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Türen zu

Wie viel Effekt bringt es tatsächlich, offene Türen in Geschäften und Bars zu verbieten? Nicht nur die Kaufleute haben ihre Zweifel.
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Foto: upi

Offene Türen – ein symbolträchtiger Begriff, mehr denn je in der heutigen Zeit. Doch wie sich zum Wochenauftakt im Bozner Stadtrat zeigte, steht er nicht nur für  Gastfreundschaft, Herzlichkeit oder Zustimmung. Wenn Türen von Geschäften oder Lokalen offen bleiben, geht zu viel Energie verloren, ist zumindest die Stadtregierung von Bozen überzeugt. Ganz im Sinne des CO2-Plans will man deshalb nun in der Landeshauptstadt versuchen, der Geschäftspolitik der offenen Tür einen Riegel vorzuschieben. Auf sanfte Art versucht wurde dies bereits mit einer entsprechenden Verordnung aus dem Jahr 2013. Doch da die Testphase offenbar zu wenig Wirkung gezeigt hat, soll der Bewusstseinsarbeit nun mit Sanktionen zu mehr Wirkung verholfen werden. Bis zu 500 Euro sollen Geschäfte und Gastlokale zahlen, die Wärme im Winter oder von Klimaanlagen erzeugte kühle Luft im Sommer durch einen ständig offenen Eingangsbereich verschwenden. Keine Ausnahme davon gemacht werden soll auch dort, wo mit sogenannten  Türluftschleiern versucht wird, das Hereinströmen von kalter Luft mit der Zuleitung von warmer Luft im Eingangsbereich einzuschränken.

Ein Ansinnen, das noch vom Gemeinderat gutheißen werden muss – und ganz in der Tradition der von Großbritannien ausgehenden Initiative „Close the door“ steht, die auch von mehreren anderen italienischen Gemeinden übernommen wurde. Bis zur Hälfte des Energieverbrauchs kann eingespart werden, wenn der Eingangsbereich von Läden geschlossen bleibt, wird von den Close-The-door-Initiatoren auf Basis einer Studie der Cambridge University argumentiert. 300 Milliarden Pfund an zusätzlichen Energiespesen würde dagegen allein den Handel in Großbritannien die vor allem unter großen Ketten weit verbreitete Praxis kosten, Kunden durch ständig geöffnete Türen in den eigenen Laden locken zu wollen. Ganz zu schweigen von den zusätzlichen CO2-Emissionen und den entsprechenden Auswirkungen auf das Klima.

"Fairerweise muss man auch miteinrechnen, wie viel Energie ein Elektromotor braucht, der dafür sorgt, dass Türen ständig auf und zu gehen."

Wie sehr die Bozner Kaufleute und Gastwirte dagegen opponieren, wird sich erst in den kommenden Wochen zeigen. Beim Kaufleuteverband hds war am Tag nach dem Beschluss des Bozner Stadtrats noch keine offizielle Position abgesprochen. Doch bereits mit der freiwilligen Empfehlung war  man in den vergangenen Jahren keineswegs glücklich, meint der Bozner hds-Vertreter Peter Perez. Tatsächlich arbeite ohnehin nur eine Minderheit von Betrieben mit ständig geöffneten Türen. Bei einer Umfrage vor drei Jahren seien es gerade einmal rund 6 % der Geschäfte in der Landeshauptstadt gewesen. Auch dieser Gruppe sollte man eine Marketingstrategie wie offene Türen nicht kategorisch verschließen, findet Perez. Noch weit problematischer könnten Sanktionen bei offenen Türen von Gastbetrieben wirken, vor allem wenn diese einen Gastgarten haben und sich das Personal mit vollen Tabletts zwischen Lokal und Garten bewegen müsse. „Insgesamt ist diese Maßnahme in jedem Fall eine weitere Belastung für Betriebe, die ohnehin jedes Monat mir einer neuen Vorschrift oder weiteren bürokratischen Auflage konfrontiert werden“, führt der hds-Funktionär ins Spiel.

Ganz so überzeugt von den Bestrebungen der Gemeinde wirkt nicht einmal der Direktor der KlimaHaus Agentur Ulrich Santa. „Natürlich ist eine Sensibilisierung immer wichtig“, räumt er ein. Dennoch sei die Close-the-Door-Aktion eine Einzelmaßnahme, die je nach Energieeffizienz des gesamten Geschäftes oder Gastbetriebes auch nur eine minimale Wirkung zeigen könne. „In einem Supermarkt ist das Optimierungspotential bei Kühlregalen  beispielsweise unweit größer als das einer geschlossenen Tür“, meint er.  „Und fairerweise muss man auch miteinrechnen, wie viel Energie ein Elektromotor braucht, der dafür sorgt, dass Türen ständig auf und zu gehen“, meint Santa. Mehr als an Strafen für offene Türen glaubt man bei der KlimaHaus Agentur deshalb an eine umfassende Erfassung und Hinterfragung des Energieverbrauchs in Betrieben, wie sie im Rahmen von Energieaudits vorgenommen wird. Die sind laut einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 2012 nur für Großbetriebe und besonders energieintensive Betriebe verpflichtend vorgesehen. Kleine und mittlere Unternehmen würden die dafür notwendigen Investitionen dagegen noch oft noch scheuen, meint Santa.

KlimaFactory 

Dem soll ab dem kommenden Jahr mit einem speziell auf das Gewerbe und den Handel abgestimmtem Programm entgegengetreten werden, kündigt der Direktor an. KlimaFactory heißt das neue Klimalabel, das mit entsprechenden Förderungen des Landes kombiniert werden soll, um immer mehr Betriebe ihr Energieeinsparungs- und Klimaschutzpotential ausschöpfen zu lassen. Bis zu 25 % kann laut dem Direktor der KlimaHaus Agentur beispielsweise in der Lüftungstechnik eingespart werden. Bei Pumpen und Antrieben schlummere ein Sparpotential von bis zu 30 % und durch den optimalen Einsatz von Tageslicht, energieeffizienten Leuchtmitteln sowie Bewegungsmeldern und Zeitschaltern könne der Energieverbrauch gar um bis zu 70% gesenkt werden. Um solche Spielräume zu verdeutlichen, will die KlimaHaus Agentur im Rahmen des Programms auch nach Branchen erstellte Benchmarks zum Energieverbrauch von Unternehmen zugänglich machen.

Vielleicht ergibt sich daraus auch ein interessanter Vergleichswert, wie viel Energie tatsächlich mit einer geschlossenen Tür gespart werden kann. Vorerst muss aber der Bozner Gemeinderat darüber entscheiden, ob man tatsächlich alle jene strafen soll, die dieses Potential nicht ausschöpfen. 

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Stefan Troyer Mi., 21.12.2016 - 13:11

Ich hoffe, dass der Direktor der KlimaHaus Agentur hier falsch zitiert wurde, anders kann ich mir den Vergleich zwischen dem Energieverbrauch des elektrischen Türaktuators und dem Wärmeverlust durch die offene Tür nicht erklären.

Wenn man den Wärmeaustausch sehr konservativ mit 100 W pro m² Türfläche und pro Grad Temperaturunterschied annimmt, dann liegt der Energiebedarf selbst des stärksten, pausenlos arbeitenden Türantriebs ab Temperaturunterschieden von 2-3 Grad zwischen innen und außen um Größenordnungen unter dem Wärmeverlust durch die offene Tür.

Auch wenn Herr Santa die vielen Einsparpotentiale nennt, vergleicht er Äpfel mit Birnen, denn es ist immer der absolute Verbrauch entscheidend. Was nützt es, 90% von 1 kWh einzusparen und über eine riesige Einsparung zu jubilieren, wenn ich mit 10% Einsparpotential auf 10 kWh zwar prozentuell "schlecht dastehe", aber insgesamt mehr eingespart habe?

Mi., 21.12.2016 - 13:11 Permalink