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Die Spionage-Pleite

Der deutsche Geheimdienst spionierte im Kalten Krieg auch Verbündete aus. In Italien hat man sich dabei “ordentlich blamiert”.
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Foto: upi

Spionage war in Zeiten des Kalten Krieges an der Tagesordnung. Nichts Außergewöhnliches war es dabei, dass sich nicht nur verfeindete Regierungen ausspionierten. Auch unter Freunden war das gegenseitige Abhören und Aushorchen gang und gäbe. Nach dem Motto: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. So war etwa der Nachrichtendienst der Bundesrepublik Deutschland BND äußerst aktiv in den USA, Frankreich – und Italien, wo er sich “ordentlich blamiert” hat, wie der SPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe schreibt. Einem Expertenteam, dem auch der Historiker und salto-Journalist Christoph Franceschini angehört, ist es zu verdanken, dass “die größte Pleite des BND in Italien während des Kalten Krieges” aufgedeckt wurde. In akribischer Recherchearbeit in italienischen und deutschen Archiven arbeiten Franceschini, Thomas Wegener Friis und Erich Schmidt-Eenboom die Spionagetätigkeiten der deutschen Geheimdienstler im Westen auf. Und sind dabei auf den österreichischen Dolmetscher Adolf Lensky und seine Rolle als Doppelagent gestoßen.

Unter dem Deckmantel des eigens gegründeten “Archiv für Studien zur angewandten Physik und meereskundlichen Forschungen” spionierten deutsche Nachrichtendienstler – zumeist “abenteuerliche Figuren: abgehalfterte Adlige, ehemalige Agenten von SS oder Wehrmacht, Kirchenleute”, so der SPIEGEL – von Rom aus den italienischen Verbündeten aus. 1970 angeworben, war der Österreicher Lensky bis 1979 für den BND tätig. Was die Deutschen nicht wussten: der “vehemente Nazigegner” Lensky stand bereits  in den Diensten des italienischen Geheimdienstes SID. Aus diesem Grund waren die italienischen Nachrichtendienstler laufend bestens über die Interessen, die der BND an Italien hatte, informiert. “Welches Farbfernsehsystem wird in Italien eingeführt?”, war dabei nur eine der Fragen, über die der BND von seinen Spionen aufgeklärt werden wollte. Blamabel, kommentiert der SPIEGEL die Operation “Greta”, wie der Deckname für Lenskys Tätigkeiten im Dienste des BND lautete.

Ein großer politischer Skandal sei dem BND indes erspart geblieben – bis jetzt –, schreibt der SPIEGEL. Und zwar im Zusammenhang mit Südtirol, wo seit 1957 “fanatische Südtiroler […] die Loslösung der Provinz Bozen von Italien gefordert und Anschläge auf Strommasten, Polizisten und Soldaten verübt [hatten]”. Der Verdacht der Italiener, dass die Bundesrepublik mit den Gewalttätern sympathisierte, konnte nie bestätigt werden. Doch wie die jüngsten Recherchen der Geheimdienstexperten, die übrigens im kommende Woche erschienenden Buch “Spionage unter Freunden” festgehalten sind, zeigen, war einer der Attentäter, die am 9. September 1961 einen Molotowcocktail am Bahnhof in Rom explodieren ließen, ein Informant des BND. Der SPIEGEL dazu: “Wochenlang rechnete der BND damit, dass der Mann (ein rechtsradikaler Student, Anm. d. Red.) plaudern würde und es deshalb zum Eklat käme. Doch er schwieg, die Verbindung zum BND blieb geheim. Bis jetzt.”

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Hartmuth Staffler So., 23.04.2017 - 00:20

Wenn die angeblich so große Pleite und Blamage des BND darin bestanden haben soll, dass er (neben anderen) für Italien auch einen Doppelagenten engagiert hat, dann kann man über diese Enthüllung nur milde lächeln. Doppelagenten sind in diesem Milieu, wo per definitionem keine Transparenz herrscht (sonst wären es ja nicht Geheimdienste) gang und gäbe. In Südtirol haben unzählige Doppel- und Dreifachagenten ihr Unwesen getrieben bzw. gut an der Situation verdient, die sie auch selbst am Dampfen gehalten haben. Nicht nur die BRD, auch andere "befreundete" Staaten haben in der heißen Südtirol-Phase hier herumgeschnüffelt bzw. sich, wie z. B. ein nicht besonders geheim gebliebener französischer Geheimdienstler, ein angenehmes Leben gemacht und Fantasieberichte mach Hause geschickt. Aber Spionagegeschichten, vor allem unter Freunden, sind heute wieder aktuell, und wer sucht, der findet immer wieder eine schlagzeilenträchtige Kuriosität.

So., 23.04.2017 - 00:20 Permalink