Gesellschaft | Verschmutzung

Ein Licht aufgegangen?

Nach dem Water Light Festival machen Umweltschützer Druck. Wird sich die Debatte um eine Lichtinstallation als zukunftsweisend für Südtirol herausstellen?
Milchstraße über den Drei Zinnen
Foto: Sebastian Knoll on Unsplash

Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Schon der erste Tag der biblischen Schöpfungsgeschichte erzählt davon, wie die göttliche Grundlage allen Lebens auf der Erde geschaffen wurde: Tag und Nacht. Heute aber verschwimmen die Grenzen zusehends. Der menschliche Fortschritt macht die Nacht immer öfters zum Tag – und zerstört dabei Leben. Anlass, um auf diese bedenkliche Entwicklung hinzuweisen, gab es jüngst in Brixen. Im Rahmen des Water Light Festival schoss eine Kunstinstallation des Finnen Kari Kola wochenlang in den Nachtstunden zwei blaue Leuchtstrahlen in den Himmel, die kilometerweit zu sehen waren. Von mehreren Seiten rührte sich Kritik. Am Sonntag ist das Water Light Festival nun zu Ende gegangen. Was bleibt ist eine Debatte, die für Südtirol durchaus lehrreich sein könnte.

 

Helle Empörung

 

“Licht ist gut und positiv konnotiert, steht für Entwicklung und Fortschritt. Aber die Schattenseiten des Lichts werden nicht gesehen.” Es war der Direktor des Naturmuseum Südtirol David Gruberder Anfang Mai anlässlich des Water Light Festival in Brixen als erster auf die Lichtverschmutzung hinwies, die vor allem für nachtaktive Tiere und Insekten sowie Zugvögel in der Migrationsphase problematisch bis tödlich werden kann. Gruber forderte, die blauen Leuchtstrahlen in Brixen “sofort abzuschalten”. Weitere Proteste folgten. “Uns liegt es fern Künstler:innen, deren Werke oder künstlerische Freiheit einschränken zu wollen, wir sind von der wichtigen Rolle überzeugt, die die Kunst auch hinsichtlich der Kommunikation wissenschaftlicher Erkenntnisse einnehmen kann. In Zeiten der massiven ökologischen Krise, in der wir uns befinden, müssen die Auswirkung unserer Handlungen jedoch stets auch aus ökologischer Perspektive beleuchtet werden”, hieß es in einer gemeinsamen Stellungnahme der Vereinigung Südtiroler Biologen, des Bündnisses Climate Action South Tyrol und der Umweltgruppe Eisacktal. Man forderte vor allem Organisatoren und die öffentliche Hand auf, die – negativen – Auswirkungen von (Kunst-)Projekten künftig eingehender zu evaluieren und diese im Zweifelsfall “von vornherein zu stoppen”. Und auch aus der Zivilgesellschaft wurde Kritik laut. 

 

Über 100 Bürger – darunter Vertreter aus Politik, Kunst, Kultur, Architektur, Kirche – unterzeichneten einen offenen Brief “gegen den Umweltfrevel” in Brixen. Darin hieß es unter anderem: “Das Water Light Festival will ökologisches Bewusstsein wecken, verstößt aber selbst gegen die Grundsätze der Ökologie. Während Landeshauptmann Kompatscher seit geraumer Zeit die Lichtverschmutzung anprangert und ein neues Gesetz seit Anfang 2022 den Einsatz von Skybeamern untersagt, wird im Zuge des Festivals der Brixner Nachthimmel unbarmherzig ausgeleuchtet. Zum Schaden von Vögeln und Insekten, die vom blauen Licht irritiert werden, das für viele von ihnen tödlich ist. Würden die Veranstalter ihre eigenen Botschaften wirklich ernst nehmen, gäbe es nur eine Konsequenz: Licht aus!”

 

Anfrage und Richtlinie

 

Kurze Zeit später reagierten die angesprochenen Festivalveranstalter – allen voran die Tourismusgenossenschaft Brixen – auf die vielstimmigen Vorwürfe. In der letzten Woche des Festivals, das am 29. April gestartet war, wurden die Leuchtstrahler von Kolas Installation mit dem Namen “Sounds of the River” anstatt für drei Stunden nur mehr eine Stunde am Tag eingeschaltet, von 22 bis 23 Uhr. “Aufgrund einer Überprüfung der Landesagentur für Umwelt und Klimaschutz kann dies bestätigt werden”, berichtet Umweltlandesrat Giuliano Vettorato am 19. Mai in der Antwort auf eine Anfrage, die Franz Ploner (Team K) im Landtag eingereicht hatte. Ploner wollte wissen, ob die blauen Leuchtstrahler mit Art. 1 Absatz 4 des Landesgesetzes zur Lichtverschmutzung, das seit Anfang des Jahres den Einsatz von Skybeamern untersagt, vereinbar und ob in Brixen eine Ausnahmegenehmigung erlassen worden sei.

Vettorato schickt voraus, dass die Verwendung von Projektionsscheinwerfern – so die deutsche Bezeichnung der Skybeamer – grundsätzlich verboten ist und es “diesbezüglich keine Ausnahmen oder Abweichungen, auch nicht für vorübergehende Veranstaltungen” gibt. Für die Kontrolle und eventuelle Ahndung von Verstößen sei allerdings nicht das Land, sondern die Gemeinde zuständig. Im Falle von Brixen habe es nach Auskunft der Gemeinde Brixen keine Ausnahmegenehmigung gegeben, so Vettorato weiter, weil beim Water Light Festival laut Veranstalter “keine so genannten Skybeamer eingesetzt werden”. Allerdings sei “die durch die Charakteristik der Installation entstehende Lichtemission (…) auch der Gemeindeverwaltung aufgefallen” und deshalb prüfe man den Fall. “Nach Abschluss der Prüfung behält sich die Gemeindeverwaltung vor, dem Ergebnis entsprechende Maßnahmen einzuleiten.” Ob die Gemeinde Brixen eingeschritten ist, diese Information liegt Vettorato nicht vor. Tatsache ist aber, dass die vierte Ausgabe des Water Light Festival inzwischen Geschichte ist. Am Sonntag, 22. Mai, strahlte auch die Lichtinstallation von Kari Kola zum letzten Mal in die Nacht. Für den Dachverband für Natur- und Umweltschutz eine Gelegenheit, um an die Zukunft zu denken.

 

Schutz als Chance

 

Aus der gesellschaftlichen Debatte um das Festival, die weit über Brixen hinausgestrahlt habe, leitet man beim Dachverband “einen klaren Auftrag an die Politik ab”, teilen der Vorsitzende Josef Oberhofer und die Geschäftsführerin Madeleine Rohrer am Montag mit. Sie fordern, “einen sinnvollen Mittelweg zwischen Naturschutz und eines angepassten In-Szene-Setzens unserer Kulturgüter zu finden” und verweisen auf die neue Richtlinie zur Einschränkung von Lichtverschmutzung und zur Energieeinsparung, die die Landesregierung gemäß Art. 1 Absatz 4 des Landesgesetzes festlegen muss. Die Richtlinie befindet sich auf der Zielgeraden und soll von der Landesregierung voraussichtlich innerhalb Ende Juli genehmigt werden. “Die Richtlinie muss dem Südtiroler Klimaplan entsprechen und zugleich die Natur schützen”, so Oberhofer und Rohrer. Sie verlangen, Lichtinszenierungen außerhalb des Siedlungsraumes während der Vogelflugzeiten, die Beleuchtung von Bäumen und anderer Naturdenkmäler sowie das Ausleuchten von Fledermausquartieren zu verbieten.

“Die Debatte der letzten Wochen zeigt auch, dass Südtirol dringend eine ganzjährige Überwachung der Lichtemissionen braucht”, meint Rohrer. Denn trotz effizienterer öffentlicher Beleuchtung nehme die Lichtverschmutzung in Südtirol um etwa zwei Prozent im Jahr zu. Das ließen Satellitendaten vermuten, so Rohrer. Gemeinsam mit Oberhofer setzt sie darauf, dass es dank der Brixner Lehre im gesamten Land “zu einem Umdenken in Bezug auf die Lichtemissionen” komme.

 

Dabei könnte Südtirol allemal von anderen lernen. Etwa von den USA, Kanada oder Neuseeland, wo es seit Langem Lichtschutzgbiete (so genannte “dark sky places”) gibt, in denen nächtliche Dunkelheit als schützenswertes Gut betrachtet wird. Weltweiter Vorreiter in Sachen Lichtschutz ist übrigens die Kanareninsel La Palma. Dort wurde bereits 1988 das weltweit erste Lichtschutzgesetz, die “Ley del Cielo” (“Himmelsgesetz”) erlassen. 2012 wurde La Palma zudem als erstes UNESCO-Starlight Reserve der Welt zertifiziert. Der massive Einsatz gegen Lichtverschmutzung auf La Palma rührt daher, dass auf der Insel ideale Bedingungen für die astronomische Beobachtung und Forschung herrschen. Aufgrund der “Ley del Cielo” wurde unter anderem die alte Straßenbeleuchtung durch spezielle orangefarbene, auf den Boden strahlende Leuchten ersetzt. Ähnlich wie in Teilen von Teneriffa ist auch die Leuchtreklame strengen Vorschriften unterworfen. Die Dunkelheit wird außerdem touristisch erfolgreich genutzt und vermarktet. 2007 verabschiedeten Vertreter von UNESCO, UNWTO, IAU und anderer internationaler Organisationen die La Palma Declaration – eine Erklärung zum Schutz des Nachthimmels und des Rechts auf Sternenlicht. Mit dem Dokument werden Regierungen, öffentliche Einrichtungen, Planer und Fachleute, aber auch Private aufgefordert, die nächtliche Umwelt zu schützen.

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kuno prey Sa., 28.05.2022 - 08:03

hoch lebe di KUNST!
sie hat es geschafft das thema der lichverschmutzung aufzuwerfen.

LED ist kein alibi (es verbraucht ja so wenig strom…) um zu viele fassaden in im ganzen lande sinnlos zu beleuchten. das selbe gilt für die vielen angeleuchteten skipisten. LICHT AUS!

suuri kiitos kari kola und dem tollen wasser&lichtfestival brixen!

Sa., 28.05.2022 - 08:03 Permalink
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Elisabeth Garber Sa., 28.05.2022 - 09:40

Es ist schon lange so, dass allein Umwelt- u. Natur-schützer oder Heimatpfleger gewachsene Kultur-
güter aktiv verteidigen müssen.
Auch gegen Kunst.

Sa., 28.05.2022 - 09:40 Permalink