Kultur | Geschichte

Geschichtsträchtige Stücke

Der Innenhof des Bozner Stadtmuseums lag bis 2017 im Dornröschenschlaf, langsam aber sicher wird das Potential des Ortes genutzt, unter anderem als Lapidarium.
Lapidarium
Foto: Stadtmuseum Bozen / Museo Civico Bolzano
Eine Sammlung historischer Steinfragmente (das meint der Begriff) und ein Taufbecken nehmen nun den Raum ein, von welchem aus mittels einer Umspannstation bis 2006 die gesamte Bozner Altstadt mit Strom versorgt wurde. Die Kabine liegt mittlerweile unterirdisch, unter der südlichen Hälfte des Hofes. Auf Bestreben von Anna Vittorio, Leiterin der Abteilung für Kultur kam die Initiative, mit Unterstützung des Museumsleiters Stefan Demetz, in Gang, die Idee selbst war wesentlich älter: Sie geht auf die ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg zurück, wovon auch die provisorische Lagerung vieler der Stücke im Hof zeugte.
 

Der Innenhof, für lange Zeit eine dem Museumsverein unzugängliche Dauerbaustelle, nun ein junger Garten, war der Ort, von welchem eine Vielzahl der im Lapidarium präsentierten Stücke stammt, genauer gesagt ein Schutthaufen in einer Ecke des Hofs. Diesen Umstand bezeichnete der Obmann des Museumsvereins Bozen, Gerald Maier bei der Medien-Preview schlicht als „Schweinerei“, den Erhaltungszustand als „fast ein Wunder“. Gerade im Falle eines mehrfarbig gefassten Konsolsteins mit dem Kopf einer Frau aus rotem Buntsandstein - datiert um 1400 - ist angesichts des Erhalts der Farbe beizupflichten.
Betritt man den kleinen, zum Hof hin offenen Raum, so sieht man an drei Wänden in vage chronologischer Reihenfolge von links nach rechts angeordnet 31 Exponate, plus ein weiteres im Hof, sowie das Prunkstück, einen Taufstein aus Marmor aus dem 13. Jahrhundert (später mehr dazu). Die Stücke, zwischen 11./12. Jahrhundert und 1804 datiert, sind Großteils bis auf eine Benennung, Material und Datierung unkommentiert, in fünf Fällen (ehemaligen „Objekten des Monats“ des Stadtmuseum) stehen ihnen in der dünnen, vor Ort aufliegenden Broschüre ein QR-Codes zur Seite, die auf vertiefende Informationen verlinken. Auf der zweisprachigen Tafel im Raum heißt es zur wenig deckenden Information: „Einzelne Steine sind wie die Sammlung insgesamt noch Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung“, auf weitere Informationen kann also in Zukunft gehofft werden.
 
 
Das 750 bis 800 Kilo schwere romanische Taufbecken , das trotz einer Zwischennutzung als Brunnen gut erhalten ist, hatte - nach dem Kurzen Abriss der Provenienz durch Demetz - das K&K Ministerium des Inneren  zwischen 1886 und 1888 erworben. Seitdem befand sich das Stück im Hof der jetzigen Finanzwache, ehemals eine Niederlassung der K&K Bezirkshauptmannschaft, unweit des Bozner Doms, aus welchem es mutmaßlich im Zuge der Barockisierung in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entfernt wurde. In den Besitz des Museumsvereins kam es im Tausch gegen einen neuen Brunnen.
Neben einigen Stücken aus Bozner Kirchen mit oberflächlichen Brandspuren, die von den Bombardierungen von 1943-45 zeugen und vom damaligen Direktor des Stadtmuseums Nicolò Rasmo in Sicherheit gebracht wurden, ist etwa auch eine Grabplatte der Von Mens aus Sandstein, wahrscheinlich ebenfalls für einen Brunnen zweckentfremdet, vom Ende des 16. Jahrhundert mit einer Darstellung des „Wilden Mannes“ beachtenswert. Auf der älteren Seite der Ausstellungsstücke eine beachtenswerte ebenfalls sandsteinerne Grabplatte mit dem Wappen der Familie Boymont zu Payrsberg aus dem 14. Jahrhundert aus der Justina Kirche in St. Pauls, Eppan zu sehen. Die Sammlung greift also auch etwas über die Stadt Bozen hinaus.
 
 
Vittorio faszinierte in besonderer Weise (im Titelbild halb-rechts unten) ein figürliches Pfeilerfragment, im 15. Jahrhundert aus Marmor gearbeitet: Augenscheinlich erfüllte es, ob seiner Masse, eine tragende Funktion, etwa als Teil eines Portals. Dargestellt eine Figur in Toga und Schriftrolle. „Ich glaube, es handelt sich um einen Justizbeamten oder Notar“, meint Vittorio.
Die Stadträtin für Kultur, Chiara Rabini, versicherte darüber hinaus, dass man an den Brandschutz-Maßnamen des Stadtmuseums arbeite und dass nach deren Fertigstellung auch die derzeit geschlossenen Stockwerke wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht würden. Einen Zeitplan dafür nannte sie nicht. Derzeit werden über das Erdgeschoss hinaus lediglich der Ofenraum im ersten Stock, sowie der Turm aktiv genutzt.
Wer ausführlicher und aus erster Hand über das Lapidarium informiert werden möchte, oder die Stücke persönlich in Augenschein nehmen will, der muss nicht lange warten: Heute, Mittwoch-Abend findet um 18 Uhr die offizielle Eröffnung des Raumes statt.