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The Aftermath - Niemandsland

Der Krieg ist zu Ende – Hurra! Doch was geschieht mit jenen, die als Überlebende eines totalitären Systems ein Leben lang gebrandmarkt sind?
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Foto: 20th Century Fox

Das Jahr ist 1946, der Ort Hamburg. Rachael (Keira Knightley) und ihr Mann Lewis (Jason Clarke) ziehen als Teil der alliierten Sieger des Zweiten Weltkriegs in ein prachtvolles Haus inmitten der von Schlachten gezeichneten Stadt. Die Briten haben alle Hände voll damit zu tun, die ideologischen Überreste der Nazi-Herrschaft zu beseitigen, ebenso wie die Trümmer der zerstörten Gebäude, die die Straßen säumen. Das Haus, in dem Rachael und Lewis einziehen, ist die Heimat eines Deutschen namens Stefan (Alexander Skarsgard), der dort mit seiner Tochter lebt. Das britische Paar beschließt, von einer Beschlagnahmung des Gebäudes und der Verhaftung seiner Bewohner abzusehen und stattdessen gemeinsam mit ihnen unter einem Dach zu wohnen. Besonders Rachael plagen erst Vorbehalte gegen den Deutschen Stefan, der sein Bestes gibt, seine wahren Gedanken vor ihr zu verbergen. Rachael reagiert vor allem auf jegliche Bezüge zu nationalsozialistischen Gedankengut allergisch, was dazu führt, dass sie die Störenfriede recht bald aus den „eigenen“ vier Wänden verbannen möchte. Schnell schon ändert sich die Lage jedoch, denn in Rachael keimen erotische Gefühle für den vermeintlichen Nazi Stefan. So findet sie sich inmitten eines imaginären Krieges zweier völlig unterschiedlicher Weltansichten wieder. Verwirrt und verstört, hin und hergerissen taumelt sie durch die prachtvollen Räume ihres neuen Zuhauses – während weiter draußen auf den Straßen die Reste eines viel größeren, bereits geschlagenen Konflikts beseitigt werden.

Regisseur James Kent, der bisher vor allem Fernsehfilme verantwortete, hat diesen Film vermutlich blind inszeniert. Mit großer Sicherheit dirigiert er seine Figuren durch eine Geschichte, die sich zwar an der einen oder anderen Stelle Mühe gibt, mit Überraschungen aufzuwarten, die jedoch derart vorhersehbar sind, dass sie kaum jemanden vom Hocker respektive dem Kinosessel reißen wird. Keira Knightley in der Hauptrolle steht Pate für das konservative Herz dieses Films. Hier ist alles wie man es kennt. Die Hauptdarstellerin dürfte mittlerweile Mühe haben, all ihre historischen Figuren auseinanderzuhalten und den Bezug zur Gegenwart zu finden. Knightley tanzte in ihrer Karriere durch so viele Historienfilme wie kaum eine andere Darstellerin ihres Alters. Die Routine sieht man ihr an – sie fühlt sich in ihrer Rolle sichtlich wohl, zu wohl möchte man beinahe sagen. Denn ebenso wie die Geschichte wirkt Knightley gelangweilt, ähnlich wie ihr Filmpartner Jason Clarke, der mit gequälter Miene über die grauen Trümmer Hamburg stapft und sich fragt, was er hier eigentlich soll. Die Kamera macht in „The Aftermath“ gerade einen Abstecher von anderen Genre-Vertretern, sie ist da, doch fällt nicht auf, ja gibt sich nicht einmal Mühe, eine interessante Abwandlung des Szenarios und der Zeit zu zeigen. Grau in Grau, Braun in Braun, ab und an ein Farbtupfer, doch bitte nicht zu oft, wird sind schließlich im Weltkrieg, bzw. in der Nachkriegszeit. DA WAR DIE WELT NICHT BUNT! „The Aftermath“ versinkt in derart vielen Klischees und Konventionen, dass der Film beinahe zur Parodie verkommt. Das um Überraschung bemühte Ende setzt dem Ganzen die Krone auf. Während man kurz hofft, dass sich die Geschichte, die auf einem Roman von Rhidian Brook basiert, auf den letzten Metern doch noch etwas traut, grinst der Film den Zuschauer unangenehm selbstbewusst an und flüstert heiser: „Falsch gedacht!“

THE AFTERMATH | Official Trailer | FOX Searchlight, von Fox Searchlight

Was will man weiteres über einen solchen Film sagen? Wer sich einmal im Jahr zufällig ins Kino verirrt, wird hier vielleicht den einen oder anderen spannenden Moment erleben, doch alle anderen sollten nur wohl ausgeruht und ohne dringenden Drang nach Schlaf die Herausforderung annehmen, knappe zwei Stunden durchzustehen. Der Film ist nicht zwingend schlecht, doch ein Paradebeispiel, das zeigt, dass das Kino neue Konventionen braucht. Die alten wollen abgeholt und in der Erde verscharrt werden. Auf dass sie nie wieder das Licht der Welt erblicken. Ja, nicht jeder Film muss revolutionär und visionär, anders sein, doch die Ausrede, ein Kino für Jedermann zu machen, und sich deshalb auf etablierte Schlaftabletten zu fokussieren, zieht im Jahr 2019 nicht mehr. So macht der Film seinem Titel alle Ehre. Es ist kein blühendes Feld voller Tulpen, sondern das graue, zerschossene Niemandsland. Nicht Fisch, nicht Fleisch, sondern zwischen den Fronten.