Gesellschaft | Suizid

„Das ist ein Fake“

Peter Koler über die Hysterie um das angebliche Selbstmordspiel „Blue Whale“, die reale Angst der Eltern und den Chat des Forum Prävention.
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Foto: upi
Salto.bz: Herr Koler, das Forum Prävention warnt vor dem neuen Phänomen „Blue Whale“. Um was geht es dabei?
 
Peter Koler: Blue Whale ist seit längerer Zeit ein Thema, das in den Medien breite Resonanz findet. Es handelt sich um ein Spiel mit 50 Anweisungen. Manche sagen es gibt einen Tutor, der droht. Jedenfalls werden die Herausforderungen täglich härter. Es geht von Selbstverletzungen bis dann am Ende die Anweisung erfolgt von einem Hochhaus zu springen.
 
Das Spiel hat bereits zu Selbstmorden geführt?
 
Genau hier sind wir beim Problem. Denn das Spiel ist mit allergrößter Wahrscheinlichkeit ein Fake. Sehr wohl ist aber das Internet voll von Anleitungen, die einen Menschen im Suizid begleiten. Gleichzeitig finden wir aber auch Hunderte von Videos von jungen Menschen, die ihren Freitod filmen und diesen letzten Akt ins Netz stellen.

 
Sie sagen, „Blue Whale“ ist ein Mythos?
 
Ja, das Spiel schon. Man kann genau nachvollziehen, wie das Ganze begonnen hat. „Blue Whale“ startete genau vor einem Jahr mit einer Nachricht in einer russischen Zeitung. Diese Zeitung behauptet ohne irgendeinen Beleg, dass im russischen Facebook vk.com sich jungen Menschen zusammentun, um Suizid zu begehen. Diese Nachricht kann durchaus einen Wahrheitsgehalt haben, weil sich in Russland jährlich über 800 junge Menschen umbringen. Das ist in Russland ein noch größeres Thema als bei uns. Diese Nachricht startet dann und bewegt sich im globalen Netz. Im Februar 2017 macht die englische Boulevard-Zeitung „Sun“, dann einen großen Titel daraus. Der Hype schwappt zuerst nach Südamerika und dann zurück nach Europa. Dabei tauchen plötzlich die 50 Regeln oder Anweisungen auf.
 
In Italien wird das Thema zuerst von der Unterhaltungs-Fernsehsendung „Le Iene“ aufgegriffen?
 
Ganz genau. Auch dabei wird Blue Whale ohne irgendeinen Beleg mit einem Suizid in Livorno in Verbindung gebracht. Danach kommt die Nachricht auch zu uns. Und die Medien schrieben dann von ersten Fällen in Überetsch. Wenn man bei Polizei aber nachfragt, gibt es keine einzige Anzeige dazu.
„Die Medien schrieben dann von ersten Fällen in Überetsch. Wenn man bei Polizei aber nachfragt, gibt es keine einzige Anzeige dazu.“
Ist das Ganze in Wirklichkeit eine Seifenblase?
 
Schauen Sie, es gibt weder eine Seite, noch eine App. Man kann sich auch nirgends anmelden. Das alles sind Grundschritte für ein Spiel. „Blue Whale“ gibt es als Spiel nicht. Sehr wohl aber gibt es im Internet Foren oder leicht erreichbare Seiten, in denen sich Gruppen treffen, die über Suizid nicht nur diskutieren. Das gibt es. Deshalb kann man sagen, dass Blue Whale selbst mit größter Wahrscheinlichkeit ein Fake ist. Auch weil es bisher keine offizielle Stelle gibt, die die Existenz dieses angeblichen Spiels bestätigt hat. Alle Medien sind geil auf diese Geschichte, aber fast keiner überprüft den Wahrheitsgehalt. Daraus ist dieser Hype entstanden. Es ist sehr viel konstruiert.
 
Real aber sind die Ängste der Eltern?
 
Damit sind wir beim Problem. Denn was dieses Phänomen wirklich auslöst, sind die Ängste bei den Menschen. Denn es gibt diese Gruppen, es gibt Mutproben im Internet, es gibt diese Challenges, es gibt Suizidforen und es gibt junge Leute, die sich umbringen. All das ist echt. Deshalb ist auch die Angst der Erwachsenen, die mit diesen Nachrichte verbunden werden, echt.  
 
Das Forum Prävention versucht hier dagegen zu rudern?
 
Ich denke man muss diese realen Ängste und Unsicherheiten der Eltern sehr ernst nehmen. Sie müssen sich hier mit einem undurchschaubaren Thema auseinandersetzen. Hier brauchen die Eltern eine Unterstützung. Wie gehe ich mit meinen Kindern um, die frei im Netz surfen und wo man nicht mehr weiß, wohin sie unterwegs sind. Das ist das Hauptthema. Blue Whale hat dazu die klassischen Charakteristika des bösen Verführers. Früher war es der Schwarze Mann oder der fremde Mann, der in die Nähe meiner Kinder kommt. Jetzt ist es dieser Internethype. Deshalb muss man hier eine klares Signal setzen.
„Ich denke man muss diese realen Ängste und Unsicherheiten der Eltern sehr ernst nehmen. Hier braucht es Unterstützung.“
Das Forum Prävention macht heute einen Livechat zu diesem Thema?
 
Ja wir manchen heute um 14 Uhr einen Livechat zu Blue Whale. Über die Facebookseite des Forums Prävention bekommt man Zugang und kann mitmachen.  Manuel Oberkalmsteiner und ich versuchen uns die Zeit zu nehmen, den Interessierten das Phänomen und die Hintergründe genauer zu erklären. Erwachse, Jugendliche und Kinder sollen hier die Chance haben offen zu fragen und zu diskutieren. Wir machen das zum ersten Mal und wir sind gespannt darauf,  wie das ankommt.