Gesellschaft | Studenten in Bozen

Ein Heim schafft neue Heimat

Über das Potenzial von Studentenwohnheimen in Bozen, am Beispiel meines neuen Zuhause, dem Haus Sankt Benedikt in Gries.
Haus St. Benedikt
Foto: Maria Detering

Mitten im eleganten Wohnviertel Gries, zehn Minuten von der Altstadt entfernt, liegt das Kloster Muri-Gries. Wenige Meter weiter führt ein Tor zum vom Kloster betriebenen Studentenwohnheim Haus St. Benedikt, das Platz für 70 Studenten bietet. Für jeden ein Einbettzimmer, ein eigenes Badezimmer, eine Etagenküche auf jedem Flur. Doch was das Wohnheim den Studenten bietet, geht weit über die Räumlichkeiten hinaus. Hier gelingt, dass Studenten aus verschiedensten Ländern sich in Südtirol zu Hause fühlen.

Dass es alles andere als einfach ist, als Student in Bozen eine Unterkunft zu finden, ist schon länger kein Geheimnis mehr. Durch den Zulauf an der Freien Universität Bozen und vor allem angesichts ihrer Erweiterung durch neue Fakultäten, hat sich die Lage allerdings weiterhin zugespitzt. So bestätigte Landeshauptmann Arno Kompatscher auf Anfrage des Team Köllensperger, dass es an den drei Standorten der Universität – Bozen, Brixen und Bruneck ­– insgesamt 460 zusätzliche Schlafgelegenheiten brauche, um der Menge von Studenten gerecht zu werden. Denn 14% der rund 4000 Immatrikulierten kommen aus dem Ausland und auch viele italienische Studenten sind zugezogen.

Nicht nur die Mietpreise der Wohnungen in Bozen sind für viele Studierende abschreckend, es wird auch öfters von Vermietern berichtet, die sich grundsätzlich weigern, Studenten aufzunehmen.

Nicht nur die Mietpreise der Wohnungen in Bozen – unter den höchsten von ganz Italien – sind für viele Studierende abschreckend, es wird auch öfters von Vermietern berichtet, die sich grundsätzlich weigern, Studenten aufzunehmen – sei es aus Angst vor zu viel Lärm, vor starker Abnutzung der Wohnung oder aus Unsicherheit wegen begrenzter Wohndauer und dem schnellen Wechseln von Mietern. Die von der Provinz angebotenen Wohnheimplätze (in Bozen sind es momentan 521) sind im nu vergriffen, für diejenigen, die die Bewerbung nicht im Mai zehn Minuten nach Veröffentlichung des Formulars abgeschickt haben, stehen die Chancen schlecht.

Das neue Wohnheim „Elisabethinum“, das voraussichtlich ab nächstem Jahr 84 Studenten aufnehmen soll, ist ein weiterer Schritt in die Richtung eines Studenten-freundlicheren Bozen. Denn wie wertvoll die Wohnheime sein können, habe ich selbst erlebt. Da ich aus Hamburg komme, habe auch ich in Bozen nach einer Unterkunft gesucht und schließlich einen Platz im Wohnheim Haus St. Benedikt bekommen. Dort habe ich alles gefunden, was Bozen für mich so besonders macht: Familiarität, Heimeligkeit, ein Zusammentreffen von Menschen und Sprachen.

 

Das Benedikt ist ein Paradebeispiel, denn hier hat sich die Heimleitung, namentlich Pater Otto Grillmeier, besonders stark dafür engagiert, ein gutes Miteinander zu schaffen. So wird jeden Morgen Frühstück angeboten, einmal im Monat von den Studenten ein Brunch organisiert und die Studenten zu Gemeinde-Festen oder besonderen Aktionen wie einer Weinverkostung der Weine der Kellerei eingeladen.

Die Organisation übernimmt der Heimleiter nicht alleine, sondern gemeinsam mit einem stellvertretenden Leiter und vier weiteren Verantwortlichen, allesamt Studenten. So können Bewohner mitgestalten, ihre Anliegen vorbringen, und auf kleiner Skala lernen, was für ein positives soziales Zusammenleben wichtig ist. Auch wenn das bedeutet, das ein oder andere Mal an fehlender Ordnung und Chaos in den Gemeinschaftsküchen zu verzweifeln, begreift jeder früher oder später, dass man einen respektvollen Umgang miteinander schaffen kann, indem man das, was man sich von anderen erwartet auch nach bestem Können selber gibt.

Ich habe mehrere zugezogene Freunde, einer von ihnen hat vor dem Studium jahrelang in Thailand gelebt, dort seinen Schulabschluss gemacht und viel von der Welt gesehen, jetzt ist er hiergeblieben und arbeitet in einem Südtiroler Unternehmen.

Als besonders positiv habe ich im Haus Sankt Benedikt die Offenheit erlebt. Studentenwohnheime sind meist eher geschlossene Räume, Gäste oft nicht erwünscht. Hier hingegen sind Freunde und Familienmitglieder willkommen. Im Haus finden regelmäßig Aquagym-Kurse und Yoga statt; Musikgruppen, ein Chor und Studenten des Konservatoriums nutzen regelmäßig den Musikraum zum Proben. Ein großes Fußballfeld wird ebenfalls von Studenten und der Nachbarschaft genutzt. Bozner und Studenten treffen aufeinander und lernen sich bei gemeinsamen Aktivitäten kennen.

Auch in anderen Wohnheimen gebe es einen bereichernden Austausch, meinen meine Kommilitonen: durch den Kontakt und die Nähe von italienisch-, deutsch oder anderssprachigen Studenten ist es möglich, innerhalb von ein bis zwei Jahren eine komplett neue Sprache zu lernen. Vor zwei Jahren konnte ich kein Wort italienisch, jetzt wechsele ich mit den meisten Freunden in einem Gespräch mehrmals zwischen italienisch, deutsch und manchmal englisch hin und her. So entsteht eine große Möglichkeit, die Zweisprachigkeit in Südtirol weiterzubringen und sich zu vernetzen.

Das Studentenheim St. Benedikt zeigt, dass Unterbringungen mit ein wenig Engagement von Seiten der Studenten und Hingabe von Seiten der Heimleitung zu einem Ort werden können, an dem sich Studenten von außerhalb begegnen können und durch gemeinsame Aktionen und Einbindung in Gemeinschaften Südtirol kennenlernen. Wo Fremdes und Eigenes zusammentrifft und etwas ganz Neues entsteht. Denn was ich persönlich schon mehrfach erlebt habe, ist, dass gute persönliche Erfahrungen die Studenten in Südtirol bleiben lassen. Ich habe mehrere zugezogene Freunde, einer von ihnen hat vor dem Studium jahrelang in Thailand gelebt, dort seinen Schulabschluss gemacht und viel von der Welt gesehen, jetzt ist er hiergeblieben und arbeitet in einem Südtiroler Unternehmen. Manche, die sich eigentlich sicher waren, nach dem Bachelorstudium wieder zu gehen, leben jetzt schon sechs oder sieben Jahre hier.

 

Problematisch ist, dass die Studierenden der Freien Universität Bozen nach wie vor als Fremdkörper gesehen werden: wie junge Menschen die kommen, drei bis fünf Jahre lang studieren, nebenbei auch noch feiertechnisch auf ihre Kosten kommen wollen und mit Festen das zivile Leben stören, um dann wieder zu verschwinden, ohne viel zu hinterlassen außer vielleicht ein paar Patafix-Resten an der Tapete. Das lässt sich auf dem ausgrenzenden Wohnungsmarkt spüren, aber auch bei den Hindernissen, die studentische Vereine durchlaufen, wenn sie Veranstaltungen auf dem Campus organisieren wollen: sie seien zu laut, nach 22.30 Uhr solle die Nachtruhe nicht gestört werden, auch wenn dann meist die Musik eh schon abgedreht ist.

Problematisch ist, dass die Studierenden der Freien Universität Bozen nach wie vor als Fremdkörper gesehen werden

Wohnheime, die in ihre Nachbarschaft integriert sind, die Möglichkeiten des Zusammenlebens liefern, könnten dieser Haltung entgegenwirken. Dabei geht es mir nicht um teure Unterkünfte mit möglichst vielen Anlagen und einem großen Vergnügungszentrum. Es geht um offene Räume, Begegnungen und eine Möglichkeit, junge Studenten vielleicht auch längerfristig an Südtirol zu binden. Und eine Stadt wie Bozen mit einer noch recht kleinen Anzahl an Studenten hat den Luxus, solche Räume zu schaffen, die über das Standard-Modell der Studentenunterkunft hinausgehen.