Das Bundesland Tirol hat vor genau zwei Jahren (25.5.2021) seine umfassende „Nachhaltigkeits- und Klimastrategie“ beschlossen. Im April 2022 folgte das erste Maßnahmenprogramm zur Umsetzung dieser Strategie. Hier das Umsetzungsprogramm zum Klimaschutz auf einen Blick. Mit über 190 Maßnahmen für den Zeitraum 2022-2024 will Tirol der Klimaneutralität näherkommen. Diese soll, wie in Südtirol, 2040 erreicht werden, bundesweit erst 2045. 2050 will Tirol zudem „energieautonom“ sein, d.h. es will seinen Energiebedarf bis dahin vollständig mit heimischen erneuerbaren Energieträgern decken, allerdings per Saldo. Das heißt, auch nach 2050 wird Tirol erneuerbare Energie primär aus Wasserkraft exportieren. Im Gegenzug kann es bei saisonal bedingter Wasserkraftebbe regenerativ erzeugten Strom auch von außen importieren. In Südtirol versteht man die „Energieautonomie“ anders, aber die Notwendigkeit eines Stromverbunds ist dieselbe.
Tirol setzt auf Fotovoltaik und Wasserkraft
Sämtliche in Tirol nutzbaren erneuerbaren Ressourcen sollen bestmöglich ausgeschöpft werden, so der Plan. Doch im Unterschied zum Südtiroler Klimaplan soll im Norden die Wasserkraft als wichtigste Ressource weiter ausgebaut werden. Bis 2036 wollen die Nordtiroler die Produktion per Saldo um weitere 2.800 GWh gegenüber 2011 erweitern. Das ist immerhin mehr als ein Drittel der gesamten Südtiroler Stromerzeugung aus Wasserkraft (6.800 GWh). Einige Projekte, mit denen dieses Ausbauziel zu 39% erreicht wird, sind bereits genehmigt worden, befinden sich im Bau oder wurden fertiggestellt. Für weitere 50% des Ausbauziels gibt es konkrete Projekte (Maßnahmenprogramm, S.16).
Geht man in Nordtirol zügig zu Werke, ist Südtirol beim Ausbau der Wasserkraft vorsichtig (Klimaplan Südtirol 2040, S.41): die noch verbliebenen Potenziale an Fließgewässern sollen bis zur nächsten Ausschreibung von Großkonzessionen nicht mehr hydroelektrisch genutzt werden. Vielmehr setzt man bei uns auf den Netzausbau, auf die Effizienzsteigerung bei den bestehenden Anlagen sowie auf die Fotovoltaik, wo bis 2037 +800 MW Leistung zusätzlich installiert werden soll. Der DfNUS stellt sich gegen einen weiteren Ausbau der Wasserkraftnutzung. Der SEV und die Handelskammer sehen noch ein großes Potenzial, und zwar für immerhin 2.000 GWh (=2 TWh, vgl. DOLOMITEN, 20.5.23). Sie scheinen allerdings noch nicht die Rechnung mit der tendenziell sinkenden Stromproduktion aus den bestehenden Wasserkraftwerken gemacht zu haben. Auf der Alpensüdseite wie in ganz Italien geht die Schneemenge Jahr für Jahr zurück, und parallel dazu sinkt die Stromproduktion.
Wie Südtirol will auch Tirol die Fotovoltaik massiv fördern, vor allem durch die Erleichterung des Netzzutritts von PV-Stromerzeugern, also durch Einspeisung des privat erzeugten Stroms. Wie Südtirol will sich Tirol mit einem Standort des bundesweiten „Wasserstoffclusters“ auch bei der Herstellung von grünem Wasserstoff etablieren. Gibt es hier bereits Kooperationen mit Südtirol?
Um den Weg zur Klimaneutralität bei der Energieversorgung durchzurechnen, hat das Land Tirol in Zusammenarbeit mit der Universität Innsbruck, dem MCI und Wasser Tirol eine vorbildliche Studie erstellt („Energie-Zielszenario Tirol 2050 und 2040 mit Zwischenziel 2030“, Innsbruck 2021), die das gesamte nutzbare Potenzial genau erfasst. Einbezogen werden alle erneuerbaren Energieträger: Wasserkraft, Sonne, Biomasse, Umweltwärme, Tiefengeothermie, Wind, industrielle Abwärme. Auf dieser Grundlage konnte das Land Tirol ein schlüssiges Szenario 2050 für den Energiebedarf und die Energiebedarfsdeckung in allen Sektoren entwickeln. Ein wichtiges Instrument bei der Umsetzung der Energiewende.
Ein schlüssiger Entwicklungspfad bei der Wärmeenergie
Wie in Südtirol (geschätzt noch 80.000 fossil beheizte Wohnungen) ist die Dekarbonisierung des Raumwärmebedarfs auch in Nordtirol eine der größten Herausforderungen des Klimaschutzes. Noch nutzen 118.000 Tiroler Haushalte, also rund jeder zweite Haushalt, fossile Energieträger wie Öl und Gas für die Beheizung. Hier setzt man auf Wärmepumpen möglichst in Kombination mit Fotovoltaik, auf den Ausbau des Fernwärmenetzes, auf die Wärmedämmung. In einem „Klimapaket Wohnbauförderung“, in Kraft seit 1.9.2020, wird die Sanierung und der Ausstieg aus Öl und Gas bei der Heizung stark gefördert. Ein „Ökopaket Wohnbauförderung“ umfasst eine Reihe von Maßnahmen für CO2-neutrales Heizen. Besonders wichtig die Erstellung eines Ausstiegsplans aus fossilen Brennstoffen für Raumheizung und Warmwasser im Gebäudebereich. Gefördert wird auch der Ausbau und die Produktion von Wärmepumpentechnologie mit langfristigen Garantien für Förderungen an Private.
Einen besonderen Schwerpunkt legt das Tiroler Klima-Maßnahmenprogramm aufs nachhaltige Bauen durch den Einsatz nachwachsender Roh- und Baustoffe, durch eine „Lebenszyklusbetrachtung“ der Gebäude und mehr Kreislaufwirtschaft im Gebäudebereich. Die kreislauffähige Gebäudekonstruktion soll verbessert, eine „Holzbauquote“ eingeführt werden. Interessant auch die Maßnahmen zur „Sommertauglichkeit“ der Gebäude, die für Südtirol noch relevanter wäre als für Nordtirol, sowie eine Ausbildungsoffensive im Holzbau und beim Einsatz nachhaltiger Baustoffe. Was macht dazu das NOI, was machen unsere Forschungsinstitutionen, was das Land Südtirol?
Mehr Nord-Süd-Zusammenarbeit möglich?
Dies nur einige Beispiele für die laufende Planung und die begonnenen und durchfinanzierten Maßnahmen des Bundeslands Tirols im Klimaschutz, während in Südtirol noch diskutiert wird. Insgesamt bietet das Tiroler Maßnahmenprogramm 2022-2024 „Leben mit Zukunft“ eine Fülle von Maßnahmen, die direkt auf die Südtiroler Realität übertragbar wären, weil wir zahlreiche Ähnlichkeiten in vielen Bereichen vom Verkehr über die Gebäudequalität, Siedlungs- und Wirtschaftsstruktur aufweisen. Das heute vorliegende Arbeitsdokument zum Klimaplan Südtirol 2040 (Teil2) bleibt weit hinter den vor einem Jahr beschlossenen Programmen der Nordtiroler zurück. Man fragt sich, warum Bozen und Innsbruck bei der zentralen politischen Aufgabe des Klimaschutzes nicht enger zusammenarbeiten.
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"Klimaschutz"?!
Ein fragwürdiges Schlagwort.
A) Das Wort "Schutz" passt weder zur ursprünglichen Bedeutung des Wortes Klima: Es bezeichnete in Verwandtschaft zu "[in]clinare" die Neigung bzw. die Neigungswinkel der Erdoberfläche bzw. respektive die Einstrahlungswinkel der Sonne. Z.B. weist die polare Klimazone [!] respektive zum Äquator eine Neigung zwischen 66° 33′ 55″ und ca. 90° auf; wobei hier gilt: "Der Einstrahlungswinkel der Sonne ist mit Höchstständen von 47° an den Polarkreisen bis nur noch 23° an den Polen sehr flach."(Wikipedia)
Demnach beeinflussen die Neigungswinkel im primis die Erwärmung. Und dieses Klima kann ein Mensch wieder schützen noch sonst wie sinnvoll beeinflussen. Wobei die topographischen Neigungen auch eine Rolle spielen, und nur hier der Mensch mit seiner Gestaltungskraft schützende oder schädliche MikroKlimata schaffen kann; abgesehen davon, dass sich das Klima bei der Betrachtung der Präzession der Erdachse bei nüchterner Betrachtung zwangsläufig verändern muss werden, was sich in den letzten 6000 Jahren an der Verschiebung des Monsuns von N-Afrika/S-Russland in Richtung SO Asien durchaus ablesen lässt. Doch die Wissenschaft behandelt die Erde in diesbezüglich wie eine flache.
B) Noch passt das wohlklingende Wort zur bereits relativ abwegigen Definition von "Klima", die vor knapp 100 Jahren geschaffen wurde. Und die heute über Gebühr missbraucht wird. Z.B. von stiftungspolitisch und wirtschaftspolitisch bzw. finanzpolitisch verfilzten Netzwerken rund um die #Grünen und #Christdemokraten (s. Graichen Affäre rund um Habeck; Black Rock usw.)
Weder das eine noch das andere kann der Mensch schützen.
Sehr wohl kann der Mensch seine Umwelt bzw. Topographie sinnvoll schützen und gestalten: weniger Flächenversiegelung, Flurbereinigungen, Monokulturen, industrielle Landbaumethoden, Betonbauten; v.a. aber weniger Sandwegungen nahe der Küsten zwecks Gewinnung von Bausand und weniger Erdbewegungen zur Gewinnung der zahlreichen Tonnen seltener Erden und Metalle, die in nicht recycelbaren Batterien oder Rotatoren der ach so tollen Windräder gebraucht werden...
Doch gerade in Bezug auf Letzteres fördern und fordern die vermeintlichen Umweltschutzparteien eben das Gegenteil (z.B. die bearocksche "Kobold"- Partei der E-MobilitätsanhängerInnen)
In all den genannten Faktoren aber liegt einer der entscheidenden Sprünge im der Erderwärmung wie sie seit den 1970ern zu beobachten ist. Wobei es jedem einigermaßen bodenständigen Menschen einleuchten müsste, dass angesichts einer explosiven Erweiterung von versiegelten Stadtgebieten und flurbereinigten Landwirtschaftsflächen die Thermometer plötzlich innerhalb wachsender Wärmeglocken zu liegen kommen (und daher eigentlich umgesiedelt werden müssten), die sich über den Städten und Feldern bilden, und darum auch (unabhängig jeder CO2 Laborexperimente) quasi notwendigerweise eine ansteigende Erderwärmung anzeigen müssen; quasi zwangsläufig.
Diesbezüglich aber sind die Augen der "KlimaX" Wortschöpfer*innen und PropagandistInnen blind.
Freilich sind auch die Flächenversiegelungen und Siedlungsbauten nicht klimaneutral, aber der ganz große Hammer ist die Emission von Kohlendioxid infolge der Verbrennung fossiler Energieträger, weil es sich infolge des höheren spezifischen Gewichts in tiefen Zonen anreichert - und das ist über dem Meer, das zwei Drittel der Oberfläche des Planeten bedeckt. Die Erwärmung der Ozeane ist sowohl (temperatur)messtechnisch als auch durch den Rückgang der Packeis- und Treibeis- Zonen unbestreitbar belegt. Sie hat aufgrund der physikalischen Gesetzmäßigkeit eine höhere Verdunstung zur Folge, die es bei Kontakt mit kälteren Luftmassen ausregnet. Außerdem kommt es somit zu größeren Temperaturgegensätzen der Luftmassen und damit zu höheren Windgeschwindigkeiten. Im kleinräumigen Bereich sind die nämlichen Effekte bei der Ausbildung von Wärmegewittern zu beobachten. Warme Luft steigt an sonnseitigen Hängen auf und zieht kühlere Luft von der Schattseite mit, kühlt überdies beim Aufsteigen ab.
Die Bedeutung der Treibhausgase für den Klimawandel zu leugnen, ist ein typisches Merkmal der rechten Parteien von den Freiheitlichen / FPÖ/ AfD/ FN bis zu den Republikanern der USA. Alle tun dies im Interesse der Reichen, von denen sie dafür ausgehalten werden wie die Kurz - Truppe in Österreich, deren ganz spezieller Mitwirker Thomas Schmid die treffende Bezeichnung "Hure für die Reichen" geprägt hat.