Chronik | Verwaltungsgericht

Spätes Happy End?

Carlo Busato könnte doch noch ans Bozner Verwaltungsgericht wechseln. In den nächsten Wochen startet im Südtiroler Landtag ein neues Auswahlverfahren für einen Richter.
Verwaltungsgericht
Foto: upi
Das Schreiben trudelte Anfang dieser Woche im Landtag ein.
Der amtierende Präsident des Bozner Verwaltungsgerichts Michele Menstrina ersucht darin offiziell um die Einleitung des Verfahrens zur Ernennung eines Verwaltungsrichters oder einer Verwaltungsrichterin, die der italienischen Sprachgruppe angehören.
Der Grund für das Ersuchen heißt Sarre Pirrone. Der gebürtige Brixner Jurist war lange Zeit für die Staatsadvokatur Trient tätig, bevor er Anfang 2016 an das Bozner Verwaltungsgericht wechselt. Pirrone wird Ende Jänner 2023 67 Jahre alt und damit in die Altersrente gehen.
Diese Stelle soll jetzt so schnell wie möglich nachbesetzt werden: Auch weil bereits ein weiterer Posten eines italienisches Richters am Bozner Verwaltungsgericht seit fast einem Jahr unbesetzt ist. Um diese Besetzung spielt sich seit Monaten ein juristischer Eiertanz ab, der mehr an die Republik Schilda erinnert als an einen modernen Rechtsstaat.
Ausgerechnet diese Kontroverse könnte jetzt aber dazu führen, dass es in diesem Konflikt zwischen den Gewalten zu einem späten Happy End kommt.
 

Die Vorgeschichte

 
Die Vorgeschichte ist bekannt. Seit Herbst 2021 ist die Stelle eines italienischen Richters am Bozner Verwaltungsgericht frei. Anfang Jänner 2022 wird die Bewerbungsfrist mit der Entscheidung einer vierköpfigen Fachkommission abgeschlossen. Von den 17 Interessierten werden acht Bewerberinnern und Bewerber zu einer Anhörung geladen und zwei davon von der Auswahlkomission für geeignet befunden: Fabrizio Cavallar, Direktor des Rechtsdienstes für das Territorium in der Landesverwaltung und Carlo Busato, langjähriger Richter am Landesgericht Bozen.
 
 
 
Doch dann taucht ein rechtliches Problem auf. In den gesetzlichen Bestimmungen steht wörtlich: „Eine weitere Voraussetzung für die Ernennung ist ein Alter von mindestens 40 und höchstens 60 Jahren“. Fabrizio Cavallar aber hat mit 24. Jänner 2022 das 60. Lebensjahr erreicht. Damit müsste der Landesbeamte eigentlich aus dem Rennen sein.
Doch Landtagspräsidentin Rita Mattei gibt bei den eigenen Rechtsämtern ein Rechtsgutachten in Auftrag. Das Ergebnis: Fabrizio Cavallar kann ernannt werden, weil er beim letzten Termin zur Einreichung der Gesuche noch nicht 60 Jahre alt war.
Trotz dieser formalen Bedenken wird Cavallar am 7. April vom Landtag zum neuen Verwaltungsrichter gewählt. Vorausgegangen waren drei Wahlgänge der italienischen Abgeordneten, die letztlich mit 5 zu 2 Stimmen für Cavallar gestimmt haben. Dass man einen Landesbeamten einem Berufsrichter mit 40 Jahren Erfahrung vorzieht, dürfte dabei eine Besonderheit des Südtiroler Rechtssystems sein.
 

Ball nach Rom gespielt

 
Schon bald aber folgte die Ernüchterung.
Südtirols Verwaltungsrichter werden zwar vom Landtag gewählt, sie müssen aber - wie alle Richter - vom Staatspräsidenten per Dekret ernannt werden. Dazu bedarf es vorab eines Beschlusses des Ministerratspräsidiums, das die Ernennung durch den Landtag nochmals prüft.
Bei dieser Prüfung hat man die Entscheidung des Landtages annulliert. Der Grund: Die rechtlichen Bedenken gegen die Ernennung Cavallars seien stichhaltig. Weil der Jurist am 7. April 2022 bereits das 60. Lebensjahr überschritten habe, könne er nicht zum Verwaltungsrichter ernannt werden.
 
 
 
 
Damit sollte die Wahl im Landtag wiederholt werden. Mit nur einem Kandidaten: Carlo Busato. Doch dagegen sträuben sich jetzt gleich mehrere Landtagsabgeordnete. Ihr Vorwurf: Die Auswahlkommission hätte durch die strenge Auslese und das Zulassen von nur zwei Kandidaten die Auswahl zu sehr eingeschränkt.
Am Ende ist es Fabrizio Cavallar selbst, der der Landespolitik indirekt aus der Verlegenheit rettet. Der Landesbeamte reicht beim Verwaltungsgericht Latium Rekurs gegen die Entscheidung und den Ausschluss durch das Ministerratspräsidium ein. Das römische Verwaltungsgericht setzt zuerst per Eilverordnung den Ministerratsbeschluss aus und nimmt dann Anfang September den Rekurs des Bozner Landesbeamten an. Die Richter urteilen, dass Altersvoraussetzungen nur am Anfang eines Ausleseverfahrens und nicht zum Zeitpunkt der Nominierung eine Rolle spielen. Die Nominierung sei nur der Abschluss des gesamten Prozesses.
 

Die zweite Chance

 
Weil der Südtiroler Landtag Fabrizio Cavallar bereits nominiert hat, liegt der Ball jetzt wieder beim römischen Ministerrat. Dieser kann das Urteil des Verwaltungsgerichtes annehmen und den Landesbeamten zum Verwaltungsrichter machen oder beim Staatsrat gegen das Urteil rekurrieren.
 
 
 
Nach Informationen von Salto.bz ist diese Entscheidung noch nicht gefallen.
Inzwischen aber wird bereits ein neues Auswahlverfahren im Südtiroler Landtag starten. Dabei könnte für Carlo Busato ausgerechnet der römische Richterspruch, der ihm das Amt gekostet hat, jetzt zum Rettungsanker werden.
Carlo Busato wird am 15. Dezember 60 Jahre alt. Es ist absehbar, dass zu diesem Zeitpunkt das Auswahlverfahren für den Richterposten im Landtag bereits eröffnet ist. Reicht der Bozner Richter vor Mitte Dezember sein Gesuch ein, kann er - nach dem Präzedenzfall Cavallar - auch ernannt werden.
Es wird zwar eine neue vierköpfige Auswahlkommission eingesetzt werden, doch diese dürfte dem Richter am Bozner Landesgericht wohl kaum die Eignung absprechen können. Zudem werden sich die italienischen Landtagsabgeordneten nach dieser bewegten Vorgeschichte schwertun, einem anderen Kandidaten oder einer anderen Kandidatin den Vorzug zu geben.
Außer es gibt noch eine Überraschung.