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Für eine gemeinsame EU-Asylpolitik

Am Sonntag trifft sich in Brüssel ein Teil der EU-Staaten, um in der Asylpolitik eine gemeinsame Linie zu finden. Die Vorschläge dafür liegen schon längst auf dem Tisch.
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Die bessere Sicherung der EU-Außengrenzen durch einen stärkeren Grenzschutz (FRONTEX), die faire Verteilung der Asylwerber auf die EU-Länder, die Einrichtung von Auffangzentren in Drittstaaten in Nordafrika werden unter dem Druck der migrationsskeptischen Regierungen Fortschritte machen. Doch wenn man die Migration dauerhaft und solidarisch in den Griff bekommen will, muss die EU in der gesamten Asyl- und Migrationspolitik zusammenfinden. Schon seit 2015 ist klar, dass die Dublin-Regelungen nicht mehr haltbar bzw. mit dem Schengen-System nicht vereinbar sind. Italien verlangt seit Jahren zu Recht eine Revision dieses Systems, jetzt erst baut es dafür den politischen Druck auf. Es soll festgelgt werden, dass ein Migrant EU-Boden betritt und nicht nur Italien, wenn er in Italien ankommt," hat Premier Conte zu Recht bekräftigt. Nicht Re-Nationalisierung ist der Ausweg aus dem Dilemma, sondern die volle Europäisierung des Asyl- und Migrationsrechts.

Dafür hat die EU selbst schon vor Jahren die Weichen gestellt, allein es haperte an der Umsetzung, wie etwa bei der EU-Agenda für eine gemeinsame Asylpolitik von 2015. Am 4. Mai 2016 legte die EU-Kommission ein Reformpaket für ein „Nachhaltiges und faires gemeinsames europäisches Asylsystem“ vor, ein detaillierter Vorschlag für eine effiziente, faire und humane Asylpolitik. Darin wird ein EU-weit einheitliches Verfahren für humanitär Schutzbedürftige, gleiche Standards und Kriterien für die Anerkennung von Asylwerbern und die Harmonisierung der Aufnahmebedingungen vorgeschlagen. Die Asylwerber hätten zum einen Garantien, rasche und faire Verfahren zu durchlaufen, ganz egal, wo sie zum ersten Mal die EU betreten haben. Zum andern könnten sie ihr Zielland nicht mehr aussuchen, sich nicht frei in der ganzen EU bewegen und wären verpflichtet, bei Ablehnung ihres Gesuchs die EU wieder zu verlassen. Heute wird die Mehrheit der Asylwerber EU-weit betrachtet abgelehnt, aber in den meisten Fällen bleiben diese in der EU.

Was wäre sofort zu tun, um das Asylsystem in der EU zu harmonisieren? Die EU-Kommission hat z.B. folgende Maßnahmen vorgeschlagen:

  • Die Asylverfahren müssen vereinfacht und verkürzt werden unter Wahrung der völker- und verfassungsrechtlichen Verpflichtung der Mitgliedstaaten. Dazu gehört auch eine gemeinsame Regelung zu den sicheren Drittstaaten.
  • Strengere Vorschriften gegen den Missbrauch des Asylrechts, Begrenzung der Reisefreiheit von Asylwerbern innerhalb der EU während des Verfahrens.
  • Schutz in der EU soll nur so lange gewährt werden, wie er tatsächlich benötigt wird. Temporärer Schutz beinhaltet auch eine Pflicht zur Rückkehr, wenn sich die Lage im Herkunftsland normalisiert hat und wenn die Bedingungen für eine Rückkehr gegeben sind.
  • Neue Anreize für die aktive Integration in die Aufnahmegesellschaft für anerkannte Asylbewerber.

Eigentlich liegen zahlreiche brauchbare Vorschläge für eine fairere, aber auch effizientere Asylpolitik der EU schon seit drei Jahren auf dem Tisch. Manches wurde umgesetzt, Vieles blieb liegen. Die Uneinigkeit unter den Mitgliedsländern hat eher zugenommen, doch unter dem Druck der irregulären Migration kann die EU jetzt nicht mehr abwarten.

Heute bewegt sich die EU unter dem Druck der Ereignisse und der migrationsfeindlichen Regierungen mühsam und konfliktreich auf mehr Gemeinsamkeit bei Asyl und Migration hin. Eigentlich braucht die EU – besser mittel- als langfristig – ein gemeinsames europäisches Asylsystem und eine gemeinsame EU-Migrationspolitik, auch wenn beide Sachbereiche heute noch in der Kompetenz der Mitgliedstaaten liegen. In einem solchen System wäre ein neues EU-geregeltes Asylverfahren die Regel statt der heutigen, national geregelten Asylverfahren. Ihre Abwicklung würde einer echten Europäischen Asylbehörde anvertraut, die es erst in einer sehr embryonalen Form gibt (Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen EASO). Durch ein einheitliches europäisches Asylrecht würden gleiche Rechte und Chancen in der gesamten EU geschaffen, mit einem gerechten Verteilungsschlüssel, einer EU-finanzierten Aufnahme der Bewerber, mit der gegenseitigen Anerkennung der Asylbescheide und des Aufenthaltsrechts für Schutzbedürftige. Dann gäbe es natürlich auch gemeinsame Anstrengungen zur Rückführung abgelehnter Asylwerber, die gemeinsame Finanzierung des Schutzes der Außengrenzen und gemeinsame Anreize für die Integration der anerkannten Bewerber. Gleichzeitig muss die EU auch neue Möglichkeiten der legalen Zuwanderung schaffen.

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Martin Daniel Fr., 22.06.2018 - 22:16

Gute Vorschläge. Dass die EU jetzt unter dem Druck migrationsfeindlicher Regierungen handeln muss, liegt daran, dass ihr bisheriges Agieren oder besser: Reagieren inkonkludent und zutiefst unfair war. Verträge sind zwar einzuhalten, wenn sie aber wie im Falle Italiens (Dublin, Triton) die Lasten zu ungleich verteilen und über zu lange Zeit nur müde Floskeln von den Partnern kommen, dann optiert ein Wahlvolk nicht selten für extreme Ansätze (war bei der Schuldenkrise in GR übrigens genauso der Fall mit den Erfolgen von Syriza u. der goldenen Morgenröte). Auch wenn Orbans Gründe völlig andere sein dürften, Merkel u. Juncker, ihr Exekutor in Brüssel, stehen vor den Trümmern ihrer gut gemeinten, aber verfehlten, die politischen Dynamiken völlig verschätzenden Migrationspolitik. Hoffentlich zerbricht Europa nicht darüber! Und hoffentlich wird ein Konsens für effiziente u. differenzierende Asylverfahren unter Wahrung der Menschenrechte gefunden, bevor die Rechten das letzte Land erobert haben.

Fr., 22.06.2018 - 22:16 Permalink
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Thomas Benedikter Di., 26.06.2018 - 11:19

Ich gebe dir Recht, Oliver, die "Linke" (hier müsste man wieder differenzieren, welche "Linke" man genau meint) hat das Thema irreguläre Migration und Asylrechtsmissbrauch nicht gut bewältigt. Dies beginnt schon damit, dass in solchen Gruppen meist nicht zwischen Migration aus Arbeitsgründen und politischem und humanitärem Asyl unterschieden wird. Die bundesdeutsche "Linke" hat in ihrem neuen Grundsatzprogramm soeben Armut als legitimen Fluchtgrund (und damit auch als Rechtfertigung für Asyl) anerkannt. Das kann nicht gutgehen, denn mindestens 90% der Weltbevölkerung ist "ärmer" als der Durchschnittsdeutsche. In Italien haben Exponenten von LeU ein "ius migrandi" gefordert, also ein völkerrechtlich anerkanntes Recht nicht nur auf Emigration (noch nicht überall anerkannt), sondern auch auf Immigration ins Land der eigenen Wahl. Das kann auch nicht gut gehen. Das überfordert nicht nur das bei den öff. Finanzen, in der Sozialpolitik und Integration sehr ungünstig aufgestellte Italien, sondern wohl auch die meisten anderen EU-Länder.
Politisches und humanitäres Asyl und Migration aus Arbeits- und Armutsgründen müssen wieder klar und deutlich getrennt werden. Der massenhafte Missbrauch des Asylrechts führt zu den Zuständen, die wir jetzt in Italien beobachten können, sozial, humanitär, aber auch politisch.
Neben der Überwindung des Dublin-Abkommens und einem echt europäischen Asylsystems muss die EU über kurz oder lang natürlich auch zu einer gemeinsamen Migrationspolitik finden. Das liegt im System des Binnenmarktes mit den 4 Grundfreiheiten der EU begründet. Denn regulären Migranten in einem EU-Land steht nach einer gewissen Zeit die ganze EU offen (und so muss es wohl auch sein).

Di., 26.06.2018 - 11:19 Permalink
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Karl Trojer Di., 26.06.2018 - 18:20

Was wir Europäer in den letzten Jahren an Migration erlebt haben ist m.E. ein Bruchteil von dem, was auf Grund des Klimawandels auf uns zukommen wird. Dass das Friedenspojekt EUROPA an diesen verhältnidmäßig kleinen Migrtantenzahlen zerbrechen könnte, zeigt in erschreckender Weise, wie sehr Angst vor dem Fremden ganz allgemein, Menschen und Politik konditioneren, wie schnell Angstmacher die Oberhand gewinnen und wie Solidarität, ohne die menschliche Zukunft nicht möglich sein wird, immer noch schwach entwickelt .udn zerbrechlich ist. Medien müssten Ihren Hang zu Sensationsmeldungen drastisch reduzieren und die Kirchen, isnbesondere die christlichen, müssten sich aufs Wesentliche besinnen und vom Festhalten an theologische Details ablassen. In der allgemeinen Meinungsbildung geht es um "Menschwerdung" des Individuums und der Gemeinschaft und um Rückbesinnung auf das Wesentliche menschlicher Existenz. Dieses Wesentliche geht heute unter im Chaos lapidarer Informatiomnsflut, im Konsumzwang und dem " immer schneller - immer mehr" .

Di., 26.06.2018 - 18:20 Permalink
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Karl Trojer Mi., 27.06.2018 - 15:23

Oliver und was antwortest Du auf meine Frage zum Klimawandel, den ja im wesentlichen nicht jene Länder zu verantworten haben, die zur Flucht gezwungen sein werden ? Schlimm finde ich, wenn ANGST der primäre Motor für politische Entscheidungen wird. Dem gilt es m.E. gegenzuwirken.

Mi., 27.06.2018 - 15:23 Permalink
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Karl Trojer Do., 28.06.2018 - 17:17

Für die derzeitigen Migrationsgründe mögen der Kolonialismus, schädliche EU-Subventionen, Raubbau an Natur und Menschen wesentliche Gründe sein. Dazu kommt massiv unser Finanzliberalismus, der mit den Volkswirtschaften armer Länder Fußball spielt . Wir werfen den Afrikanern Korruption vor, doch diese setzt voraus, dass sie jamend bezahlt und wer bezahlt ? Ja Angst ist leider eine der größten Triebfedern menschlichen Handelns,, und irrationale Ängste sind ernst zu nehmen, doch dürfen sie nicht so hochgespielt werden, dass sie zum Hauptgrund politischen Handelns werden. Dagegen müssen weniger Sensationssucht und mehr Ehrlichkeit in den Medien und klare, einfach verständliche Wertevermittlungen, nicht zuletzt seitens der religiösen Gemeinschaften, viel gewichtiger in die Meinungsbildung einfließen.

Do., 28.06.2018 - 17:17 Permalink
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Sepp.Bacher So., 01.07.2018 - 11:21

Grundsätzlich gebe ich dir recht, Oliver. Ich möchte aber zu bedenken geben, dass Straftaten einheimischer Krimineller nicht so pingelig gezählt und auf die erste Seite gehaut werden, wie jener..."Noch schlimmer ist es, wenn diese Verbrechen von Leuten begangen wurden, deren Asylanträge sogar abgelehnt wurden oder wenn es sich um Leute handelt, die bereits vorbestraft sind oder bei denen sogar schon eine Abschiebung vorgesehen ist". Abgelehnte haben keine öffentliche Versorgung mehr und müssen sich durchschlagen, da werden sie deswegen zu Kleinkriminellen und sind nicht von vorneherein Kriminelle, zumal ihnen die Realität lehrt, dass ihnen nicht viel passiert oder dass sie im Winter "drinnen" wenigstens warm, ein Bett und warmes Essen haben. Notzustände führen gerne zu Gestzesübertretungen, das war im und nach dem Krieg auch bei Südtiroler "Partisanen" so, die sich versteckt hielten, aber bei Bauern Essbares u.a. stahlen. In NY gab es bei der großen Aus-, Einwanderungswelle von Europäern in die USA vor 105 -130 Jahren eine Kriminalitätsrate von über 30%. Man sieht, es liegt nicht an der Hautfarbe oder am Kontinent von woher die Migranten stammen.

So., 01.07.2018 - 11:21 Permalink