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Was der Bauer nicht kennt

Könnten Insektenburger bald auch auf den Tellern und in den Mägen der Südtiroler landen? Zwei Pioniere des heimischen Burger-Sektors zeigen sich skeptisch, aber offen.
Insektenburger
Foto: Facebook/Bugfoundation

Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen. “Ich nicht, nein.” Das Gesicht von Martin Vikoler verzieht sich. Seine Geschäftspartnerin überlegt kurz. “Doch, ich schon.” Veronika Weber und Martin Vikoler sitzen nicht weit entfernt von ihrem Lokal und haben soeben die Frage gestellt bekommen, ob sie etwas versuchen würden, was in Deutschland seit Kurzem möglich ist: in einen Insektenburger beißen.

 

In Zukunft auch im Westen?

 

Seit 1. Jänner 2018 gelten Insekten in der EU als Lebensmittel. In vielen Kulturen, etwa in Asien oder Afrika, stehen die Tierchen seit jeher auf dem Speiseplan: Heuschrecken, Grillen, Käfer, aber auch Würmer, Schaben und Maden werden gegrillt, gekocht oder zu Mehl gemahlen verspeist. Meist aus Mangel an Alternativen wie rotem oder weißem Fleisch, dienen sie zur Abdeckung des Proteinbedarfs – und sind bei einem vergleichbaren Eiweißgehalt von “echtem Fleisch” ungleich gesünder.

 

“Ein paar Insekten zu essen ist so, als würde man ein Multivitamin einnehmen”, verkündete die UN-Ernährungsorganisation FAO 2014 in einer Studie zur kommerziellen Insektenzucht in Thailand. 170 Gramm Grillen enthielten demnach etwa 60 Prozent weniger gesättigte Fettsäuren und zwei Mal so viel Vitamin B-12 wie die gleiche Menge Faschiertes. Auch im Ressourcenverbrauch schlagen die Krabbeltiere jene auf vier Beinen um Längen: Um ein halbes Kilo Rindfleisch zu erzeugen, werden 11.000 Liter Wasser, knapp 13 Kilogramm Futter und große Weideflächen benötigt. Ein halbes Kilo Grillen kommt mit knapp vier Litern Wasser, einem Kilogramm Futter sowie einer kleinen Zuchtfläche aus. Ganz zu schweigen vom Methangasausstoß, der bei der Massentierhaltung von Rind, Schwein & Co. entsteht.

Laut FAO gibt es mehr als 1.900 Insektenarten, die essbar sind. Viele Experten sind sich einig, dass Insekten auch in den westlichen Küchen als Nahrung der Zukunft Einzug halten werden. Die größte Hürde bilden kulturelle und geschmackliche Vorurteile. Das stellt sich auch im Gespräch mit Martin Vikoler und Veronika Weber heraus. Seit September 2016 betreiben die beiden das Burgerlokal “pims” in der Bozner Innenstadt, setzen auf Qualität und heimisches Rindfleisch, das in der eigenen Küche faschiert wird. Sie waren damals Pioniere in Südtirol, wo Burger meist nur aus Fastfood-Ketten bekannt waren.

 

Vielleicht morgen – oder übermorgen

 

“Wenn ich ‘Burger’ höre, denke ich gleich an Fleisch, Brot und Saucen”, gesteht Martin Vikoler. Dabei hat man sich im “pims” selbst schon von der Vorstellung, dass ein Burger nur aus Rindfleisch besteht, bereits verabschiedet. In ihrem Lokal bieten Martin und Veronika vegetarische und vegane Varianten an. Doch allein das sei schon ein Wagnis gewesen. “Wir haben uns langsam vorgetastet und uns nicht selten anhören müssen, ‘aber da ist ja nicht einmal Fleisch drin’”, erinnert sich Veronika. Inzwischen kommen die fleischlosen Burger gut an. Aber eine Insekten-Variante? “Dafür sind wir, ist Südtirol wirklich nicht bereit”, sind die beiden überzeugt.

In Europa laufen zaghafte Versuche, die Kunden auf das “Fleisch der Zukunft” vorzubereiten. In den Niederlanden gibt es Insekten im Supermarkt – zu Mehl gemahlen und in Nudeln, Brot oder Proteinriegeln verarbeitet. In Deutschland werden seit Herbst 2018 tiefgefrorene Insektenburger in Supermärkten vertrieben. Die Hauptzutat: gemahlene Buffalowürmer.

Anfang 2019 hat die deutsche Burgerkette “Hans im Glück” Insektenburger versuchsweise in die Speisekarte einiger Filialen aufgenommen. Um “den Gästen einen Blick auf mögliche Nahrungsmittel und Proteinquellen von morgen und übermorgen” zu gewähren, erklärt das Unternehmen. Auch auf dem Streetfood Markt im Tiroler Kufstein konnten jüngst Insektenburger verkostet werden.

 

Weg vom Ekel
 

Die Überlegungen hinter dem Verzehr von Insekten gefallen Martin Vikoler und Veronika Weber. Regelmäßig tauschen sie sich über artgerechte Haltung, Nachhaltigkeit, Ressourvenverbrauch und die negativen Nebenwirkungen der Fleischproduktion aus. Aber Insekten, sind sie sich einig, seien für gewöhnlich vor allem mit negativen Eigenschaften besetzt: “Eklig, lästig, etwas, das man eliminieren muss.” Und so etwas soll auf den Tellern und in den Mägen der Südtiroler landen? Unvorstellbar, für Martin Vikoler. “Wo es doch heißt: ‘Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht’”, meint er schmunzelnd.

 

Und wie bitte soll der Konsum von Insekten mit dem Insektensterben vereinbar sein, dessen Ausmaß und Auswirkungen immer stärker in das Bewusstsein vieler Menschen dringt? Die Frage stellt sich Martin, der sich selbst seit Langem mit den Folgen des Insektenschwunds für die gesamte Nahrungskette und schlussendlich auch für den Menschen beschäftigt, wie er sagt. Die Insekten aber, die verarbeitet in den Supermarktegalen und auf den Tellern von Burgerketten und Restaurants landen, werden nicht von der Wiese eingesammelt. Sondern unter strenger Kontrolle der Hersteller eigens gezüchtet und weiterverarbeitet. Etwa in Garniga Terme im Trentino, wo 2015 die italienweit erste Grillenzucht gestartet wurde.

 

Eine Frage der Alternativen

 

“Ich kann mir schon vorstellen, dass Insektenburger eine bestimmte Klientel treffen könnten”, zeigt sich Veronika Weber dann doch offen. Um allerdings bei der breiten Masse anzukommen, müsse vor allem auf die richtige Vermarktung gesetzt werden: “Wenn es appetitlich verkauft wird und so, dass nicht unbedingt ein Fähnchen auf dem Burger steckt, mit dem Hinweis, dass er Insekten enthält, dann zählt vor allem der Geschmack. Wenn der passt, isst du den Burger auch beim nächsten Mal – trotz des Wissens, dass Würmer drin sind.”

Südtirol jedenfalls, und auch das “pims” sei im Jahr 2019 jedoch noch nicht so weit, meinen die beiden Inhaber unisono. Nichtsdestotrotz sind sie sich auch einig, dass die Menschheit nicht umhin kommen wird, sich Gedanken über ihre Nahrung der Zukunft zu machen – und dass auch in Südtirol über kurz oder lang Insekten auf den Tellern landen werden. “Spätestens, wenn die Alternativen weniger werden – und das wird früher oder später geschehen.”

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Elisabeth Garber Sa., 25.05.2019 - 10:34

Wörter auslassen gilt nicht Georgias. Ich finde, dass das keine Schleichwerbung ist - eher ein informativer Artikel, der mir aber auch nicht gefällt, weil angesichts des Insektensterbens aufgrund von Pestiziden die Aufzucht von giftfreien Insekten zwecks Vitaminbomben schon eher pervers ist. Oder meint man leicht giftige Proteinbomben als Immunverstärker?

Sa., 25.05.2019 - 10:34 Permalink
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Peter Gasser Sa., 25.05.2019 - 11:33

Antwort auf von Elisabeth Garber

Es geht nicht darum, wild lebende Insekten zu essen, sondern gezüchtete.
Insektenzucht zur Erzeugung von Protein ist ungleich effizienter und ressourcenschonender als über die Zucht von Säugetieren. Zudem wäre - gerade in Südtirol mit seinen Hotels und Restaurants - mit den ansonsten weggeworfenen Küchenabfällen ein wunderbares und gut verwertbares Substrat vorhanden. Die Zucht findet in geschlossenen Schränken und Hallen statt.
Zur Erzeugung von Protein für Futtermittel wird Insektenzucht (Soldatenfliege) bereits betrieben.

Sa., 25.05.2019 - 11:33 Permalink
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Sepp.Bacher Sa., 25.05.2019 - 13:50

Man muss wohl über beides reden: z. B. den Methanausstoß der Wiederkäuer zu verringern, ja durch weniger bis gar kein Fleisch essen; und aber auch weniger Kühe für die Massen-Milchproduktion, deren Produkte dann als Massenware für alle und jede Gelegenheit angepriesen werden und die man zu Schleuderpreisen nach Russland, China, Korea und in den arabischen Raum bis nach Afrika verschleudert. Dadurch wird in Afrika deren noch ökologische Rinderzucht- und Milchwirtschaft abgehängt und den Ostasiaten wird weis gemacht, dass sie durch Milchprodukte so groß, stark und schön würden wie wir "Langnasen". So bezeichnet der chinesische Volksmund uns Europäer oder allgemein uns Weisen.

Sa., 25.05.2019 - 13:50 Permalink