Gesellschaft | Autonomiekonvent

Am Ende ein Anfang

Mit der Verlesung der Arbeitsergebnisse ist der Autonomikonvent beendet. “Die Zeit wird zeigen, ob es gut war”, sagt Elisabeth Alber von der EURAC.
Ergebnisse Autonomiekonvent
Foto: Salto.bz

Feierstimmung wollte am Freitag Nachmittag keine so recht aufkommen im Südtiroler Landtag. Nun gut, die Veranstaltung, die dort stattfand, war offiziell nicht als “Abschlussfeier” angekündigt worden, sondern ganz steril als “Abschlussveranstaltung”. Wer sich eine volle Zuschauertribüne, ein Aperitif im Foyer oder gar einige beflügelnde Worte des Landeshauptmannes erwartet hatte, wurde enttäuscht. All das hatte es bei der Auftaktveranstaltung an einem Samstag Vormittag im Jänner 2016 gegeben. 19 Monate später war es Landtagspräsident Roberto Bizzo überlassen, um kurz vor 17.30 Uhr das Ende des Autonomiekonvents zu verkünden.

“Zumindest sind die hier, die es interessiert”, kommentierte einer der anwesenden Landtagsabgeordneten, die der Abschlussveranstaltung beiwohnten. Allzu viele waren es nicht. Spät versandte Einladungen und die Terminwahl an einem Freitag Nachmittag dürften die Motivation der Mitglieder des Forum der 100 und des Konvent der 33 nicht zusätzlich befeuert haben, in den Landtag zu pilgern. Dabei ging es um sie, um ihr Engagement, um ihre Visionen.
Eineinhalb Jahre lang haben Bürger, Vertreter von Interessengruppen und der Politik an Zukunftsideen für Südtirols Autonomie gearbeitet, gemeinsam diskutiert, gestritten und reflektiert. Zwölf Open Spaces machten den Anfang, es folgten Vereinsgespräche bis schließlich die 100 und die 33 die Arbeiten aufnahmen. In acht thematischen Arbeitsgruppen sammelten die Mitglieder des Forum der 100 Vorschläge und Empfehlungen für ein überarbeitetes Autonomiestatut. Die Sprecher der Arbeitsgruppen trugen die Positionen, die großteils im Konsens gefunden wurden, am Freitag vor. Einzig die Vorstellungen in der Arbeitsgruppe 3, “Kultur, Bildung, Toponomastik” gingen zwischen “Experimente im Schulsystem bringen keinen kulturellen Mehrwert” bis “die Zeit ist mehr als reif für eine mehrsprachige Schule” derart auseinander, dass zwei Untergruppen gebildet wurden. Einen eindringlichen Appell an die anwesenden Landtagsabgeordneten richtete die Sprecherin der Arbeitsgruppe 5, “Nachhaltigkeit (Umwelt), Wirtschaft, Forschung, Arbeit”, Kathrin Pichler an die anwesenden “und künftigen” Landtagsabgeordneten. Der Autonomiekonvent war bekanntlich als beratendes Hilfsorgan für den Landtag ins Leben gerufen worden, an dem es liegen wird – im besten Fall auf Basis der erarbeiteten Dokumente – einen Gesetzentwurf für die Überarbeitung des Autonomiestatuts auszuarbeiten.Nutzt die Ergebnisse, steckt sie nicht in die Schublade und bedenkt, dass viele Ideen von unten kommen!”, so Kathrin Pichler. “Wir sind nicht am Ende, sondern erst am Anfang.”

Nach der Präsentation der Ergebnisse aus dem Forum der 100 waren die Mitglieder des Konvent der 33 an der Reihe. 27 Sitzungen haben sie hinter sich, das Ergebnis: 5 Dokumente – ein mehrheitlich beschlossenes und 4 Minderheitenberichte. Die Verfasser der Minderheitenberichte (Roberto Toniatti war am Freitag entschuldigt abwesend) verlasen ihre Papiere, was den Anwesenden einiges an Sitzfleisch abverlangte. Nach und nach leerte sich die Pressetribüne, die Aufmerksamkeitsspanne im Sitzungssaal des Landtages sank zusehends. Der eine oder die andere nutzte die Gelegenheit für ein Erinnerungsfoto oder ein Selfie aus dem Sitzungssaal des Landtages – die verlesenen Dokumente waren ohnehin vor Beginn der Veranstaltung in Papierform ausgehändigt worden und man konnte praktisch Wort für Wort mitlesen. Das galt auch für das Abschlussdokument des Konvent, das Christian Tschurtschenthaler und Edith Ploner als Vertreter des Präsidiums vortrugen. Knapp drei Stunden dauerte die Präsentation der Arbeitspapiere, dann ging das Wort an die beiden EURAC-Vertreter Marc Röggla und Elisabeth Alber. Die EURAC hat den gesamten Prozess wissenschaftlich begleitet. Das Besondere am Autonomiekonvent sei, erklärte Röggla, “dass es sich dabei um einen partizipativen Prozess auf subnationaler Ebene mit Minderheitencharakter handelte – es gibt kaum vergleichbare Prozesse weltweit.” Ein Experiment, bei dem keine Vorgaben gemacht wurden, sondern die Teilnehmer selbst bestimmen konnten, über welche Themen sie diskutieren wollten. “Das Argument, bestimmte Gruppen hätten die Arbeiten und Themenwahl dominiert, kann ich entkräften”, so Röggla. Dieser Eindruck sei vor allem durch die Berichterstattung der Medien entstanden, im Abschlussdokument seien aber alle Themen gleich vertreten, betonte der EURAC-Forscher, der noch keine reflektierte Analyse des eineinhalbjährigen Prozesses wagte: “Das Ergebnis sollte jedenfalls Gehör finden”, so Rögglas erstes Fazit.

615 Tage nach dem Startschuss ist der Vorhang nun also gefallen. Knapp 2.000 Einzelpersonen und 60 Vereine, vor allem deutschsprachige, haben sich am Autonomiekonvent beteiligt, der über 350.000 Euro gekostet hat. Ob das Ergebnis gut war, werde erst die Zeit zeigen, meinte Elisabeth Alber. Die Vorschläge aus dem Autonomiekonvent hätten jedenfalls noch einen langen Weg vor sich, der über Trient und den Regionalrat nach Rom führe.
Sofern der politische Wille da ist. Es ist ungewiss, ob sich eine Einigung auf ein gemeinsames Papier mit den Trentinern finden lassen wird. Nicht nur in Südtirol, sondern auch im Trentino selbst gibt es Zweifel, ob man in Rom mit einer Stimme vorsprechen können wird, um das Parlament zu überzeugen, grünes Licht für ein modernisiertes Autonomiestatut zu geben. Zunächst sollen sämtliche Vorschläge aus dem Autonomiekonvent einer Gruppe von “Fachleuten” übergeben werden, einer Expertengruppe, die das Landtagspräsidium bestellt. “Sie werden einen Text erarbeiten, über den schließlich der Landtag befinden wird”, kündigte Landtagspräsident Bizzo am Freitag an. Nicht einverstanden damit ist Riccardo Dello Sbarba: “Die Sache sollten wir schnellstens in einer Fraktionssprechersitzung klären.”
Ja, der Weg ist noch lang. Doch bei allem politischen Geplänkel lohnt es sich, immer wieder einen Blick zurück zu werfen und sich das freiwillige Engagement, das Interesse und den Willen der vielen Bürgerinnen und Bürger, an der Zukunft unserer Autonomie mitzubauen, vor Augen zu führen. Sie sollten nicht enttäuscht werden.