Politik | Wahlen 18 elezioni

Die Stunde der Dämmerung

Die SVP kommentiert die Wahlverluste, sieht sich aber bestätigt – und will sich nun Zeit für die Koalitionsbildung nehmen. “Wir führen Gespräche mit allen Parteien.”
SVP am 22. Oktober
Foto: Salto.bz

Mit dem Finger auf sich zeigen, das tut die SVP nicht gerne. Den Verlust von 3,8 Prozentpunkten, von über 11.000 Stimmen und zwei Sitzen im Landtag hat die Volkspartei am Tag nach den Landtagswahlen zu verbuchen. “Natürlich schmerzt das Ergebnis”, sagen Parteiobmann und Spitzenkandidat am Morgen. Draußen ist es noch finster, aber in der Brennerstraße 7 dämmerte es den Parteifunktionären und Kandidaten bereits kurz nach Mitternacht: Es wird kein sehr schöner Tag.

 

Nur ein Phantomschmerz?

Dennoch steht man um kurz nach halb 7 geschlossen und mit einem demonstrativen Lächeln vor den Medienvertretern. Und erklärt, was man unterm Edelweiß mit dem Ergebnis vom 21. Oktober anfangen will. “Viele Aspekte gefallen uns nicht”, gesteht Landeshauptmann Arno Kompatscher. Etwa, dass die SVP in großstädtischen Gebieten wie Bozen (-5,6 Prozentpunkte), Meran (-4,1) und Leifers (-9,6) “sehr klar verloren” hat, wie es Parteiobmann Philipp Achammer ausdrückt. “Aber im ländlichen Raum sind wir in mehreren Bezirken stabil und in einigen Gemeinden haben wir sogar ein Plus zu verzeichnen.”

Wer sich am Morgen nach der Wahl ein mea culpa aus SVP erwartet hat, wird enttäuscht. “Das primäre Wahlziel, stabil über 40 Prozent zu bleiben, ist erreicht worden”, meinen Achammer und Kompatscher unisono. Der “neue Mitbewerber” sei sicher mit Schuld, dass die SVP Stimmen eingebüßt hat, zählt Kompatscher auf. Er meint Paul Köllensperger, dessen Team mit 15,2 Prozent und 43.315 Stimmen als zweitstärkste Partei und mit sechs Abgeordneten in den Landtag einzieht. Außerdem habe man sich in einem “schwierigen Umfeld” bewegen müssen, in einem europäischen Kontext, in dem Volksparteien allgemein einen schweren Stand haben. “Es hat keine Radikalisierung stattgefunden, Südtirol hat die Mitte gehalten”, meint Kompatscher mit Blick auf das Absacken der Freiheitlichen und die Verluste auch bei der Süd-Tiroler Freiheit. “Die kräftige Ohrfeige, von der im Wahlkampf die Rede war, hat nicht die SVP abbekommen, sondern andere.”

 

Auftakt für Koalitionsrebus

Dass die SVP “fast drei Mal so viele Stimmen wie die zweitstärkste Partei bekommen hat” – so liest der Parteiobmann die 41,9% der SVP gegenüber den 15,2% von Köllensperger – interpretiert man in der Brennerstraße als “sehr deutlichen Auftrag, Südtirol weiterhin gestalten zu dürfen”, als “klaren Auftrag, eine Regierung zu bilden”. Nur, mit wem? Bevor die Journalisten die Frage stellen können, wehren Kompatscher und Achammer ab: “Wir werden mit allen Parteien im Landtag Gespräche führen, die Entscheidung, mit wem eine Koalition vorstellbar ist, fällt in den Parteigremien.”

Eine Zweierkoalition SVP-Lega würde eine Mehrheit von 19 Sitzen ergeben. Daneben käme rechnerisch auch eine Allianz mit dem PD (1 Sitz) und den Grünen (3 Sitze) in Frage. Ein Zweierbündnis mit der stärksten italienischsprachigen Partei war für die SVP zumindest vor den Wahlen die favorisierte Variante. “Das gilt immer noch”, betont der SVP-Parteiobmann – und schickt gleich das Aber nach: “Auch die zweite Voraussetzung muss gegeben sein.” Der bzw. die Koalitionspartner müssen die Prinzipien Autonomie-Europa-Zusammenleben erfüllen. Das wiederholt auch Landeshauptmann Kompatscher wie ein Mantra. Aber das Bündnis mit der Lega, die 11,1 Prozent der Stimmen erhalten hat, liegt doch nahe?

“Heute werden Sie sicher keine Koalitionsaussagen von uns hören”, wimmelt Kompatscher die hartnäckigen Nachfragen ab. “Wir werden uns die Zeit nehmen, um verantwortungsvoll und seriös Verhandlungen zu führen und eine Entscheidung zu treffen.”

Nun will man erst einmal das offizielle Wahlergebnis abwarten, detaillierte Analysen durchführen – auch um zu verstehen, wohin die abtrünnigen SVP-Wähler abgewandert sind. “Keine voreiligen Schlüsse”, lautet die Devise.

 

Götterdämmerung unterm Edelweiß?

Es hätte schlimmer kommen können. So der offizielle Tenor der SVP-Parteispitze. Doch im Hintergrund rumort es bereits. Fast 11.000 Vorzugsstimmen weniger als 2013 hat Arno Kompatscher dieses Mal erhalten. Parteiobmann Philipp Achammer hingegen hat um 19.000 Stimmen zulegen können. Ein Zeichen, dass unterm Edelweiß eine Zeitenwende eingeläutet werden könnte? Nicht für den Landeshauptmann: “Es ist das eingetreten, was ich erwartet habe”, geht er in die Offensive. Die Tatsache, dass zwei SVP-Kandidaten – Arno und Franz – denselben Nachnamen tragen und nicht alle Wähler auch den Vornamen auf den Wahlzettel geschrieben haben, ist ihm zum Verhängnis geworden, sagt er.

Mit dem Spitzenduo ziehen mit Arnold Schuler und Waltraud Deeg zwei bisherige Landesräte wieder in den Landtag ein. Neben Daniel Alfreider hat es auch Manfred Vallazza als zweiter Ladiner, dessen Kandidatur von einigen als Störaktion missbilligt wurde, geschafft. Ebenso wie Vallazza sind die vom Bauernbund unterstützten Kandidaten Franz Locher, Sepp Noggler und Maria Hochgruber Kuenzer in den Landtag gewählt. Für den Wirtschaftsflügel kommen Thomas Widmann, Gert Lanz und Helmut Tauber ins Hohe Haus. Der Sozialflügel stellt neben Deeg Magdalena Amhof und Helmuth Renzler. Oswald Schiefer packt es nicht mehr, er landet abgeschlagen auf Platz 17 – noch hinter der Brixner Stadträtin Paula Bacher.
Der Bezirk Pustertal stellt 5 der 15 SVP-Landtagsabgeordneten. “Sehr erfreut” ist Meinhard Durnwalder darüber. Mehr will der als Widersacher von Arno Kompatscher geltende Pusterer Bezirksobmann nicht sagen.

Und dann ist da Jasmin Ladurner. Die Kandidatin der Jungen Generation in der SVP hat mit 6.825 Vorzugsstimmen ein Spitzenergebnis erzielt – und Magdalena Amhof überholt. “Ich bin positiv überrascht”, freut sich die 24-Jährige, die einen Turbo-Wahlkampf hinter sich hat. “Jetzt lege ich erst richtig los”, verspricht sie.

Jasmin Ladurner darf sich neben Parteiobmann und Landeshauptmann hinstellen. Als ob man hofft, dass die Jugendlichkeit und der frische Wind, den Ladurner ohne Zweifel mit sich bringt, auf das erblasste Edelweiß abfärbt. Doch dazu wird es mehr brauchen als etwas frische Farbe.