in grafisch und politisch in die Anschluss-Bestrebungen Baden-Württembergs, Bayerns, der Lombardei und Sardiniens ein und präsentiert die neue „Großmacht Schweiz“.

 


In den Tagen und Wochen darauf berichten die Kronenzeitung (Wien), Avenir Suisse (Schweiz), die Neue Züricher Zeitung, die Weltwoche, die Presse (Wien), die deutsche Huffington Post, der ORF und die Zeit (Hamburg) in langen Artikel sowohl online wie in ihren Printausgaben über „den Traum von der Großschweiz“. In all diesen Artikeln werden auch ausführlich die Südtiroler Sezession Bestrebungen angesprochen.

Das Sommerloch


Christian Girardis Satz fällt genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Es ist die perfekte Story mitten im journalistische Sommerloch, die von Dutzenden ausländischen Medien gerne übernommen wird. Im nachrichtenarmen August, wo der Konsument auf leichte Themen steht, ist es ein polit-populistisches Thema, das kampagnenmäßig etwas hergibt.
Es ist ein Satz, der sich schnell verselbstständigt. 20 Minuten macht ein Online-Umfrage. 60.000 Teilnehmern beteiligten sich und angeblich sind 80 Prozent dafür, dass die Schweiz neue Kantone aus dem Ausland aufnimmt. Der Traum von der neuen Großschweiz unter Beteiligung Südtirols beginnt medial aufzublühen.

Wir können als die erste Lektion der Medienrealität zusammenfassen: Welchen Blödsinn du auch immer schreibst, dein Blödsinn geht um die Welt

Es ist ausgerechnet der Wahlsüdtiroler, Girardi-Freund und FF-Herausgeber Kurt W. Zimmermann, der in seiner Kolumne für die Züricher Weltwoche die Diskussion zu entzaubern versucht. „Wie die Schweiz zur Supermacht wurde: Die Geschichte eines sommerlichen Medienfurzes“, schreibt Zimmermann bereits im Vorspann. Im Artikel selbst kommt der FF-Herausgeber dann zu einem klaren Schluss: „Wir können als die erste Lektion der Medienrealität zusammenfassen: Welchen Blödsinn du auch immer schreibst, dein Blödsinn geht um die Welt“.
Diesem Satz ist wohl nichts mehr hinzuzufügen.

 

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Andrea Terrigno Do., 21.08.2014 - 12:53

Har har har, die Schweizer werden gut tun, sich vor der Aufnahme unnützem Ballastes zu hüten! Im Grunde hat Oscar Ferrari mit seinem Partito Per Tutti die Exklusive für den Annexionsvoschlag. Da können die globalen Thinktanker doch besser ein anderes Thema aussuchen. Mahlzeit!

Do., 21.08.2014 - 12:53 Permalink