Gesellschaft | Kirche

#OutInChurch

125 Menschen aus dem Inneren der katholischen Kirche wagen ein Coming Out und rufen andere dazu auf es ihnen gleichzutun.
"Wie Gott uns schuf"
Foto: ARD

Gläubige im Dienst der katholischen Kirche treten in einer exklusiven ARD-Dokumentation gemeinsam an die Öffentlichkeit: Sie outen sich als queer, homo- oder transsexuell - so "wie Gott sie schuf" - und fordern Anerkennung und eine Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts.

 

Beispiellose Aktion

 

"Es sind Priester, Ordensbrüder, Gemeindereferentinnen, Bistums-Mitarbeitende, Religionslehrende, Kindergärtnerinnen, Sozialarbeiter und viele mehr, die von Einschüchterungen, Denunziationen, tiefen Verletzungen, jahrzehntelangem Versteckspiel und Doppelleben berichten", beschreibt das Erste Deutsche Fernsehen das Manifest, das der Investigativjournalist Hajo Seppelt zusammen mit Katharina Kühn, Peter Wozny und Marc Rosenthal veröffentlicht.

 

Seppelt, der seit fast zehn Jahren zur Diskriminierung nicht-heterosexueller Menschen in der katholischen Kirche recherchiert, zeigt im Film jene Menschen, die ihren Glauben täglich leben und dafür von der katholischen Kirche herabgewürdigt werden.

Mit diesem Coming out wollen 125 Mitglieder der katholischen Kirche das Schweigen brechen und auf sich aufmerksam machen - eine beispiellose Aktion, die für einige von ihnen mit einem beachtlichen Risiko verbunden ist: Sie könnten Beruf und Berufung verlieren.

 

Willkür, Angst und Druck

 

Die Katholik:innen berichten in der Dokumentation von einem System, das die Unsicherheit von LGBTQ+ Personen in der katholischen Kirche schürt: Willkür, Angst und Druck erwarten all jene Personen, die innerhalb der katholischen Kirche zu ihrer sexuellen Orientierung oder Identität stehen. Priester werden als berufsunfähig erklärt, für angehende Priester greift ein Weiheverbot.

Aber auch andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der katholischen Kirche sind von dieser Diskriminierung betroffen: Das kirchliche Arbeitsrecht schreibt vor, dass Menschen die Sittenlehre der katholischen Kirche nicht nur im Beruf, sondern auch in ihrem Privatleben vorleben müssen. Viele leben in dauernder Anspannung und Angst, entdeckt zu werden und im schlimmsten Fall ihren Beruf zu verlieren. Die einzelnen Diözesen wenden dabei unterschiedliche Vorgehensweisen an.

 

Drohungen und Selbstvorwürfe

 

Einer, der mit den möglichen Folgen seiner sexuellen Orientierung innerhalb der katholischen Kirche kämpft und seine Erfahrungen im Doku-Film erzählt, ist Jens Ehebrecht-Zumsande. Der Religionspädagoge ist schwul und arbeitet einer Hamburger Diözese als Gemeindereferent. Als er in eine andere Gemeinde versetzt werden sollte, diese Stelle jedoch nicht antreten wollte, diskutierte er lange mit dem Verantwortlichen. "Als ich am Ende immer noch sagte, dass ich auf diese Stelle nicht gehen würde, sagte der: Sie an Ihrer Stelle in Ihrer besonderen Lebensform sollten lieber das tun, was wir jetzt von Ihnen erwarten", erzählt Ehebrecht-Zumsande. "Es wurde überhaupt nicht benannt, dass es darum geht, dass ich schwul bin. Aber die Drohung war sehr deutlich so gemeint."

Eine andere Erfahrung teilt Ann-Cathrin Röttger. Schon während ihres Studiums in Religionspädagogik wusste sie, dass sie lesbisch war. Damals dachte sie noch, dass sich die Situation schon irgendwie ausbügeln ließe. Heute - nach jahrelangen Selbstvorwürfen und Versteckspielen - weiß sie, dass sich die Situation nicht einfach so ändern wird. Sie geht davon aus, dass die katholische Kirche von vielen Menschen, die wie sie selbst in ihrer Identität oder sexuellen Orientierung nicht den vorgegebenen Wertvorstellungen der Kirche entsprechen, getragen wird: "All diese Leute tragen die Kirche mit. Für mich ist das Realität -  und es ist mir wichtig, dass diese Realität anerkannt und einfach zur Normalität wird."

 

Appell sich der Initiative anzuschließen

 

Die Initiative "#OutInChurch. Für eine Kirche ohne Angst" ruft alle LGBTQ+ Personen, die für die Kirche tätig sind, dazu auf, sich dem Netzwerk anzuschließen und gemeinsam an die Öffentlichkeit zu treten. Auf diese Weise soll eine Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts erzwungen werden: Sexuelle Orientierung und Geschlechteridentität sollen keine Kündigungsgründe mehr sein. Zudem sollen Personen aller sexuellen Orientierungen und Identitäten innerhalb der Kirche anerkannt werden. Bischöfe sind dazu aufgerufen, ihre Unterstützung kundzutun.