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Eine Lega kommt selten allein

Die Krise zwischen SVP und Lega bietet Anlass, die Protagonisten zu beleuchten. Über Gräben, das Ringen unterm Schattenmann – und das Angebot der Grünen.
Geranien
Foto: Südirolfoto/Udo Bernhart

War es nur eine Frage der Zeit? Steckt Taktik dahinter? Oder ist das Ganze tatsächlich “nur ein Zufall”, wie sich Massimo Bessone sicher ist?
Eines hat der jüngste Eklat zwischen Rom und Bozen jedenfalls offenbart: Der Sand, mit dem die vielen politischen Gräben bisher versucht wurden, zuzuschütten, um SVP und Lega den Weg hin zur nächsten Landesregierung zu ebnen, hat nicht gereicht. Und: In Südtirol mischt mehr als eine Lega mit.

 

SVP ringt

Als salto.bz den Südtiroler Lega-Chef Massimo Bessone am Mittwoch Abend am Telefon erreicht, ist eine knappe halbe Stunde vergangen. Um 18.09 Uhr empört sich Arno Kompatscher mittels Aussendung über einen “schwerwiegenden Angriff auf die Südtirol-Autonomie”, über den er Österreich informiert habe.

As Berichterstatter des Gesetzentwurfes, mit dem die Senatssitze für Südtirol von 3 auf 2 reduziert werden sollen – ohne Absprache mit Österreich –, tritt ausgerechnet Roberto Calderoli auf. Jener Lega-Mann, der die Regierungsverhandlungen mit der SVP in Südtirol begleitet. Jener Mann, der von vielen in der SVP als “großer Freund Südtirols” geschätzt wird. Dieser Mann schmettert den Antrag auf Beibehaltung der drei Senatswahlkreise in Südtirol ab, den der PD-Senator Gianclaudio Bressa gemeinsam mit den drei SVP-Senatoren vorgelegt hat.

Noch am Mittwoch Abend lässt der Landeshauptmann verlauten: Die Verhandlungen mit der Lega in Bozen sind bis auf weiteres auf Eis gelegt. Arno Kompatscher sieht “eine rote Linie überschritten”. Seine parteiinternen Flügelspieler springen dem Landeshauptmann bei: Eine “explosive Aktion” (Ex-Senator Karl Zeller) sei das, was die Lega in Rom voranbringen wolle, ein “nicht akzeptabler Präzedenzfall” (SVP-Senatorin Julia Unterberger). “So läuft es mit der SVP nicht”, poltert Zeller.

Der Landeshauptmann will Stärke demonstrieren. Zurecht, meint die Opposition. In der eigenen Partei sorgt Kompatscher zum Teil für Entsetzen. Er hat überreagiert, finden manche aus dem ihm weniger gewogenen Lager.
Zur gleichen Zeit als der Landeshauptmann in Bozen die Verhandlungen für ausgesetzt erklärt, dementiert der Parteiobmann von Rom aus. Es bestehe zwar “unmittelbarer Klärungsbedarf”, sagt Philipp Achammer. Der nächste Verhandlungstermin mit der Lega-Delegation am Samstag (22. Dezember) aber bleibe im Terminkalender. Am Ende wird Kompatscher sagen: “Absage hat es von meiner Seite keine gegeben. Aber ich fordere eine Klarstellung.”

Mit der Reaktion auf das Muskelspiel von Roberto Calderoli sendet Arno Kompatscher auch ein Signal in die eigene Partei hinein. Parteiintern hatte er keine Mehrheit, um ein Bündnis mit der Lega zu verhindern. Jetzt lässt er anklingen: (Den)Noch halte ich die Zügel in der Hand.

 

Calderoli überall

Und was macht die Lega derweil? “Nessuna novità”, verkündet Massimo Bessone am Dienstag Abend. salto.bz wollte vom Lega-Kommissär Auskunft zum Stand der Verhandlungen über das Regierungsabkommen erfragen, die seit Anfang der Woche via Mail zwischen SVP und Lega laufen. Alle Dokumente leitet die Lega direkt an Roberto Calderoli weiter. “Wir sind dabei, uns die Texte auszutauschen und ich habe auch schon einiges an Feedback von Calderoli bekommen. Am Samstag wird alles weitere besprochen.” Bevor ihn salto.bz auf die sich anbahnende Krise ansprechen kann, bricht die Handyverbindung ab. Bessone bleibt vorerst nicht erreichbar.

Längst hat sich herauskristallisiert: Als (wahrscheinlicher) Landesrat in spe will Massimo Bessone mit der Lega in Rom und deren Politik nur am Rande in Verbindung gebracht werden. Ihm wäre lieber, die Verhandlungen so reibungslos wie möglich zu einem erfolgreichen Ende führen zu können. “Für römische Agenden bin ich nicht zuständig”, betont er immer wieder. Dabei sitzt ihm Rom im Nacken. In der Figur des Schattenmannes Roberto Calderoli, in der sich all die Zwiespälte der Lega verdichten, die die SVP versucht hat, klein zu halten.

Dadurch entpuppt sich die Vorstellung eines “rein territorialen Abkommens”, das die SVP bereit war, mit der Lega für Südtirol zu unterzeichnen, immer deutlicher als Chimäre.

 

Viele Seelen

Massimo Bessone steht Matteo Salvini nahe. Der Lega-Chef aber hat Roberto Calderoli mit der Südtirol-Frage betraut. Gegen den Willen des hiesigen Lega-Chefs hat Calderoli mit Filippo Maturi einen parteiinternen Kontrahenten von Bessone an den Bozner Verhandlungstisch gesetzt. Bessone wollte den Bozner Gemeinderat Luigi Nevola. Maturi hält nun Calderolis Finger auf die Tischplatte – und macht beim Gegenüber einen gelinde gesagt miserablen Eindruck. “Ignorant”, jemand, “der das Territorium nicht kennt”, nur geschickt, “um zu stören” – so fällt das Fazit über Maturis Auftritte in den Edelweiß-Reihen bislang aus. Mit seiner vereinnahmenden Art kommt der Kammerabgeordnete dem im Auftreten gemäßigteren Wesen von Bessone zusätzlich in die Quere.

Doch auch die vierköpfige Landtagsfraktion der Lega steht auf wackligen Beinen. Mit Rita Mattei hat Bessone eine loyale Vertrauensfrau an seiner Seite. “Absolut auf Parteilinie” sei die ehemalige Meraner Gemeinderätin, bestätigt ein politischer Wegbegleiter. Der Leiferer Giuliano Vettorato gehört zum Maturi-Lager. Der Bozner Carlo Vettori, der mit Maturi nicht kann, hat sich letzthin der Bessone-Gruppe angenähert.

Kurz nach dem Einzug in den Landtag brechen die parteiinternen Fehden neu auf. Gut informierte Kreise berichten, dass nach einem heftigen Streit sogar die Gründung von zwei getrennten Fraktionen im Raum stand. Und nun gebe es Bemühungen, Bessone als Landesrat abzuschießen und Rita Mattei und Giuliano Vettorato in die Landesregierung zu hieven. “Das wird aber nur schwer gelingen, immerhin ist Bessone der meist Gewählte auf der Liste und war immer für die Partei da. Selbst als es für die Lega nicht so gut lief, ist er immer gerade gestanden”, weiß auch einer in der SVP. “Jetzt, wo es die Lega nach ganz oben schaffen könnte, wollen plötzlich alle mitmischen.”

Einzig Vettori hat bislang angekündigt, kein Interesse an einem Posten in der Landesregierung zu haben. Er begnügt sich mit der Rolle als Fraktionssprecher. Bessone und Mattei können zwar miteinander, der Streit mit dem Vettorato-Lager aber wäre vorprogrammiert. Bessone und Vettorato würden wiederum ihren Zwiest mit in die Landesregierung tragen. Mattei und Vettorato – dagegen spricht schon allein das Wahlergebnis.

 

Kein Interesse an Dreier

Arno Kompatscher weiß um die Lagerbildung innerhalb seines künftigen Regierungspartners. “Ich hoffe, dass die Spaltung nicht allzu groß ist. Dann hätten wir auch gleich eine Dreier-Koalition eingehen können…”, so der Landeshauptmann Anfang der Woche im Alto Adige. Und auch Bessone warnt seine Leute: “Ich bin der commissario und der meist Gewählte, sollte jemand versuchen, Steine in den Weg zu legen, wird er die Verantwortung dafür übernehmen müssen.”

Ob die Aussage auch an Roberto Calderoli gerichtet ist? Der hat Massimo Bessone nicht nur mit Filippo Maturi keinen Gefallen getan. Sondern ebensowenig damit, eine diplomatische Krise zwischen Rom und Wien in Kauf zu nehmen. Die österreichische Bunderegierung zeigt sich “besorgt” über die angedachte Reduzierung der Senatswahlkreise für Südtirol. Arno Kompatscher verlangt vom Calderoli höchstpersönlich eine Erklärung bzw. ein Zurückrudern. Erst dann werden die Verhandlungen wieder aufgenommen. So die Ansage des Landeshauptmannes. “Ich werde mit Calderoli sprechen”, kündigt Bessone am Donnerstag an.

Parallel zu den lauten Tönen laufen in der SVP hinter den Kulissen Bemühungen, den Streit zu lösen.

 

Stille Zeit

In Rom schlägt die Stunde von Meinhard Durnwalder. Der SVP-Senator pflegt gute Kontakte zur Lega und soll auf Calderoli einwirken. Für salto.bz war Durnwalder am Donnerstag nicht zu erreichen. Ob sich Calderoli vom Druck aus Bozen beeindrucken lassen wird, sei dahingestellt.

In der Landeshauptstadt wartet man indes vergeblich auf ein Lebenszeichen von Calderoli. Weder bei Arno Kompatscher noch bei Massimo Bessone habe er sich gemeldet, bestätigen die zwei am Donnerstag Nachmittag. Miteinander haben die beiden gesprochen. “Ich habe ihnen erklärt, dass ich für das Land arbeite. Das, was in Rom passiert, ist nicht meine Sache”, sagt Bessone zu RAI Alto Adige. Was er meint: Es hängt von Roberto Calderoli ab, ob die Verhandlungen weitergehen.

Bezeichnend, wie kurz die Leine zu sein scheint, an der Senator die Südtiroler Leghisti zu halten versucht. Das Signal, das der Lega-Senator gen Norden sendet, ist dasselbe, das Kompatscher nach Süden schickt: An mir gibt es kein Vorbeikommen.

 

Grüne Hand

Massimo Bessone will regieren – und muss jetzt zusehen, wie sich jene bestätigt fühlen, die der Lega Autonomiefreundlichkeit abgesprochen haben. “Ich verstehe, dass das für die SVP eine bittere Pille ist und ich warte, bis das Ganze geklärt ist.” Dann fügt Bessone einen Satz hinzu, den er seit dem 21. Oktober wie ein Mantra vor sich herträgt: “Lavoriamo per il bene della nostra terra.”

Zum Wohle des Landes will auch Riccardo Dello Sbarba arbeiten. Für ihn kann das nur eines bedeuten: “SVP-Lega um jeden Preis verhindern.” Eine solche Allianz sei für Südtirol “il male assoluto”. Dabei ist der Grüne Landtagsabgeordnete für die (meisten in der) SVP selbst das größte Übel. Das weiß er allerspätestens seitdem sich der Parteiausschuss am 26. November gegen die Aufnahme von Regierungsverhandlungen mit Grünen und PD ausgesprochen hat. Dennoch: Falls die Verhandlungen zwischen SVP und Lega scheitern würden, “wären wir zu jedem Moment bereit, zum Verhandlungstisch zurückzukehren”, streckt Dello Sbarba die Hand jenen aus, die sich in der SVP zu fragen beginnen, ob der Weg mit der Lega wirklich der richtige ist. 

“Ohne Groll” würde er sich wieder mit der SVP hinsetzen, beteuert Dello Sbarba. “Doch ich weiß nicht, in welcher Phase wir uns befinden: Ist das ein taktisches Hin und Her oder stehen wir tatsächlich kurz vor dem Zerwürfnis?”

 

So schnell kein Wechsel

Die Verhandlungen via Mail weiterbringen. Am Samstag nur mehr die strittigen Punkte angehen, erstmals die Verteilung der Kompetenzen und die Besetzung der Assesorate auf den Tisch bringen. Und spätestens beim Neujahrsempfang der SVP am 5. Jänner in Meran über den fertigen Regierungsvertrag mit der Lega abstimmen lassen. Das war der ursprüngliche Plan.

Jetzt muss aber erstmal der römische Pferdefuß abgetrennt werden. “Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit bereinigt wird”, sagt Arno Kompatscher im salto.bz-Interview. Parteiobmann Achammer zerschlägt indes eine Hoffnung, die sich die Grünen vielleicht gar nicht ernsthaft gemacht haben: “Wir sind keine Partei, die bei der erstbesten Gelegenheit wechselt.” Dieselbe Tonlage wie der Landeshauptmann trifft Achammer allerdings nicht. Er drängt, will “endlich zu einem Ergebnis” kommen. Während Kompatscher betont in Ich-Form spricht: Sollte Calderoli nicht zurückrudern, “haben wir tatsächlich ein veritables Problem. Denn es handelt sich für mich um eine grundsätzliche Frage”.

Natürlich wird die SVP das Schicksal der künftigen Regierung in Südtirol nicht von der Laune eines 62-jährigen Bergamasken abhängen lassen. Man sei bei der Regierungsvereinbarung schon an einem guten Punkt, versichern beiden Seiten. Nun, auch dort wird Calderoli noch ein Wort mitzureden haben.
“Die Menschen zuerst” hat die SVP ein Kapitel im Vertragsentwurf betitelt. “Prima le persone”, heißt es auf italienisch. In bestem Lega-Jargon, der keinen Sinn ergibt, aber das Ringen um eine Zusammenschau beweist.

“Der Hauptverhandler der Lega in Bozen zerschlägt in einem delikaten Moment viel Porzellan”, sagt SVP-Senatorin Julia Unterberger über Roberto Calderoli. Trotzdem und auch deshalb liegt über der neuen Landesregierung bereits heute (s)ein Schatten – wie auch immer sie am Ende aussehen wird.

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Christian Mair Sa., 22.12.2018 - 14:01

Die verlorene absolute Mehrheit wirkt sich bereits jetzt auf den Hegemon SVP aus. Es ist nicht zu übersehen, dass die Macht schwindet und der Streit innerhalb einer zukünftigen Koalition auch die Partei selbst spaltet.

Wie einbetoniert in die Machtverhältnisse, kann aber die Opposition zurzeit noch kein KApital aus dieser Schwäche schlagen. Farblos ist diesbezüglich vor allem das Team Köllensperger.
Was macht Kompatscher jetzt? Treibt er die Lobbyallianz weiter oder wagt er den Schritt zu einer werteorientierten Koalition?
Statt dem Märchen Koalition mit "Mehrheit der italienischen Wähler" ist jetzt der Zeitpunkt für "Autonomiepatriotismus" als Bollwerk gegen nationalistische Instabilität.
Guten Morgen!

Sa., 22.12.2018 - 14:01 Permalink