Umwelt | Pestizidprozess

Absurdes Naturnser Theater

Am Freitag geht am Bozner Landesgericht der Prozess gegen Karl Bär weiter. Wer aber ist der letzte verbliebene Kläger, der sogar zwangsvorgeführt werden muss?
"Pestizidprozess"
Foto: Umweltinstitut München e.V.
Dieser Prozess wird immer absurder: Der einzige Mensch, der dieses Verfahren noch aufrechterhält, muss von der Polizei zum Gericht gebracht werden, damit er endlich erklärt, worin denn überhaupt die üble Nachrede bestehen soll“, sagt Fabian Holzheid.
Der politische Geschäftsführer des Umweltinstitut München ist bei weitem nicht der Einzige, der im In- und Ausland über diese Geschichte nur mehr den Kopf schüttelt kann.
Die Vorgeschichte ist bekannt: Nach einer Plakataktion des Umweltinstituts im Sommer 2017 hatten der Südtiroler Landesrat Arnold Schuler sowie mehr als 1375 Südtiroler Bäuerinnen und Bauern Karl Bär wegen übler Nachrede angezeigt.
Nach vier Prozesstagen zogen Arnold Schuler und 1373 Bauern ihre Klage wieder zurück. Nur die zwei Vinschger Brüder Stefan und Tobias Gritsch blieben stur. Interessant dabei ist wer diese beiden Kläger sind.


Die Nebenerwerbskläger?

 
Stefan und Tobias Gritsch sind beide Akademiker und Nebenerwerbsbauern in Tschirland/Naturns. Stefan Gritsch ist beruflich genau in jenem Bereich tätig, der im Pestizidprozess zentral ist. Denn Karl Bär und sein Anwalt Nicola Canestrini hatte im Verfahren durchgesetzt, dass die Staatsanwaltschaft die Betriebshefter der 1375 Kläger beschlagnahmt.
Stefan Gritsch betreibt die „Betriebsheftservice GmbH“, eine Unternehmen das auf die Digitalisierung von landwirtschaftlichen Aufzeichnungen tätig ist. Darunter auch die Führung der sogenannten „Spritzhefte“. Im Angebot der Firma sind dabei auch „Informationen über zulässige Höchtsmengenberechnungen in der Anwendung“ inbegriffen.
 
 
 
Tobias Gritsch ist Jurist, Politologe und ausgebildeter Gemeindesekretär. Der 43jährige Rechtsberater und "landwirtschaftliche Unternehmer" trat 2020 bei den Gemeinderatswahlen in Naturns als Bürgermeisterkandidat für die Südtiroler Freiheit an. Laut eigener Darstellung als „unabhängiger Kandidat“. Die politische Karriere ging aber bereits nach 15 Monaten zu Ende. Am 20. August 2021 reichte Gritsch als Naturnser Gemeinderat der Südtiroler Freiheit seinen Rücktritt ein.
 

Der letzte Kläger

 
Bei der bisher letzten Verhandlung gegen Karl Bär hätte Stefan und Tobias Gritsch am 29. Oktober 2021 als Zeugen vor Gericht erscheinen sollen. Stefan Gritsch zog seine Anzeige gegen Bär im letzten Moment zurück. Tobias Gritsch hingegen hält die Strafanzeige bis heute aufrecht. Er ist damit der letzte Kläger, der das Verfahren aufrechterhält.
Weil Tobias Gritsch Ende Oktober der Vorladung der Staatsanwaltschaft nicht nachgekommen ist, soll er nun zum Verhandlungstermin am Freitag auf richterliche Anordnung von der Südtiroler Polizei zwangsvorgeführt und befragt werden. "Dazu dürfte es aber nicht kommen", glaubt Bär-Anwalt Nicola Canestrini.
 
 
In mehr als einem Jahr und vier Gerichtsverhandlungen ging es nicht ein einziges Mal um den Einsatz von Pestiziden in Südtirol“, kritisiert Karl Bär. Bär, der im September 2021 für die Grünen in den deutschen Bundestag gewählt wurde, weiter: „Deshalb bin ich gespannt auf den Auftritt des Zeugen am bevorstehenden Verhandlungstag: Erstmals in diesem Prozess werden wir über den Pestizideinsatz in Südtirols Apfelplantagen sprechen – den eigentlichen Streitpunkt. Und wir werden belegen, dass unsere Kritik schlicht Tatsachen beschreibt.“
Fabian Holzheid vom Münchner Umweltinstitut legt nach: „Die Verzögerungstaktik der Gegenseite bestätigt, dass es hier nicht um die Klärung eines juristischen Streits geht, sondern dass es sich um eine Einschüchterungsklage handelt – ein klassischer SLAPP. Es wird höchste Zeit, dass das Gericht dieses absurde Theater beendet und Karl Bär freispricht.
Als Prozessbeobachter vor Ort haben sich der Grüne Südtiroler Landtagsabgeordnete Hanspeter Staffler, die bayerische Landtagsabgeordnete Claudia Köhler, sowie Vorsitzende im Ausschuss für Umwelt- und Verbraucherschutz im Bayerischen Landtags Rosi Steinberger angekündigt.
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Günther Mayr Mo., 24.01.2022 - 13:09

naja, die 1300 u.m. Bauern wurden auch "zwangsvorgeführt".
keiner hat darum gebeten - weder hü noch hot!
von mir aus kann der Bär noch hundert mal dafür (mit dem Zug...?) herfahren:
"voleva la bicicletta - ora pedala!"

Mo., 24.01.2022 - 13:09 Permalink
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Ludwig Thoma Di., 25.01.2022 - 20:41

Antwort auf von Manfred Klotz

Weder das Institut, noch dessen Rechtsform können etwas dafür, dass es zu diesem Prozess gekommen ist, und noch viel weniger, dass die Story alle paar Monate aufgewärmt wird und man sich darüber echauffiert. Wie hat da weiter oben einer so treffend geschrieben, hai voluto la bici, ora pedala.
Oder würden Sie die Aussagen des Instituts anders bewerten, wenn es eine GmbH&Co KGaA wäre?

Di., 25.01.2022 - 20:41 Permalink