Kultur | Salto Afternoon

Free solo in Solothurn

Die Künstlerin Annemarie Laner ist "Artist in residence" in Solothurn (CH). Der berühmte Schriftsteller Peter Bichsel ist daran nicht unbeteiligt. Salto hat nachgefragt.
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Foto: Privat

salto.bz: Ihr Projekt, für welches Sie sich gerade im Schweizer Solothurn aufhalten, nennt sich „kurzundgut“. Was verrät der Titel über das Kunstprojekt?

Annemarie Laner: Der Arbeitstitel „kurzundgut“ bezieht sich auf den Autor Peter Bichsel, dessen Werk vorwiegend aus Kurzgeschichten, Kolumnen und leise-subversiven Erzählungen besteht. Das Projekt versteht sich als Auseinandersetzung und Annäherung mit bildnerischen Mitteln an das Werk des Autors und den Ort Solothurn im Sprektrum seiner Mehrdeutigkeit. Den definitiven Titel zur Projekt-Ausstellung werde ich noch finden.


Warum nähern Sie sich künstlerisch gerade diesem bekannten Schriftsteller?

Bichsel stammt aus dem Kanton Solothurn. In seinen literarischen Miniaturen, seiner prägnanten Erzählform und Sprachmelodie gibt es eine mögliche – oder auch nur vermutete – Nähe zu meiner Arbeitsweise und dem Hang zur „kleinen Form“, die in der Häufung raumgreifende Wirkung zeigen kann. Während der Residency möchte ich diesem Sachverhalt auf die Spur kommen.

Wenn ich auf der Straße zwei Menschen sehe, die sich umarmen, denke ich immer: Die haben dasselbe Buch gelesen.
(Peter Bichsel)

Worte, Sätze, Bücher – Sie beschäftigen sich künstlerisch gerne mit Texten und Publikationen. Woher rührt dieses Interesse?

Mit Büchern/Literatur habe ich mich immer gut begleitet gefühlt. Bichsel hat es einmal so ausgedrückt: „Wenn ich auf der Straße zwei Menschen sehe, die sich umarmen, denke ich immer: Die haben dasselbe Buch gelesen“.
Literarische Bezüge und das Einkreisen einer Thematik über einen längeren Zeitraum hinweg sind Konstanten in meiner Arbeit. Diese Aspekte spiegeln sich in vielen, unter anderem auch bibliophilen Arbeiten.

 

Sie haben vor kurzem in der Remise des Ansitz Neumelans in Sand in Taufers ausgestellt. Der Ort war Ende des 2. Weltkrieges Versteck für berühmte Kunstwerke aus den Uffizien. Hat diese überregionale Geschichte des Ausstellungsortes die Ausstellungsgestaltung beeinflusst?

Ich denke schon. Das Wissen um die Ereignisse hat das Konzept und die Interventionen hintergründig stets begleitet. Man begegnet den Spuren der spektakulären „Kunst-Einlagerung von 1944/45“ in der Remise an mehreren Stellen, etwa in den eingekerbten Initialen und Short Messages der amerikanischen Soldaten, die die Kunstschätze bewachten. Auch die Spuren der baulichen Adaptierungen zur Aufbewahrung sind noch ablesbar.

 

Sie haben in Sand in Taufers neben vielen anderen Arbeiten auch Installationen und Bilder aus der Serie „Ich spür ein Tier“ gezeigt. Werden Sie diese Arbeiten aus Ihrem Schaffen auch in Solothurn zeigen?

Nein, alle Arbeiten für die Ausstellung im Künstlerhaus S11 in Solothurn werden hier entstehen.

 

Was werden Sie dann als "Artist in residence" am Ende in Solothurn präsentieren?

Die Ausstellung wird bereits am 4. Oktober eröffnet, ich bin noch nicht lange hier und habe alles zu erarbeiten. Es wird eine Mischung sein aus der Spiegelung meiner thematisch-inhaltlichen Recherche und Annäherung einerseits und dem assoziativem Zugang andererseits. Im Entstehen sind derzeit Arbeiten auf und mit Papier und installative Werke.

 

Was schätzen Sie an der Schweiz? Was stimmt Sie nachdenklich im Land der Eidgenossen?

Gastfreundlichkeit, Top-Organisation, Effektivität, hohe Lebensqualität. Ich bin hier sehr zuvorkommend und herzlich aufgenommen worden. Die großzügige Atelierwohnung im Alten Spital Solothurn ermöglicht optimales Arbeiten. Der Blick aus dem Atelierfenster auf die Aare ist eine tägliche Freude, Basel und Bern sind nahe. Auffallend die weitläufigen Park- und Grünzonen innerhalb der Stadt, es wird hier sichtlich weniger zugepflastert. Freilich, für Nichtschweizer hat der hohe Lebensstandard eine berüchtigte Schattenseite: das Leben ist unerhört teuer. Dagegen ist der Eintritt ins gut bestückte Kunstmuseum Solothurn erstaunlicherweise frei. Die Schweiz ist und wirkt, besonders aus italienischer Sicht, ausgesprochen tüchtig. Das hat ja meist auch einen „leisen“ Schatten, nicht wahr? In ein paar Monaten kann ich mehr erzählen.