Wirtschaft | Arbeitsbedingungen

Gegen Ausbeutung in der Landwirtschaft

4 von 10 landwirtschaftlichen Produkten in Italien werden sozial nicht nachhaltig erwirtschaftet. FARm kämpft gegen Arbeitsausbeutung in dem Sektor – auch in Südtirol.
Gemüse
Foto: Pexels/Ella Olsson

Wenn von Ausbeutung in der Landwirtschaft die Rede ist, denken viele an die zahlreichen Schwarzarbeiter auf den süditalienischen Feldern. Doch so einfach ist es nicht: Ausbeutung hat viele Gesichter und betrifft zahlreiche Länder. Susanne Elsen, Professorin der Universität Bozen, führt die Problematik auf die kapitalistische Ausbeutung in der Landwirtschaft, die eng mit den Dumping-Konditionen des Weltmarkts und der Macht großer Lebensmittelkonzerne zusammenhängt, zurück.

„Es gibt selbst bei legalen Arbeitsverhältnissen unterschiedlichste Formen der Arbeitsausbeutung – von menschenunwürdigen Unterkünften über fehlende Ruhetage bis hin zu finanzieller Ausbeutung und illegaler Vermittlung“, so Elsen. 39 Prozent, also mehr als ein Drittel, aller Arbeitsverhältnisse in der italienischen Landwirtschaft verstoßen gegen die rechtlichen Vorschriften. Zu diesem Ergebnis ist die CGIL-Beobachtungsstelle Placido Rizzotto in ihrem Bericht über die Agromafia und die Ausbeutung in Italiens Landwirtschaft gekommen. Denn nachhaltige Landwirtschaft beruht auf ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Prinzipien. 

 

Das Projekt FARm

 

Mit dem Projekt FARm (Modello di Filiera dell’Agricoltura Responsabile) wollen vier italienische Universitäten gemeinsam mit öffentlichen und privaten Partnern in den Regionen Trentino-Südtirol, Veneto und Lombardei Präventionsarbeit leisten, Vorzeigeprojekte bekannt machen und ein Netzwerk mit allen Stakeholdern knüpfen. Ziel ist es, ein wirksames Netzwerk zu schaffen, Probleme zu erkennen und gemeinsam den Weg zur Qualitätsproduktion einzuschlagen, wofür auch die soziale Nachhaltigkeit fundamental ist.

 

An dem zweijährigen Forschungsprojekt beteiligt sich auch die Freie Universität Bozen, genauer gesagt, die Fakultät für Bildungswissenschaften. Susanne Elsen und die Forscherinnen Sara Franch und Franca Zadra arbeiten für das Projekt mit der Vereinigung „La Strada/der Weg“ zusammen. Das Projekt ALBA, das sich mit Ausbeutung aller Art beschäftigt, wurde um diesen Interventionsbereich erweitert. Insgesamt hat das Projekt ein Budget von 3,3 Millionen Euro

 

Die Situation in Südtirol

 

Alle bisherigen Erkenntnisse deuten laut den beiden Forscherinnen Franch und Zadra darauf hin, dass das Phänomen der Ausbeutung und illegalen Vermittlung landwirtschaftlicher Arbeitskräfte hierzulande weniger stark ausgeprägt ist als in anderen Teilen Italiens. Susanne Elsen führt das auf die geografische Größe Südtirols zurück. Die Kleinräumigkeit des Landes und die dadurch entstehende Vernetzung der Landwirte habe den Vorteil, dass sich niemand mehr prekäre Arbeitsbedingungen leisten wolle. Zu einem Umdenken habe auch der Mangel an Arbeitskräften geführt. „Jeder Landwirt hat großes Interesse daran, dass Erntehelfer, die bereits eingelernt sind, in der nächsten Saison wiederkommen.“ Laut Elsen hat die Wohlstandsentwicklung in Osteuropa die Situation verändert. Denn kamen vor Jahren die meisten ausländischen Arbeitskräfte aus Polen und der Tschechischen Republik, so arbeiten mittlerweile großteils Rumänen als Erntehelfer.

Genauere Ergebnisse sollen die Erhebungen liefern, die seit dem Projektstart in der ersten Jahreshälfte in Form von Interviews mit verschiedensten Stakeholdern wie Gewerkschaften, Südtiroler Bauernbund, Raiffeisenverband Südtirol, Landesämtern oder Ordnungskräften geführt werden.