Politik | Antifaschismus

Cadornastraße symbolisch umbenannt

Selbstbestimmt gedenken. Keine Ehrung von Faschisten. - Ein Gastbeitrag
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Umbenennung
Foto: Afa M.
Wir, einige Antifaschist*innen, haben gestern Abend die Cadorna Straße in Meran in „Elena Stern de Salvo“ Straße umbenannt. Cadorna war Kriegsverbrecher und Faschist. Er war Offizier im ersten Weltkrieg und machte sich für seine Grausamkeit – auch den eigenen Soldaten gegenüber – einen Namen.

Cadorna unterstützte nach 1922 eifrig das faschistische Gewaltregime und wurde von Mussolini zum Marschall rehabilitiert, dem höchsten militärischen Rang in der faschistischen Armee. Dieser Teil seiner  Vergangenheit wird übrigens in wenigen Artikeln zur Umbenennungsdebatte überhaupt erwähnt.

Anstatt einen weiteren Faschisten zu ehren, sollte die Straße nun einem Opfers des Faschismus gewidmet werden- ohne Erfolg. Elena Stern de Salvo war Meranerin und Jüdin. Im Alter von 6 Jahren wurden sie ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert und von Nazis ermordet. Ihr Schicksal ist eines von über 6 Millionen Jüdinnen und Juden weltweit, von tausenden Sinti und Roma, Schwarzen Menschen, Homosexuellen, Kranken, Behinderten Menschen, Kommunisten, Intellektuellen. Das NS-Regime ist an Grausamkeit kaum zu übertreffen. Und dennoch ist es kein Kapitel das einzig der Vergangenheit angehört.

Im vergangenen Jahr haben sich Teile des Meraner Stadtrates gegen die Umbenennung und für die weitere Huldigung des Faschisten und Kriegsverbrecher durch den Straßennamen entschieden. Vor allem Teile der SVP waren ausschlaggebend. Die Partei schien sich zu sehr auf eine mögliche Zusammenarbeit mit den italienischen Rechten vorzubereiten – besonders in Zeiten einer Autoritarisierung und Faschisierung weiter Teile Europas, ein unheilvoller Pakt.

Der Auschwitz-Überlebende Primo Levi warnte bereits 1986 mit den Worten:
 
Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen
 
Wem wir gedenken und wem nicht, hat Einfluss darauf wie wir Geschichte betrachten, ihre Kontinuitäten behandeln und wie wir miteinander leben.

Der Faschismus hat eine historische Verantwortung für alle jene erzeugt, die nach ihm kommen: Ihn nie wieder geschehen zu lassen! Und dazu gehört denen zu gedenken, die ihm zum Opfer gefallen sind und Täter als solche sichtbar zu machen.

In Europa sind Rechte auf dem Vormarsch. Nach dem Anschlag von Halle, Hanau, Christchurch ist klar: Nazis radikalisieren sich, genießen Zulauf und – sie töten. Ideologisch ebnen Parteien wie die AfD, Front National, Lega Nord ihnen den Weg. Und gesellschaftliche Legitimation erhalten sie nicht nur von denen die applaudieren, wie 1991 in Hoyerswerda, sondern auch von denen die schweigend zugucken. Wie etwa im Meraner Stadtrat.

Wir haben also die Umbenennung selber in die Hand genommen, um zu zeigen, dass wir keinem Faschisten gedenken wollen. Wir sagen: Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus. Gelebter Antifaschismus heißt gedenken und kämpfen. Und es heißt Handarbeit. Die haben wir gestern Nacht erledigt.

Ihr tragt keine Schuld für das, was passiert ist, aber ihr macht euch schuldig, wenn es euch nicht interessiert - Esther Bejarano

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kurt duschek Di., 04.01.2022 - 18:31

....soweit ich mich erinnern kann hat der Fraktionssprecher der SVP damals in einer Stimmabgabeerklärung sich für die Umbenennung ausgesprochen. Offensichtlich waren aber einige Leute der damaligen Regierungsmehrheit bei der geheimen Abstimmung anderer Meinung. Der Verdacht liegt nahe, dass man dem Rôsch eins auswischen wollte. Sehr unwahrscheinlich, dass die Grünen gegen eine Umbenennung der Cadornastrasse gestimmt haben.

Di., 04.01.2022 - 18:31 Permalink