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Der Sieg des Whistleblowers

Nach der Vorauswahl muss das Land den Wettbewerb für 15 Amtsdirektionen aussetzen. Ein anonymer Hinweisgeber hat eine Unvereinbarkeit in der Prüfungskommission aufgedeckt
Alessandro Urzi hat bereits vor vier Wochen auf den vermeintlichen Skandal aufmerksam gemacht. „Der Wettbewerb für die Amtsdirektoren soll annulliert werden, weil die Vorauswahl nicht so ausgefallen ist, wie geplant war“, erklärte der Landtagsabgeordnete (L’Alto Adige nel Cuore – Fratelli d’Italia) in einer Presseaussendung. Urzì spricht von einem gelenkten Wettbewerb und hat dazu im Landtag auch eine dringende Anfrage gestellt.
Stein des Anstoßes ist ein besonders großer Wettbewerb in der Landesverwaltung. Das Organisationsamt des Landes hat Anfang des Jahres einen Wettbewerb zur Besetzung von gleich 15 Amtsdirektionen ausgeschrieben. Dabei geht es um die Leitungsfunktionen des Ökonomates, des Gehaltsamtes, des Gehaltsamtes für das Lehrpersonal, des Pensionsamtes, des Pensionsamtes für das Lehrpersonal, des Amtes für das Lehrpersonal, des Amtes für Bildungsverwaltung, des Amtes für Weiterbildung, des Amtes für Wohnbauprogrammierung, des Amtes für Wohnbauförderung, des Amtes für Menschen mit Behinderung, des Amtes für Handwerk und Gewerbegebiete, des Amtes für Eisenbahnen und Flugverkehr, des Amtes für Personenverkehr und der Familienagentur.
 
 
Es ist einer der größten Wettbewerbe, den es in der Landesverwaltung je gegeben hat.
Der Wettbewerb besteht aus einer Art zweistufiger Auswahl. Bereits am 21. Februar wurde eine Vorauswahl getroffen. Rund 140 Kandidaten und Kandidatinnen traten an der Uni Bozen zu einer schriftlichen Prüfung an. 40 davon schafften es in dieser Vorauswahl zu bestehen. Sie sollten jetzt am eigentlichen Wettbewerb teilnehmen.
Doch dann setzte die Landesverwaltung plötzlich das gesamte Auswahlverfahren aus.
 

Der Rekurs

 
Alessandro Urzì geht davon aus, dass der Grund dafür die Tatsache ist, dass mehrere geschäftsführende Amtdirektoren, die eigentlich für die Übernahme der Leitungsfunktionen vorgesehen waren, diese Vorauswahl nicht bestanden haben. „Das ist ein absoluter Blödsinn“, heißt es in der Landesverwaltung.
Auf der Homepage der Generaldirektion des Landes wird der offizielle Grund der unüblichen Maßnahme bekanntgegeben. Dort heißt es zum laufenden Wettbewerb: „Wegen eines Rekurses auf unbestimmte Zeit verschoben.“
Was auch stimmt. Denn einer jener Teilnehmer, die die Vorauswahl nicht geschafft haben, hat am 30. Mai 2020 beim Bozner Verwaltungsgericht einen Rekurs gegen seine Nichtzulassung zur mündlichen Prüfung eingereicht. Am Dienstag hat der Richtersenat den Dringlichkeitsantrag behandelt. Das Urteil steht derzeit noch aus.
 
 
 
In Wirklichkeit dürfte der Ausgang dieses Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht für das Auswahlverfahren aber unerheblich sein. Denn die Landesverwaltung hat in diesem Wettbewerb einen formalen Fehler begangen, der so augenscheinlich ist, dass man den gesamten Wettbewerb im Selbstschutzweg längst annulliert hat.
Besonders interessant dabei: Der Schritt erfolgte nach einem anonymen Hinweis eines Whistleblowers.
 

Problem Mathá

 
Vor rund fünf Jahren hat die Südtiroler Landesverwaltung so wie alle öffentlichen Stellen auf der Homepage der Generaldirektion einen elektronischen Briefkasten eingerichtet. Unter dem Link  „Whistleblower (Meldung unerlaubter Handlungen)“ heißt es: „In dieser Sektion können die Bediensteten der Autonomen Provinz Bozen unerlaubte Handlungen melden, von denen sie in Kenntnis gekommen sind.
Genau das hat ein anonymer User unmittelbar nach der Vorauswahl bei diesem Wettbewerb auch getan. Der bestens informierte Hinweisgeber hat dabei auf ein Detail im Wettbewerb verwiesen, das einem klaren Gesetzesverstoß gleichkommt.
Denn bei der Zusammensetzung der Prüfungskommission hat man einen Kapitalfehler gemacht.
Als Prüfungskommission wurden per Dekret des Landeshauptmannes für die Vorauswahl drei Personen eingesetzt: Virna Bussadori, Direktorin der Abteilung Natur, Landschaft und Raumentwicklung, Landesmusikschuldirektor Felix Resch und der Direktor der Vergabeagentur Thomas Mathá. Für den eigentlichen Wettbewerb sollten diese drei Personen dann noch durch den Generaldirektor der Landesverwaltung Alexander Steiner und dem Direktor der Personalabteilung Albrecht Matzneller verstärkt werden.
Zum Vorsitzender der Prüfungskommission wurde Thomas Mathá ernannt. Und genau bei ihm liegt das Problem. In einem öffentlichen Wettbewerb sind laut den geltenden Staatsgesetzen, aber auch nach den Landesgesetzen ein politisches Mandat sowie eine leitende Funktion in einer Gewerkschaft mit der Mitgliedschaft in der Prüfungskommission unvereinbar. Man geht davon aus, dass der Gewerkschaftsfunktionär nicht wirklich neutral und unparteiisch urteilen kann.
Doch genau hier liegt das Problem. Denn Thomas Mathá ist nicht nur ein Verwaltungsexperte, er ist auch der Präsident der Gewerkschaft für Führungskräfte und Techniker/-innen der öffentlichen Körperschaften in Südtirol“ (DIRAP).
 
 
Die Berufung vom Thomas Mathá ist deshalb laut geltenden Bestimmungen widerrechtlich. Was das Ganze aber noch absurder macht: Im Dekret mit dem dieses Auswahlverfahren für die 15 Amtdirektionen ausgeschrieben wurde, wird der Passus auf dem die Unvereinbarkeit fußt explizit zitiert.
Wir haben die Sachlage analysiert und sind zum Schluss gekommen, dass die Rechtslage hier nicht eindeutig ist“, widerspricht Generaldirektor Alexander Steiner dieser Auffassung. Man habe bisher in der Landesverwaltung diese Bestimmung, die es seit 2001 gibt, noch nie angewandt.
Doch das könnte zu einem größeren Problem führen. Thomas Mathá war nicht das erste Mal Mitglied oder Vorsitzender einer Prüfungskommission des Landes. Was passiert, wenn jetzt weitere Rekurse folgen?
Alexander Steiner sieht das Ganze eher gelassen. „Wir schauen uns jetzt einmal an, wie die Richter das sehen“, sagt der oberste Personalchef der Landesverwaltung, „dann werden wir entscheiden“.
Ein hoher Jurist im Landesdienst sieht das deutlich anders: „Es ist ein klar, dass diese Prüfungskommission so nicht den Bestimmungen entspricht“.
Dass die Landesverwaltung nicht besten Karten in der Hand hat, zeigt auch die Tatsache, dass man das Auswahlverfahren vorerst ausgesetzt hat.
Allein das dürfte für den Whistleblower in der Landesverwaltung schon ein Sieg sein.
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m s Mi., 24.06.2020 - 08:05

Unverständlich und wenig professionell kommt mir vor, vielmehr als die Unvereinbarkeit mit der Gewerkschaft, dass so unterschiedliche Fachbereiche wie Wohnbauförderung, Handwerk, Eisenbahnen usw. in einem einzigen Wettbewerb ermittelt werden sollen. Wie soll das funktionieren? Wie will man da die besten Experten im jeweiligen Fachbereich finden?

Mi., 24.06.2020 - 08:05 Permalink
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Elisabeth Garber Mi., 24.06.2020 - 08:52

Antwort auf von m s

Es geht vor allem darum, dass 'installierte' Personen möglichst wenig Probleme machen und das Amt verwalten - weniger darum mit Expertenwissen das jeweilige Resort zu gestalten. Das kristallisiert sich immer wieder heraus, nicht nur in Südtirol, überall.

Mi., 24.06.2020 - 08:52 Permalink