Politik | Tirol

"Ohne Glück geht es sicher nicht"

Ein Traumergebnis bei der Innsbruck-Wahl und nun die Chance auf eine österreichische Premiere: Wie erlebt der Tiroler Grüne Georg Willi seinen politischen Höhenflug?
georg_willi.jpg
Foto: Georg Willi

salto.bz: Herr Willi, Nummer Eins mit fast 31 Prozent der Stimmen als Bürgermeisterkandidat in Innsbruck, Nummer Eins als Liste mit zehn Mandaten. Schwebt der Grüne Bürgermeisterkandidat noch oder bereiten Sie sich schon auf ihr nächstes Ziel vor – die Chance bei der Stichwahl in zwei Woche erster grüner Bürgermeister einer österreichischen Landeshauptstadt zu werden? 
Georg Willi: Am Sonntag Abend war ich tatsächlich noch gefühlte fünf Kilo leichter. Aber in der Zwischenzeit habe ich die Erdung wieder erlangt. Und jetzt geht es tatsächlich um die Herausforderung, wie ich es schaffe, bei der Stichwahl die Nase vorne zu haben, obwohl Christine Oppitz-Plörer aus einem größeren Reservoir an Wählerstimmen schöpfen kann. 

Sie haben dafür schließlich ein Role Model im österreichischen Bundespräsidentenamt. Zumindest die Tiroler Tageszeitungbezeichnet sie ohnehin als „kommunalen Van der Bellen“. Fühlen Sie sich damit gut getroffen, als bürgerlicher Grüner?
Ich bin bürgerlich im Sinne des französischen Wortes citoyen, ich bin ein liberaler, bürgerlicher Mensch, geprägt von den Werten der Aufklärung. Auf der anderen Seite versuche ich schon, nicht diesen typischen Politiker abzugeben. 

Wie geht das?
Das beginnt damit, dass ich versuche, auf die Leute zuzugehen und ihnen zuzuhören. Sie also nicht gleich zuzutexten und zu sagen: Du musst, du sollst.... Vielmehr versuche ich zu verstehen, wo steht diese Person, welche Vision, welche Anliegen hat sie, was will sie beitragen zum Gelingen des Gemeinsamen. Und von dort ausgehend versuche ich mit den Leuten Dinge zu entwickeln, ihre Kompetenz abzuholen, zu schauen, ob man sie für etwas begeistern kann, das mir wichtig ist und das diese Stadt bräuchte. Da bin ich vielleicht ein wenig untypisch, weil Grüne sonst oft gleich mit ihren Vorschlägen kommen. Und was ich vielleicht mit Van der Bellen gemeinsam habe: Wenn ich etwas nicht weiß, dann sage ich auch, das weiß ich nicht. 

Wissenslücken oder Schwächen sind kein Tabu?
Nein, absolut nicht. Jeder von uns hat Stärken und Schwächen, und das sollte man nicht wegschieben sondern sich zeigen, wie man ist. 

"Ich frage mich oft, wieso es den Südiroler Grünen nicht gelingt, aus ihrem tollen personellen Angebot mehr herauszuholen."

Sie waren als Politiker bereits im Gemeinderat, im Landtag und im Nationalrat tätig. Wo macht Politikersein am meisten Freude? 
Es hat alles seinen Reiz. Das Schöne an der Kommunalpolik ist, dass sie so unmittelbar, so lebensnah ist. Eine Gemeinde ist für alles zuständig, das sich vor der Haustür abspielt. Vom Zebrastreifen und der Ampelschaltung über Kindergartenöffnungszeiten oder die Förderung für den örtlichen Musikverein bis hin zur Genehmigung von Gastgärten und Festivals bis hin zur Frage, wo ich einen guten Platz im Pflegeheim bekomme oder wo meine Asche liegt. Die Regeln für das gesellschaftliche Zusammenleben werden dagegen auf Landes- und Bundesebene gemacht. Und dort mitzuwirken ist schon auch spannend. Denn eine gute, wohl durchdachte Regel kann so viel Tolles bewirken. Genauso wie eine schlechte Regel Ungerechtigkeiten und Unverständnis schafft. 

Das Innsbrucker Ergebnis steht nicht nur in Kontrast zur grünen katastrophalen Wahlschlappe der Grünen bei der letzten Nationalratswahl. Während Sie am Sonntag feierten, musste Ihre  Salzburger Parteikollegin Astrid Rössler ein Minus von mehr als 10 Prozentpunkten verkraften. Wie erklären sie sich solche Unterschiede? Geht es bei Wahlen immer weniger um Parteifarben und immer mehr um Personen? 
Um das zurechtzurücken: Astrid Rössler hat trotz dieser Verluste mit knapp zehn Prozent das zweitbeste Ergebnis in der Geschichte der Salzburger Grünen erreicht. Der Absturz nun hat damit zu tun, dass sie vor fünf Jahren mit über 20 Prozent gerade die richtige Frau im richtigen Umfeld war. Da gab es in Salzburg den Finanzskandal, sie war Vorsitzende des Untersuchungsausschusses und es gab eine Sehnsucht nach einer Frau, die das alles aufklärt und löst. Das war eine Ausnahmesituation.

Jetzt dagegen ist sie wieder auf den Boden der Realität gelandet. Es gibt also immer einen Kontext, den findet man auch bei der Nationalratswahl, mit den davor liegenden Streiterinnen und Parteiaustritten. Doch die gab es bei den Innsbrucker Grünen ja nun auch kurz vor der Wahl, mit dem Parteiaustritt der Grünen-Vizebürgermeisterin Sonja Pitscheider. Doch offenbar hat Ihnen das nicht geschadet. 
Der Vorteil ist, dass Innsbruck klein genug ist, dass einen die Leute kennen. Das macht das Ganze ein bissl überschaubarer. Sprich: Das was passiert ist, ist zwar unangenehm. Doch die Leute wissen dennoch, wie ich bin.

Was der Vorwurf relativiert, dass Sie mit rechtspopulistischen Mechanismen arbeiten würden?
Ganz genau. Das hat mir geholfen, diese Nähe zu den Menschen in der Stadt. 

Und wie sehr hilft die immer breitere Regierungserfahrung, die die Grünen in Tirol in Innsbruck und in der Landespolitik haben. Trägt das auch dazu bei, vom Image der Protestpartei, der Moralapostel oder Spielverderber wegzukommen, in das die Grünen manchmal gedrängt werden?
Ja. Ich konnte ihm Wahlkampf mehrmals sagen: Bitte unterstützt mich, weil ich habe als Georg Willi den direkten grünen Draht vom Rathaus ins Landhaus. Und ich war bei den Verhandlungen zu den zwei wichtigsten Budgetkapiteln dabei bei der Mobilität und beim Wohnen, und da haben wir richtig viel hinein gebracht. Auch, und das muss man zugeben, weil der ÖVP diese Fragen inzwischen auch sehr wichtig sind. Aber so konnte ich im Wahlkampf sagen: Es ist wichtig, dass die Vertreter der Landeshauptstadt mit den Vertretern des Landes gut kooperieren, weil wir einander brauchen. 

Und das was ein klarer Vorteil gegenüber Christine Oppitz-Plörer, die sich in den vergangenen Jahren nicht nur einmal gegen die ÖVP in Stellung gebracht hatte?
Sicher. Man braucht eben immer auch ein bisschen Glück, und Rahmenbedingungen, die einem in die Hände spielen oder es einem leichter machen. 

Welche Chance rechnet sich jetzt also ein bürgerlicher Grüner bei Innsbrucks Bürgerlichen aus - vor allem angesichts der grün-blauen Polarisierung auf den ersten beiden Listenplätzen? 
Ich kenne den Rudi Federspiel seit 1989. Wir sind miteinander in den Innsbrucker Gemeinderat eingezogen und ich kann mit ihm auch gut reden. Nur: Zwischen den Freiheitlichen und uns Grünen gibt es quasi keine Schnittmenge. Und deshalb macht es keinen Sinn über eine Einbindung der Freiheitlichen in eine Koalition, die ich anführen möchte, zu reden, weil man Innsbruck so nicht weiterentwickeln kann. Überschneidungsmengen habe ich mit den anderen, und mit denen möchte ich auch eine Koalition bilden. 

"Ich konnte ihm Wahlkampf mehrmals sagen: Bitte unterstützt mich, weil ich habe als Georg Willi den direkten grünen Draht vom Rathaus ins Landhaus."

Sprich, mit den bisherigen Koalitionspartnern ÖVP, Für Innsbruck und SPÖ?
Genau. Rudi Federspiel selber hat dagegen gesagt, wie wichtig ihm die Kontrolle ist. Und diese Rolle würde ich den Freiheitlichen gerne im Stadtsenat geben, das ist eine wichtige parteipolitische Aufgabe. 

Sie sprechen schon wie der Bürgermeister von Innsbruck. Sind Sie so zuversichtlich, die Stichwahl zu gewinnen?
Es ist eine schwere, aber vielleicht doch machbare Aufgabe. Aber es gilt wie immer: Ohne ein gewisses Quäntchen Glück geht es sicher nicht.

Und wie sehr brauchen Sie die vielen WählerInnen, die im ersten Wahlgang zu Hause geblieben sind?
Das Schöne ist ja, dass die Leute ja miteinander reden: Wer ist der Willi, und wer ist die Oppitz-Plörer. Wie ich heute (Montag, Anm. d. Red.) durch die Stadt geradelt bin, haben mich so viele Menschen gegrüßt. Und ich hoffe, dass sie viel über mich erzählen und Geschichten weitertragen. Und so vielleicht auch Leute, die am Sonntag nicht wählen waren, in 14 Tagen hingehen. Ich muss aber auf jeden Fall die WählerInnen hinbekommen, die mich im ersten Wahlgang gewählt haben. Und dann eben schauen, diese 20 Prozent, die ich brauche, um auf 50 Prozent und eine Stimme zu kommen, noch aufzuholen.

Und das wird auch davon abhängen, ob was Christine Oppitz-Plörer den Freiheitlichen verspricht?
Man hört munkeln, dass Rudi Federspiel bereit wäre, seinen Leuten eine Wahlempfehlung für Oppitz-Plörer zu geben, wenn er Vize-Bürgermeister würde. Aber die Frage ist ohnehin, wer geht zur Stichwahl – von denen brauche ich eine Stimme mehr als die Hälfte. Und es kann auch sein, dass Menschen von Wahlempfehlungen wenig beeindruckt oder sogar irritiert sind. 

Südtirols Grüne haben im Herbst 2018 eine Landtagswahl zu schlagen. Können Sie ihnen nach Ihrem Erfolg eine Empfehlung mitgeben? 
Ich sitze mit den Südtiroler Grünen total gerne zusammen und ich war zwei Mal bei ihren Landesversammlung. Und was mich fasziniert: Die haben so viele richtig gescheite Leute. Auf eine angenehme Art gescheite Leute, nicht Besserwisser. Also, da sind so viele Kompetenzen versammelt, dass ich mir denke: Die können aus richtig tollem Fundus von Persönlichkeiten schöpfen. Und ich frage mich oft, wieso es nicht gelingt, aus diesem tollen personellen Angebot mehr herauszuholen. 

Doch Sie haben noch keine Antwort darauf gefunden?
Was mir klar ist, dass die Parteienförderung in Italien wesentlich weniger ist als bei uns. Einen Wahlkampf zu führen ist viel, viel schwieriger, weil die einfach ganz wenig Geld haben. Österreich ist da aber auch fast Weltspitze bei der Parteiförderung, und da haben wir einfach andere Voraussetzungen zu werben. Und in Südtirol hat die SVP den großen Vorteil, dass sie durchorgansiert ist bis in die letzten Dörfer, und das schaffen die Südtiroler Grünen eben einfach nicht. Aber verdient hätten sie es in jedem Fall. 

Bild
Profil für Benutzer Robert Tam...
Robert Tam... Di., 24.04.2018 - 11:23

So einen Grünen "willi" in Südtirol: sympathisch, offen, kompetent, nicht so ideologisch verbissen. Einer, der sich von den linkspopulistischen Parolen der Parteihardliner*Innen auch nicht aus dem Konzept bringen lässt. Bravo, Georg Willi!

(Anmerkung am Rande: die Grünen haben in Salzburg nicht 10 Prozent, sondern fast 54% verloren. Bitte nicht Prozentpunkte mit Prozent verwechseln.)

Di., 24.04.2018 - 11:23 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Richard Lang
Richard Lang Di., 24.04.2018 - 22:57

...erinnert mich ein wenig an die Bürgermeisterwahlen in Meran, der alten Hauptstadt von Tirol. Da hat dann Paul Rösch auch die Nase vorn gehabt. Wäre schön eine grün-grüne Achse Meran -Innsbruck. Viel Erfolg Georg Willi!

Di., 24.04.2018 - 22:57 Permalink