Wirtschaft | Stromsektor

Sarner Kuriositäten

Karl Pichler ist überrascht vom Rekurs des Bürgermeisters gegen die Neuvergabe der SEL-Konzessionen. Und die Bürgerliste erhebt schwere Vorwürfe im Weidegrund-Streit.

Im Sarntal geht es dieser Tage hoch her. Die Gemeinde wird von einem kampfeslustigen Bürgermeister regiert, der keinerlei Scheu vor rechtlichen Schritten und Konsequenzen zu haben scheint. Im Gegenteil, gleich an zwei Fronten fährt Franz Thomas Locher derzeit eine harte Schiene. Von einem kuriosen Rekurs und einer furiosen Bürgerliste.


Kurioser Rekurs

Es schien Ruhe eingekehrt zu sein im Südtiroler Stromsektor. Mit der Neuzuweisung der Konzessionen für insgesamt zwölf Kraftwerke, die unrechtmäßig an die SEL gegangen waren, schien der Skandal beendet. Doch nun droht der Strom-Frieden gestört zu werden. Denn die Gemeinde Sarntal hat beschlossen, gegen den Beschluss der Landesregierung, eigenmächtig die Konzessionen neu vergeben, beim Wassermagistrat in Rom Rekurs einzulegen. Bei ihrem Vorgehen hatte sich die Landesregierung bekanntlich auf ein Gutachten ihres Beraters Giuseppe Caia gestützt. In diesem empfohl der Rechtsexperte die Annullierung der Konzessionsvergabe, die Neubewertung der Projekte sowie die anschließende Neuzuweisung durch die Landesregierung. Diese folgte dem Rat Caias und zeigte sich erleichtert, als Landeshauptmann Arno Kompatscher Ende März verkündete, “einen Schlussstrich” unter den SEL-Skandal gezogen zu haben.

Einen speziellen Fall stellte das Kraftwerk St. Anton dar. Über viele Jahre zog sich der Kampf der Eisackwerk GmbH gegen die 2009 erfolgte Konzessionsübertragung an die SEL hin. Anfang dieses Jahres schaffte man es schließlich, sich mit dem Land zu einigen. Die Landesregierung annullierte am 3. Februar ihren Beschluss, mit dem das Kraftwerk St. Anton an die SEL-Tochter SE Hydropower GmbH gegangen war. Gleichzeitig sprach sie die Konzession der Eisackwerk GmbH zu. Am 21. April ging das Kraftwerk endgültig an die Eisackwerke über. Durch ihr Einlenken vermochte die Landesregierung, den Gang vor Gericht zu verhindern. Wenn das Wassermagistrat nun aber dem Rekurs der Gemeinde Sarntal stattgibt, könnte sich das schlagartig ändern.

Karl Pichler (links) mit Hellmuth Frasnelli (rechts). Foto: Foto Seehauser

“Die Landesregierung war nicht befugt, ihren eigenen Beschluss zu widerrufen”, begründet der Sarner Bürgermeister Franz Locher gegenüber der Tageszeitung seinen Vorstoß. “Die Neuzuweisung ist nicht rechtmäßig, die Konzession hätte auf jeden Fall neu ausgeschrieben werden müssen.” Daher habe der Sarner Gemeindeausschuss auf seine Initiative hin den Gang vor das Wassermagistrat beschlossen. Einer, der sich über das Vorgehen des Ausschusses wundert, ist Karl Pichler. Auf Nachfrage von salto.bz berichtet der Miteigentümer der Eisackwerk GmbH: “Der Rekurs ist natürlich auch bei uns angekommen und klarerweise hat ein jeder ein Recht darauf, wenn er der Meinung ist, nicht zu seinem Recht gekommen zu sein. Aber wir finden die Sache doch ziemlich kurios.” Pichler kann sich keinen Reim auf die Initiative von Franz Locher machen. “Die Frage nach dem Sinn und Zweck des Rekurses müssen Sie dem Bürgermeister schon persönlich stellen”, sagt Pichler. Doch Locher war kurzfristig für salto.bz nicht zu erreichen.


“Der Gemeinde entgehen keine Gelder”

Einen Hinweis auf den Hintergrund für die Anfechtung liefern die Beschlüsse des Gemeindeausschusses, in denen der Rekurs begründet wird. Es geht um die Sicherstellung der Umweltgelder für die Gemeinde Sarntal. Diese sei durch die Neuzuweisung der Konzession an die Eisackwerke gefährdet, in der Gemeinde fürchtet man sich vor finanziellen Einbußen. Dabei hatte Landeshauptmann Kompatscher bereits im März angekündigt, dass durch die neuerliche Vergabe die betroffenen Gemeinden auf keinerlei Gelder verzichten müssten. Die von der SEL nach oben korrigierten Umweltgelder sollten auch von den neuen Konzessionären weiterhin ausgezahlt werden – in den Gemeinden hatte man ja bereits fix damit gerechnet. “Es stimmt nicht, dass der Gemeinde Sarntal Geld durch die Finger geht”, betont auch Karl Pichler. “Und der Bürgermeister weiß das, er war schließlich bei den Gesprächen zur Verteilung der Umweltgelder dabei.” Im Gegenteil – Sarntal würde laut Pichler sogar von der Neuzuweisung profitieren. “Die Gemeinde erhält von uns ein Vielfaches der Umweltgelder, die die SEL vorgesehen hatte – bis zu 60 Prozent mehr schaut für sie selbst heraus”, unterstreicht Pichler.

Laut Hochrechnungen der Eisackwerk GmbH werde man über die Dauer der Konzessionslaufzeit insgesamt 100 Millionen Euro an Umweltgeldern auszahlen. Mehr als das Doppelte von dem, was der ursprüngliche Wettbewerbssieger SEL geboten hatte. “Die Gemeinde Sarntal steht also viel viel besser als vorher da”, so Pichler. “Komisch” kommt ihm auch der Zeitpunkt der Anfechtung vor. “Wenn die Gemeinde einen Rechtsanspruch hätte geltend machen wollen, dann hätte sie den Rekurs bereits vor einiger Zeit stellen können”, ist Pichler der Meinung. Doch jetzt, wo laut Energielandesrat Richard Theiner “die Rechtssicherheit wieder hergestellt” worden ist, ist auch für Karl Pichler der Schritt “nicht nachvollziehbar”.


Mit Füßen getretene Demokratie

Verwunderung herrscht dieser Tage auch bei der Sarner Bürgerliste. “Wir wollen einen Streit schlichten und der Bürgermeister will wiederum einen neuen vom Zaun brechen”, so Fraktionssprecher Heinrich Astner in einer Aussendung. Es geht um einen Streit um 30 Hektar Weidegrund zwischen der Gemeinde Sarntal und den Bauern dreier Fraktionen. Diese fordern Weidegründe zurück, die laut den Betroffenen im Jahr 1927 von den Faschisten zwangsenteignet worden sind. Die Gemeinde Sarntal hatte sich bislang der Überschreibung verwehrt. Auch der Gang der Landwirte vor das Verwaltungsgericht war erfolglos geblieben. Laut der Bürgerliste Sarntal habe Franz Locher das Vorgehen der Bauern als “unseriös” bezeichnet. Er glaube, dass sie die Gründe nicht aus landwirtschaftlichem Interesse zurück fordern, vermuten die drei Gemeinderäte der Bürgerliste. Nun wollen die betroffenen Bauern das Urteil beim Staatsrat anfechten.

“Die Bürgerliste Sarntal bedauert dies”, so Astner. Am 15. August hat er daher gemeinsam mit den beiden anderen Gemeinderäten der Liste einen Beschlussantrag an den Gemeinderat gerichtet, mit dem Vorschlag, in diesem Rechtsstreit ein Mediationsverfahren und eine einvernehmliche Lösung beider Streitparteien anzustreben und den Gerichtsstreit zu beenden. “Der Gemeinderat sollte diesem Beschlussantrag zustimmen, dass nicht ein von Bauern vorgeschlagener und gewählter Bauernbürgermeister als Verteidiger faschistischen Unrechts in die Sarner Gemeindegeschichte eingehen muss”, heißt es gegen Ende des Antrags. Prompt die Antwort des Bürgermeisters:

Das Antwortschreiben von Franz Locher vom 2. September.

“Diese Haltung ist gerade in diesem Zusammenhang paradox”, bewertet Astner das Schreiben von Franz Locher. Den Beschlussantrag hat die Bürgerliste nicht zurück genommen. Und doch scheint er von der Bildfläche verschwunden. Denn auf der Tagesordnung der kommenden Ratssitzung am 30. September ist keine Spur davon zu finden. In den Reihen der Sarner Bürgerliste findet man klare Worte:

Dies widerspricht unmissverständlich dem Art. 13, Absatz 7 der Geschäftsordnung des Gemeinderates, laut welcher ein Beschlussantrag nicht dem Begutachtungszwang unterliegt und auf die Tagesordnung der nächstfolgenden Ratsitzung gesetzt werden muss. Auch müssen die Räte der Sarner Bürgerliste feststellen, dass der Generalsekretär Dr. Andreas Fraccaro seinem Auftrag, für die rechtlich korrekte Abfassung der Tagesordnung und die Einhaltung der Geschäftsordnung, nicht nachgekommen ist.

Daher werde man nun seinerseits rechtliche Schritte gegen Bürgermeister Franz Locher und den Generalsekretär Dr. Andreas Fraccaro einleiten, “damit auch im Sarntal die einschlägigen Gesetze eingehalten werden und die Demokratie nicht mit Füßen getreten wird.”