Gesellschaft | Covid-19

Kein Frühling im Herbst

Die Ärztekammerpräsidentin Monika Oberrauch zeigt auf, welche Verhaltensweisen zentral sind, um den Corona-Herbst und die zeitgleich anrollende Grippewelle zu überstehen.
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Foto: Pixabay

21, 19, 5, 16, 15. Insgesamt 76 Corona-Neuinfektionen hat es in Südtirol in den vergangenen fünf Tagen gegeben. Die Zahl der aktiven Fälle steigt damit auf 172. Sieben Personen mit Covid-19 werden derzeit stationär im Krankenhaus betreut, einer ist auf der Intensivstation. Trotz der steigenden Infektionszahlen sterben, anders als im Frühjahr, weniger Covid-Patienten. Warum? Unter anderem, weil sich nun vermehrt jüngere Leute anstecken. Bei ihnen kommt es seltener zu schweren Verläufen, während ältere Corona-Patienten häufig Vorerkrankungen aufweisen. Außerdem sei im Vergleich zu den Monaten am Beginn der Pandemie “das therapeutische Management verbessert” worden, erklärt Monika Oberrauch.

“Nunmehr sind junge Menschen am meisten gefährdet, weil ihre Mobilität wesentlich höher ist als die der älteren Menschen, welche hingegen besser gelernt haben, sich zu schützen und im Allgemeinen viel vorsichtiger sind.”
(Monika Oberrauch, Ärztekammerpräsidentin)

Doch die Präsidentin der Südtiroler Ärzte- und Zahnärztekammer betont eindringlich, dass der derzeit beobachtbare Rückgang der Sterblichkeit kein Grund sei, um nachlässig zu werden. Nicht zuletzt, weil der Sommer langsam, aber sicher zu Ende geht – und es die Menschen wieder ins Innere zieht.

“Man geht von einem ernsten Szenario im Herbst aus, da aufgrund von geänderten klimatischen Umständen und Temperaturen Menschenansammlungen in geschlossenen Räumen und folglich Ansteckungen zunehmen werden”, zeigt Oberrauch auf. Es bestehe “die begründete Befürchtung”, so die Ärztekammerpräsidentin, “dass die Zahl der Krankenhausaufenthalte auf das im Frühjahr 2020 erreichte Niveau ansteigen und das klinische Management der Patienten aufgrund der hohen Zahl infizierter Patienten kritisch werden könnte”.

Vor dem Hintergrund all dieser Überlegungen sieht es Oberrauch im Vorfeld der Rückkehr aus den Sommerferien und der Wiederaufnahme des Schulbetriebs als “absolut notwendig, erneut Empfehlungen” auszusprechen. Diese lauten wie folgt:

  • Jetzt ist es notwendig, neue Herde schnell zu identifizieren und die Diagnose der Covid-19-Infektion rasch zu erstellen.
  • Jeder unnötige Kontakt wie z.B. Ansammlungen vor allem in geschlossenen Räumlichkeiten, bei Auslandsreisen, in Stadien und Diskotheken (sollten sie bald wieder öffnen) sollte vermieden werden
  • Sorgfältige Handhygiene einhalten, an öffentlichen Orten Masken tragen, soziale Distanz wahren und bei Auftreten von Grippesymptomen eine Selbstisolierung durchführen
  • Maximaler Schutz und Sicherheit für die Beschäftigten in den Einrichtungen des Gesundheitsdienstes gewährleisten – dazu gehören Ausstattung mit Schutzvorrichtungen, Regeln für distancing, genaue zeitliche Vorgaben und Protokolle für hygienische Sanierung/Desinfektion. Besonderes Augenmerk ist hier auf Seniorenheime und Sozial- bzw. Betreuungseinrichtungen zu legen.

Früher als andere Jahre hat das Gesundheitsministerium bereits im heurigen Juni Empfehlungen für die Grippesaison, die jedes Jahr im Spätherbst beginnt, veröffentlicht. “Noch nie zuvor wurde der Grippeimpfung so große Bedeutung beigemessen wie in diesem Jahr”, meint Monika Oberrauch. “Sowohl für die Kontrolle der Grippe selbst, um die damit verbundene Sterblichkeit zu senken, als auch um zu verhindern, dass sich diese Infektionen mit der möglichen zweiten Welle des Virus überschneiden.”

In Südtirol wollte Franz Ploner vom Team K mit einer Landtagsanfrage an Gesundheitslandesrat Thomas Widmann in Erfahrung bringen, welche Impfstrategie und Informationskampagnen Land und Sanitätsbetrieb heuer fahren und ob Südtirol mit genügend Impfstoff eingedeckt ist. Widmanns Antwort sind zweieinhalb Monate nach Einreichen der Anfrage noch ausständig. Gesundheitsminister Roberto Speranza hat indes am Wochenende versichert: “Es wird keinen zweiten Lockdown geben.”