Politik | Gastbeitrag

Nicht mehr „blockfrei“?

Manche SVP-Größen biedern sich wieder der italienischen Rechten an
SVP
Foto: Salto.bz
Lotet SVP-Europaparlamentarier Herbert Dorfmann für die Rechtskonservativen in der Volkspartei neue alte Partner aus? Wie anders ist seine Aussage auf Rai-Südtirol über das – politisch gewollte - Scheitern der Regierung Draghi zu verstehen? Dorfmann findet die Kritik als ein Hochspielen eines Problems.
Sebastian Unterberger fragte zurecht auf salto, für wen Dorfmann redet. Dafür gibt es eine schnelle Antwort. Für die Ebner-Brüder, die sich bei der Lega gut aufgehoben fühlen. Die Vize-Vorsitzende des zuständigen Gesetzgebungs-Ausschusses der Abgeordneten-Kammer, Giorgia Andreuzza von der Lega, verhinderte erfolgreich gleich zwei Versuche des Senators Gianclaudio Bressa, das Athesia-Monopol in Trentino und in Südtirol aufzubröseln. Nach den letzten Landtagswahlen schrieb die Tageszeitung Dolomiten die Landesregierungs-Koalition aus SVP und Lega regelrecht herbei. Die Lega zeigte sich dankbar und berief Athesia- und Handelskammer-Direktor Michl Ebner als Vertreter des italienischen Staates in die Autonomie-Kommissionen.
Es ist auch kein Geheimnis, dass SVP-Senator Meinhard Durnwalder der Lega und Forza Italia nahesteht. Wie schon seine Vorgängerin aus dem Pustertal, Helga Thaler-Außerhofer. Sie fühlte sich offensichtlich wohler in der „area“ Berlusconi, Steuersenkungen, schlanker Staat, die Autonomie als Selbstbedienungsladen der Elite. Südtirol, ein Oligarchenstadel.
Sebastian Unterberger fragte zurecht auf salto, für wen Dorfmann redet. Dafür gibt es eine schnelle Antwort. Für die Ebner-Brüder, die sich bei der Lega gut aufgehoben fühlen.
Silvio Berlusconi und seine Forza Italia stehen dem kriegsführenden russischen Präsidenten Putin nahe, Lega-Chef Salvini tauchte immer wieder bei Kundgebungen der neofaschistischen Casa Pound-Kameradschaft auf, auch er ein überzeugter Fan von Putin und ein erklärter Gegner der EU. Salvini agiert mit Rechtsradikalen wie Le Pen, Herbert Kickl und Alice Weidel gegen die EU. Dorfmann fühlt sich dorthin gezogen?
Als in den 1990er Jahren die Christdemokraten im tangentopoli-Sumpf untergingen, stand die SVP plötzlich ohne Partner da. Während Mittelinks, Stichwort Prodi, eine autonomiepolitische Zusammenarbeit anbot, suchten Doppelreiher-Träger in der SVP andere Alliierte. Unter dem Leitmotiv „blockfrei“. Und blockfrei stand und steht für Rechts. Zuerst Forza Italia, dem Wahlverein von Silvio Berlusconi, der inzwischen zu einer Randerscheinung geschrumpft ist und trotzdem in der Lage war, Mario Draghi als Ministerpräsidenten abzuschießen. Nach FI nun die Lega. Die Salvini-Lega verabschiedete sich aber von der alten föderalistischen Umberto Bossi-Formation und bietet sich zwischen Brenner und Punta Passero als stramme nationalistische Partei an. Aber auch Bossi war Koalitionspartner in einer Regierung, in der die Mussolini-Erben von Alleanza Nazionale saßen.
 
 
 
Diese Zusammenarbeit mit den italienischen Rechten gibt es auch in den Gemeinden, in Leifers, in Meran, dort können die SVP und die italienischen Rechtsparteien offensichtlich gut miteinander. Auch in Bozen liebäugelten manche SVPler mit dem – angeblichen – Mitte-Rechts-Bündnis, sie schielten ungeniert nach rechts. Offenbar eine alte Südtiroler Tradition, rechts andocken zu wollen.
Werden die Umfrage-Daten zu realen Wahlergebnissen, werden wohl Giorgia Meloni und ihre rechtsradikalen Fratelli d´ Italia zur stärksten Partei im Parlament. Im Bündnis mit der Lega und den Resten von Forza Italia. Meloni trat bereits mit 15 Jahren in die Fronte della Gioventù bei, der Jugendorganisation des neofaschistischen MSI. Sie war in der MSI-Nachfolgepartei Alleanza Nazionale aktiv, verließ mit weiteren Kameraden 2012 die Berlusconi-Partei Popolo della Liberta´ und gründete die Fratelli d´Italia. Die deutsche Wochenzeitung WOZ schreibt, seitdem gilt Meloni als Hoffnungsträgerin der italienischen Faschisten.
Selbstbedienungsladen der Elite. Südtirol, ein Oligarchenstadel.
Meloni ist seit ihrer Wahl 1998 ins Provinzparlament von Rom für Alleanza Nazionale ein Vierteljahrhundert in der Politik. Sie stellt sich trotzdem als neues Gesicht der italienischen Politik vor, mit Ansichten aus der ideologischen Mottenkiste oder Rumpelkammer. Mit dem Sturz von Mario Draghi wird für Giorgia Meloni das Projekt italienische Regierung real. Die Hoffnungsträgerin der italienischen Faschisten, künftig Bündnispartnerin der SVP?
 
 
 
Hat die SVP zum 50. Geburtstag des Zweiten Autonomiestatuts ihren autonomistischen Kampf ad acta gelegt? Rechts steht nicht für Autonomie. Von den 1992 bis 2021 erlassenen 88 Durchführungsbestimmungen wurden 53 von Mitte-Links-Regierung genehmigt, die restlichen 25 waren nur technische Anpassungen.
Um was geht es dann? Um ungeschminkte und rücksichtslose Interessenspolitik?  Manche Verbände möchten der „Politik“ diktieren, also den gewählten VolksvertreterInnen, wo es lang zu gehen hat. Stichwort Bettenstopp oder Raumordnung.
Um was geht es dann? Um ungeschminkte und rücksichtslose Interessenspolitik?  Manche Verbände möchten der „Politik“ diktieren, also den gewählten VolksvertreterInnen, wo es lang zu gehen hat. Stichwort Bettenstopp oder Raumordnung.
Zurück zum Anfang. Herbert Dorfmann wurde 2009 und 2014 in einer Listenverbindung mit dem Partito Democratico für die SVP in das Europaparlament gewählt. Trotzdem war Dorfmann immer Mitglied der Fraktion der Europäischen Volkspartei. Großzügiger PD.
Bei den letzten Europawahlen wechselte die SVP zu Forza Italia, im Schlepptau der PATT und die slowenische Liste slovenska skupnost. Zwei Feigenblätter um abzulenken, für was Forza Italia steht. Einer der FI-Macher, Antonio Tjani, erklärte, der faschistische Diktatur Mussolini hat „auch positive Dinge getan“, nämlich Straßen, Brücken, Gebäude und Sportanlagen gebaut. FI-Übervater Silvio Berlusconi findet Mussolini gar als den größten Staatsmann Italiens. Weichspülung eines Kriegsverbrechers.
Eine erneute – wie auch immer geartete „technische“ Listenverbindung – mit Forza Italia für die Europawahlen kann nicht losgelöst werden von den beiden anderen Rechts-Partnern Lega und Fratelli d´Italia. Für wen spricht Herbert Dorfmann, war die Fragen von Sebastian Unterberger. Für sich und für die Neuauflage des Wahlbündnisses mit der italienischen Rechten.
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Sebastian Felderer So., 24.07.2022 - 09:44

Ja, diese Analyse hat Kopf und Fuß und sollte vielen Südtirolern die Augen öffnen, sofern nicht ein Brett davor genagelt ist. Seit dem MSI in Bozen ist einige Zeit vergangen, aber geändert hat sich nicht viel, auf italienischer Seite. Auf Südtiroler Seite am ehesten, dass sich unsere Politiker nicht mehr schämen, der äußersten Rechten und somit dem Faschismus zu huldigen und diese für den eigenen Machterhalt zu benützen. Man schwingt die Autonomiefahne, aber das "Ende der Fahnenstange" ist ganz ein anderes. In einem Land, wo ein Medienkoloss die Politik regiert, ist der Sprung zum Faschismus nicht mehr weit. Kanonikus Gamper wird seinen Segen von oben dazu geben. Kennen Sie den Unterschied zwischen Kommunismus und Kapitalismus: Im Kommunismus diktiert die Politik die Wirtschaft, im Kapitalismus ist es genau umgekehrt.

So., 24.07.2022 - 09:44 Permalink
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Hartmuth Staffler So., 24.07.2022 - 12:48

Der Kanonikus, der mit knapper Not dem KZ entkommen ist, gibt ganz gewiss nicht seinen Segen, von wo auch immer, wenn "seine" Verlagsanstalt mit dem Faschismus liebäugelt. Im Gegenteil, er wird im Grab rotieren, aber das stört die Betreffenden nicht.

So., 24.07.2022 - 12:48 Permalink
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Josef Fulterer Mo., 25.07.2022 - 05:36

Antwort auf von Dietmar Nußbaumer

Den einfältigen, nur auf ihr persönliches ganz oben Schwimmen fixierten, scharf Rechts-lastigen und Gewissen-losen SVP-Armleuchtern, fehlt wohl die Geschichtskenntnis der 1920 und 30er Jahre in Südtirol und über das schreckliche Unheil, das die grausliche braune Suppe in Abessinien und mit dem zweiten Weltkrieg angerichtet hat!

Mo., 25.07.2022 - 05:36 Permalink
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Herta Abram Mo., 25.07.2022 - 07:24

Schwierige Situation für die SVP. Aber auch für uns alle!
Die Einstellung, die politische Richtung und Gesinnung, welche sich jeder/unserer politischen VertreterIn zugehörig fühlt, wird nun deutlich erkennbar werden. Opportunisten die sich bedenkenlos jeder Lage anpassen wollen, werden als unglaubwürfig entlarft.....

Ich beneidede unseren LH nicht! Wünsche Ihm politisches Geschick und die Möglichkeit integre Politik zu machen.

Von den Rückgratlosen
innerhalb unserer politischen Zunft, - übrigens wünsch ich mir dies auch vom größten Teil der Gesellschaft, - wünsch ich mir, dass sie erkennen was ein "fauler Kompromiss" ist und wo damit inakzebtales, moralisches Übel akzeptiert würde.
Z.B.: Wie weit könnte ein Pakt mit (der Gewissenlosigkeit) von Salvini, Berlusconi und Meloni, gerechtfertigt werden?

Mo., 25.07.2022 - 07:24 Permalink
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Dietmar Nußbaumer Mo., 25.07.2022 - 21:18

Interessant, gelinde geschrieben, allemal, wenn man Parteistatut und die Geschichte der Partei mit dem Istzustand eines Teils (leider eines mächtigen) der Partei beobachtet.
Liegt noch bei mir auf dem Schreibtisch: 100 Jahre Ringen um Gerechtigkeit - 50 Jahre Zweites Autonomiestatut - 30 Jahre Friede und Sicherheit (herausgegeben von der SVP, und auch lesenswert).
So gesehen sieht das etwas nach Verarsche aus. Die Basis sollte sich ihre Partei zurückerobern.

Mo., 25.07.2022 - 21:18 Permalink
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Martin Sitzmann Di., 26.07.2022 - 11:50

Antwort auf von Dietmar Nußbaumer

Die Rückeroberung wird leider nicht gelingen. Denn die Berufspolitiker beherrschen die Kunst, die Amateurpolitiker gegeneinander aufzuhetzen, genauso meisterlich wie sie die Kunst beherrschen, Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufzuhetzen. Die Medien spielen da leider oft eine ziemlich unrühmliche Rolle.
Was wir derzeit erleben, ist erst der klitzekleine Beginn des umfassenden Verteilungskampfes der nächsten Jahre/Jahrzehnte.

Di., 26.07.2022 - 11:50 Permalink