Kultur | Salto Afternoon

Im Kampf mit dem Berg

Ein Film von Arnold Fanck mit musikalischer Begleitung des Haydn Orchesters auf Schloss Firmian, der uns durch eine inzwischen verschwundene Eiswelt führt.
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Foto: Salto.bz

Ein minutenlanger Applaus am Ende der Stummfilmvorführung mit Orchesterbegleitung auf Schloss Firmian war ein Zeichen dafür, dass nicht allein die Original-Partitur von Paul Hindemith (hier als Paul „Merano“ signiert) vom Haydn Orchester wunderbar gespielt wurde, sondern auch die kraftvollen Bilder von Im Kampf mit dem Berg von Arnold Fanck aus dem Jahr 1921 das Publikum stark beeindruckt und emotional mitgerissen haben. Die Kulisse auf Firmian ist einzigartig, der obere Schlosshof – wo Reinhold Messner seine im Sommer üblichen Dialoge am Feuer abhält (der letzte Termin hierfür ist der 31. August, in deutscher Sprache) – wirkt wie eine natürliche Arena, mit seinem leicht ansteigenden Wiesenhügel und der abgrenzenden Schlossmauer, die den Blick zum wahren Himmel schweifen lässt, der, dunkelblau, mit einigen Wolken besetzt, das Ganze gen oben abschließt.

Visuelle Sprache kennt keine Grenzen.

Nach einer kurzen Einführung des „Hausherrn“, der seit einigen Jahren ja nur mehr Gast der eigentlichen Leiterin der 6 Messner-Mountain-Museen ist, seiner Tochter Magdalena, die mit Elan und Freude diese verantwortungsvolle aber auch reichlich kreative Position übernommen hatte, in der uns Messner sagte, mit welchem Stolz er diese Initiative vorstelle, denn nur selten habe dieses Schloss einen solcher Art wichtigen Abend gesehen, der vielleicht nur mit dem 1962 erfolgten „Los-von-Trient“-Aufruf von Silvius Magnago zu vergleichen ist. Beide hatten in meinen Augen einen kulturpolitischen Hintergrund: der eine wollte diese deutschsprachige Kultur aufrechterhalten, in dem dieses sogenannte „Los“ als Startschuss zum Kampf für die Südtiroler Autonomie galt, dieser andere hingegen den großen Wert der Kultur für die sogenannte „Polis“ aufzeigt (denn das Wort „Politik“stammt vom griechischen „polis“ ab, das einfach nur „Gemeinschaft“ bedeutet), wobei die Sprache selbst und die dazugehörende Kultur in diesem Fall zur Nebensache wird, denn hier sprechen die Bilder, und diese visuelle Sprache kennt keine Grenzen.


Der Inhalt von Im Kampf mit dem Berg ist schnell erzählt. Es geht um die Dokumentation der faszinierenden Bergwelt rund um das Matterhorn im Schweizer Kanton Wallis, mit Blick auf die italienische Poebene, wobei als idealer roter Faden eine kurze Geschichte eingefädelt wird: es treffen sich ein Mann und eine Frau, hoch oben in den Bergen, wobei letztere zu einer Hütte gehen muss und ersterer sie begleitet, um sie sicher dahinzubringen. Die Darsteller sind Hannes Schneider und Ilse Rohde, und wie sehr (oder besser gesagt: wie wenig) sie für den Film selbst wichtig sind, erkennen wir auch daran, dass sie meist aus der Ferne aufgenommen wurden, auf dass sie silhouettenhaft durch die im Vordergrund stehende Eiswelt marschieren. Fanck hat hierfür seine besten Kameraleute unter der Leitung von Sepp Allgeier eingesetzt, wo deutlich sichtbar wird, wie weit er seinen damaligen Zeitgenossen auf der Bildebene und besonders auf jener der Bildgestaltung voraus war und schon fast abstrakte Welten schaffte. Wolken und Schneemassen verschmelzen zu wahrlich sagenhaften Gestalten, wo der Mensch (absichtlich?) nur als kleiner Punkt zu sehen ist. Somit stellt er auch dieses sogenannte Kräftemessen zwischen Mensch und Natur, das sich in einem bestimmten Alpinismus oft in den Vordergrund gestellt wissen will, auf sehr beeindruckende und explizite Weise dar. Die vielen Gegenlichtaufnahmen nehmen die Solareffekte eines Man Ray, der sie beim Druckprozess in seinem Fotolabor später in den 1920er Jahren in Paris entwickelte, weit voraus, wenn sich die dunklen Wolken plötzlich mit weiß gleißenden Umrahmungen präsentieren.

Man konnte es fast spüren, wie die starken Bilder und Töne auf das Publikum wirkten...

Die Musik bringt ihrerseits eine intensive Portion Emotionalität mit, das war möglich, denn Hindemith (=Merano) hatte diese Noten eher zufällig noch im Jahr 1921 direkt auf die Bilder hin geschrieben. Denn, laut überlieferten Aufzeichnungen von Arnold Fanck, war Hindemith zu jener Zeit in seiner Freiburger Villa zu Besuch und hatte ihn und seine Schnittarbeit am Film beobachtet. Er war so begeistert von dieser „Bildermusik“, dass er ihm den Vorschlag gemacht hatte, dafür eine Originalmusik zu komponieren, was in der damaligen Zeit noch total unüblich war, denn, zu den Stummfilmen wurde meist am selben Abend direkt auf dem Klavier improvisiert. „Als er mit der Komposition fertig war und sie mir auf dem Klavier vorspielte“, berichtete Fanck, „wurde mir plötzlich klar, dass meine Bilder durch diese Musik stark in der Wirkung erhöht wurden“. So ist es auch! Man konnte es fast spüren, wie die starken Bilder und Töne auf das Publikum wirkten, alle waren in diese für uns mittlerweile ferne Eiswelt projiziert, da es sie ja heute nur mehr selten gibt, selbst auf den Gletschern, die klimabedingt abschmelzen. 


Es war effektiv das erste Mal, dass ein Film eine Originalmusik bekam, dessen Uraufführung im Premierentheater in Düsseldorf eine Besonderheit geworden war, denn viele Dirigenten hatten sich geweigert diese Partitur zu spielen, da sie „zu schwer. um einzuspielen“ gewesen wäre. Aber – mit anderen Worten ausgedrückt – wollten sie damit nur sagen, dass ihre Orchester es einfach nicht gewohnt waren, „vorher“ eine Musik für einen Film wie für ein Konzert einzustudieren, denn üblicherweise wurde diese vom Orchester und seinem Dirigenten selber zusammengestellt. Paul Hindemith hatte aus purer Freude seine Partitur komponiert und gar kein Honorar dafür verlangt, einfach nur, um an dieser wunderbaren „Bildsymphonie“ – wie er den Film nannte – mitwirken zu können, die er als solche schon als „pure Musik“ empfunden hatte. Ein Vergleich, der später, Mitte der 1920er Jahre für die abstrakten Filme von Hans Richter, Walter Ruttmann und Oskar Fischinger vonseiten der Kritiker verwendet werden wird. 

Entweder du zahlst oder ich ignoriere dich einfach...

Arnold Fanck wird oft fälschlicherweise mit dem Nazi-Regime in Verbindung gebracht, denn er war Entdecker und Lehrmeister von Leni Riefenstahl: sie war „die“ Filmemacherin des Dritten Reiches. Er selber wollte damit nichts zu tun haben und hatte sämtliche Aufträge vonseiten Josef Goebbels abgelehnt, wie auch der NSDAP-Partei beizutreten. Wohl aber hat Leni Riefenstahl diese angenommen und wissend, was seine Kameraleute können, hat sie sie auch gleich für ihre berühmtesten Filme Triumpf des Willens (einer der Reichtagstrilogie in Nürnberg) und Olympische Sommerspiele 1936 unter Vertrag genommen. Nur so kann man sich die dort vorkommenden einzigartigen Perspektiven in den Fern- und Nahaufnahmen der einzelnen Redner, der mit großem Publikum gefüllten Arena, sowie der einzelnen Athleten erklären, die auch in der Nachkriegszeit als sehr experimentell eingestuft wurden und allseitig (immer noch) bewundert werden. Dies kann ich sehr klar erkennen, vor allem nachdem ich nun Im Kampf mit dem Berg gesehen habe. 


Ein solcher Abend hätte Pressebeteiligung und Fernsehaufnahmen verdient, oder zumindest einen Programmhinweis (auch) in der deutschsprachigen lokalen Presse hätten wir gerne gesehen. Das gab es aber nicht, trotz einer intensiven Backofficearbeit. Warum wohl? Es scheint so, dass Reinhold Messners Veranstaltungen nur dann für „Dolomiten“ & Co. interessant werden, wenn deren Ankündigung mittels offiziell geschalteter Anzeigen stattfindet, also durch Bezahlung. Das Motto des Ebner Clans scheint zu sein: „entweder du zahlst oder ich ignoriere dich einfach“. Nichts desto trotz war ein zahlreiches gemischtes Publikum anwesend, das sich in die mit Seilen laut Abstandsregeln eingezeichneten Sitzplätze auf das Gras gesessen hatte, um in stillem Staunen die wuchtigen Bilder auf der Leinwand zu verfolgen.