Kultur | Salto Return

#210817

In Salto Return geht es nicht um Tourismuswerbung. Es geht um Hinausposauner, im Guten wie im Schlechten. Und es geht um Europa, in der Klassik und auf dem Berg.
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Foto: Foto: Salto.bz

Notiz 
Lindberg zuhören! stand bis gestern auf einem kleinen Zettel, der seit Wochen an meinem Kühlschrank klebt und mich immer wieder an einen klassischen Konzertabend erinnerte. Lindberg ist nämlich ein richtig guter Hinausposauner aus Schweden, den ich mir aus nächster Nähe anhören wollte. So betrat ich also am gestrigen Veranstaltungstag voller Freude und in Lackschuhen den Saal des Bozner Stadttheaters, wo das Europäische Jugendorchester bereits auf ihren Solisten wartete, den Posauner.
Zuvor betraten allerdings drei mir nicht unbekannte Männer die Bühne – ein Bürgermeister, ein Landeshauptmann und ein Nobelpreisträger. Sie eröffneten das Konzert mit friedlichen Worten und einem Plädoyer gegen Rassismus, Gewalt und Terrorismus. Ich jubelte innerlich und hatte richtig gute Laune auf Posaune. Äußerlich zeigte ich mich weiterhin bieder. 

Nach wenigen Minuten und Takten Musik kam der Star, posaunte hinaus, mal laut und mal leise, mal fein, mal verzerrt. Doch was posaunte er? Was wollte er mitteilen? Hatte seine Posaune gar eine Botschaft, die vielleicht nur ich verstehen konnte?
Mir war schon klar, dass Hinausposaunen vor allem als Redewendung durchgeht, wenn nämlich etwas Geheimes öffentlich gemacht wird.
Grund genug also, meine Augen zu schließen und den Geist zu öffnen.

Notaufnahme
Schiebel anrufen! stand auf einem weiteren Notizzettel, der an meiner Gießkanne angebracht war. „Der Schiebel“, sagte man mir, „ist ein hervorragender Experte in Sachen nachhaltiger Landwirtschaft, ein Aufdecker. Und eben keiner dieser Lackaffen die nur zur Eigen-Profilierung auf den Plan treten, um Aufmerksamkeitspunkte zu sammeln und aus Selbstliebe Äpfel mit Birnen verwechseln. Kein Dampfplauderer, sondern ein Kampf-Zauberer, das leibhaftige Wunder von Mals.“ Es waren Gründe genug, diesem Herrn nicht zu trauen.
Vor Scham, mit ihm ins Gespräch zu kommen, sprach ich mein Anliegen in den Hörer, ohne die Nummer zu wählen, zur Probe also: „Guten Tag Herr Schiebel. Wenn ich die neue Südtiroler Apfelsorte Tramin anbauen möchte, wieviel Glyphosat benötige ich, damit die blöden Insekten vom Obst, den Bäumen und mir fernbleiben? Sie gehen mir nämlich ganz schön auf die Nerven, die Insekten natürlich, nicht sie...“
Ich spürte wie ich errötete, stellte mir vor, wie ich vor dem Kommunikationsgenie klein beigeben müsste und am Ende reif für die Notaufnahme sein würde.
Spontan entschied ich mich für eine Mail-Nachfrage.

Notfall
Hütte anrufen! Ich entschied also den Schiebel nicht anzurufen, ich würde ihm einfach viele Mails schreiben, damit er das Wunder von Mails hautnah miterleben könne. Und ich würde ihm einen mythischen Südtiroler Ort mitteilen, wo Österreicher mit bayrischen Freunden am besten über Südtirol lästern können: nämlich auf der Landshuter Hütte, auch Europa-Hütte genannt. Diese liegt zu gut einem Drittel auf italienischem Staatsgebiet, der kleine Rest hingegen liegt auf österreichischer Seite und gehört dem bayrischen Ableger des Alpenvereins aus Landshut.
Hier, so sagt man, können selbsternannte Südtirolkenner ihre Geheimnisse und Ungeheimnisse in die Welt hinausposaunen und gleichzeitig vor ihrer eigenen Haustüre kehren.
Zunächst muss ich aber dringend den Hüttenwirt informieren, der hoffentlich sein Telefon abnimmt. Es ist ja ein Notfall.