Chronik | Rassismus

„Wir versuchen Missionare zu sein“

Der Eppaner Bürgermeister Wilfried Trettl über den Anschlag gegen die Flüchtlingsunterkunft, die Stimmung in seiner Gemeinde und was er gehört hat.
Salto.bz: Herr Bürgermeister Trettl, wie bewerten Sie den Knallkörper, der gegen 12.30 Uhr in der in der Nacht von Samstag auf Sonntag, über die Mauer der Mercanti-Kaserne in die Flüchtlingsunterkunft geschleudert wurde. Ein Anschlag mit rassistischem Hintergrund oder ein blöder Lausbubenstreich?
 
Wilfried Trettl: Ich würde sagen, beides könnte zutreffen. Wobei ich nicht von einem Anschlag reden möchte. Denn dadurch macht man das Spiel der Täter. Sie wollen mit dieser Aktion Medienaufmerksamkeit erregen. Ich glaube, je mehr die Medien das auf pushen, desto schwieriger wird das Ganze.
 
Man kann aber auch nicht die Augen verschließen?
 
Nein, das soll man auf keinem Fall. Man muss Solidarität mit den Flüchtlingen zeigen. Die Menschen arbeiten und besuchen Kurse. Es gibt keine Probleme. Die Menschen wollen hier in Eppan in Frieden leben und das tun sie auch.
 
Bisher, jetzt aber dürften Sie Angst haben?
 

Sie haben eher jetzt Angst vor dem ganzen Medienauflauf. Denn sie haben das nicht als direkten Anschlag auf sich bewertet. Sie haben den Knall gehört und dann den Rauch gesehen, aber sie haben sich nicht direkt bedroht gefühlt. Ich habe mit ihnen geredet und auch mit dem Verantwortlichen der Struktur. Ihr Wunsch ist es aus den Medien zu kommen. Das werde ich auch dem Präfekten sagen.
Der Wunsch der Flüchtlinge ist es aus den Medien zu kommen. Das werde ich auch dem Präfekten sagen.
Sie wohnen nur 50 Meter neben dem Ort des Anschlages. Haben Sie in der Nacht, was gehört oder gesehen?
 
Nein, ich nicht. Meine Frau hat diesen dumpfen Knall gehört und sich gedacht, da wird irgendwo geböllert. Sie hat der Sache deshalb anfänglich keine große Aufmerksamkeit geschenkt. Auch meinem Bruder ist es so gegangen. Ich habe das Ganze dann erst am Sonntagfrüh als ich zur Kirche fuhr mitbekommen. Ich sehe den Betreuer und sage: „Guten Morgen, schon alle munter?“. Er fragt mich dann: „Hast du nichts bekommen?“ Erst zu diesem Zeitpunkt wurde ich informiert.
 
Man hat auch rassistische Parolen und eindeutige Neonazi-Zeichen hinterlegt?
 
Ja, rassistische Schriften wie „Flüchtlinge nicht willkommen“. Es gibt leider Menschen, die so denken. Diese Meinungen sind verbreitet. Meine Position hierzu ist klar: Jeder Mensch hat nicht das Glück hier auf der Welt gekommen zu sein und wenn Menschen Schutz und Hilfe suchen, müssen wir was tun. Es geht dann aber auch darum, diese Menschen zu integrieren. Und ich bin stolz, dass der Großteil der Bevölkerung in Eppan diese Meinung teilt.
 
Sie sagen, die Gemeindeverwaltung kann hier positiv als Vorbild wirken?
 
Und wie. Ich sage immer: Wir haben in Eppan rund 1.600 Menschen, die nicht hier geboren sind, aber hier arbeiten. Es ist dabei völlig egal, wo sie herkommen.
 
Sie und die Gemeindeverwaltung werden sich also nicht einschüchtern lassen und den Kurs ändern?
 

Auf keinen Fall. Absolut nicht. Wir werden ganz sicher so weiter machen, wie bisher.
Ich muss sagen, dass wir in Eppan sehr, sehr viele Menschen haben, die sozial positiv eingestellt sind. Das gibt einem die Kraft gewisse Dinge durchzusetzen.
Es gibt in Südtirol aber einige Bürgermeister und Bürgermeisterinnen, die sich weigern Flüchtlinge und Asylanten aufzunehmen?
 
Ich würde sagen, das sind Bürgermeister, die einfach nicht die Kraft haben, eine klare Entscheidung zu treffen. Vielleicht haben sie aber auch andere Leute dahinter, wie wir. Ich muss sagen, dass wir in Eppan sehr, sehr viele Menschen haben, die sozial positiv eingestellt sind. Das gibt einem die Kraft gewisse Dinge durchzusetzen. Wir versuchen dabei auch Missionare zu sein. Die zuständige Referentin Monika Larcher besucht immer wieder andere Gemeinden und erklärt, wie gut das Ganze bei uns funktioniert.
 
Sie sind in dieser Frage sehr progressiv. Woher kommt dieser Überzeugung?
 
Monika und ich waren vor Jahren bei einem Symposium in Alpbach. Dort haben die österreichischen Bürgermeister zu diesem Thema und über ihre Erfahrungen gesprochen. Das hat uns eigentlich den Mut gegeben unseren Weg zu gehen. Denn dort gibt es Tourismusorte, die eine ganze andere Anzahl von Flüchtlingen aufnehmen. Nicht 50 wie wir. Dort sieht, man dass es gut funktionieren kann. Wenn man will.
 
Sie wohnen wie gesagt 50 Meter neben der Flüchtlingsunterkunft in Eppan. Haben Sie als Bürgermeister oder als Privatperson jemals die Entscheidung bereut, dort die Flüchtlinge unterzubringen?
 

Nein, absolut nicht. Eher das Gegenteil. Wenn die vorbeifahren, dann bedanken sie sich, dass sie hier sein dürfen. Das sind emotionale Erfahrungen, die einem bewegen. Das sind Menschen und nicht Objekte oder Nummern.
Wenn die Flüchtlinge vorbeifahren, dann bedanken sie sich, dass sie hier sein dürfen. Das sind emotionale Erfahrungen, die einem bewegen. Das sind Menschen und nicht Objekte oder Nummern.
Man kann den Anschlag aber auch als Anzeichen dafür sehen, dass auch in Eppan die Fremdenfeindlichkeit zunimmt?
 
Wer weiß, woher die Täter kommen? Zuerst müssen wir die Täter finden, dann können wir Schuldzuweisungen machen. Sicher ist: Dieser Anschlag schadet den Ausländerfeinden mehr, als er ihnen nützt.
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gorgias Di., 22.05.2018 - 17:09

„Flüchtlinge nicht willkommen“ ist nicht rassistisch, sondern wenn schon fremdenfeindlich.

Und was sind eindeutige Neonazi-Zeichen? Wie unterscheiden sich diese von Nazi-Zeichen bzw. NS-Symbolen?

Di., 22.05.2018 - 17:09 Permalink
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Sepp.Bacher Mi., 23.05.2018 - 09:41

Antwort auf von gorgias

Wikipedia unterscheidet zwischen Keltenkreuz und Hakenkreuz. Bei genanntem Anschlag war eindeutig ein Hakenkreuz zu sehen. Wikipedia. "Das Hakenkreuz ist ein stilisiertes Sonnenrad ... und gilt als Heilszeichen und Glückssymbol in Gestalt eines Kreuzes mit vier gewinkelten Armen (Haken). Die Verwendung im Nationalsozialismus (→ Hakenkreuzfahne) geht u. a. auf die Thule-Gesellschaft zurück. Es wurde vielfach von antijudaistischen und völkischen Verbänden als Sinnbild des Ariertums verwendet." Ich glaube die Neo-Nazis und allgemein die Extrem-rechten - weltweit - verwenden dieses Symbol!

Mi., 23.05.2018 - 09:41 Permalink
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Manfred Klotz Mi., 23.05.2018 - 11:56

Antwort auf von Sepp.Bacher

Es ist auch ein Keltekreuz zu sehen Herr Bacher und zwar unten rechts am Schild. Für Neonazis weltweit steht es als das Symbol schlechthin für die „Vormachtstellung der weißen Rasse“ und die „White-Power“-Bewegung, auch wegen seiner optischen Ähnlichkeit mit dem Fadenkreuz eines Zielfernrohres.

Mi., 23.05.2018 - 11:56 Permalink
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Ludwig Thoma Mi., 23.05.2018 - 17:30

"Denn die Motive sind nach wie vor nicht geklärt!"

..da malt jemand ein Hakenkreuz und die Motive sind nicht geklärt.... Möglicherweise sogar Linke waren das...jaja immer schön relativieren.

Mi., 23.05.2018 - 17:30 Permalink
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Ludwig Thoma Mi., 23.05.2018 - 19:21

mimimi,
belegen Sie doch mal, dass es "vielleicht Linksextreme" waren....

Mi., 23.05.2018 - 19:21 Permalink
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Ludwig Thoma Mi., 23.05.2018 - 20:43

Gibt es denn in Südtirol überhaupt eine organisierte linksextreme Szene? Eine "Bewegung" deren "Strategien und Ideologien" es zu verstehen gilt? Die zudem, ähnlich wie die Rechte auf eine bestimmte Tradition zurückgreift, regelmäßig zu einschlägigen Konzerten und Tagungen nach Deutschland fährt und hier von der Digos beobachtet wird? Aber da Sie vor diesem Hintergrund schrieben, dass es rein hypothetisch vielleicht ja sogar im Fall
Linksextreme gewesen sein könnten, habe ich angenommen, dass Sie eine Tat mit rassistischem Hintergrund relativieren wollten. Schön, wenn das nicht Ihre Absicht war.

Mi., 23.05.2018 - 20:43 Permalink