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Römischer Teamgeist

Die sechs SVP-Parlamentarier stellen auf der Ortsobleute-Konferenz am Montag Abend ein gemeinsames Positionspapier für ein Ja beim Referendum vor. Das Dokument.
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Foto: Salto.bz
Am Ende werden es gut 150 Männer und Frauen sein, die am Montag Abend im Nalser Bildungszentrum „Lichtenburg“ zusammenkommen. Es ist eine erweiterte Ortsobleute-Konferenz der Südtiroler Volkspartei angesagt. Neben den Ortsobleuten wird auch die gesamte SVP-Parteileitung anwesend sein. Das Thema der Sitzung: Die Verfassungsreform und das Referendum am 4. Dezember.
Obwohl es am Montag zu keiner Abstimmung kommen wird, dürfte sich auf dieser Sitzung indirekt entscheiden, wie das Verfassungsreferendum in Südtirol ausgeht. Denn in der SVP gibt es zwei Fraktionen. Eine dafür und eine dagegen. Offiziell hat sich die Partei noch nicht positioniert. Diese Entscheidung wird der Parteiausschuss am 7. November treffen. An diesem Tag wird im höchsten Parteigremium abgestimmt werden, ob man offen für ein JA bei der anstehenden Verfassungsreform wirbt oder ob man den Parteigängern die Entscheidung frei lässt. „Ein Nein kommt sicher nicht in Frage“, heißt es aus der SVP-Führung.
In den vergangenen Wochen haben vor allem die Gegner dieser Verfassungsreform auch unter dem Edelweiß ordentlich Wirbel gegen diese Verfassungsreform gemacht. Jetzt schlagen die Befürworter zurück. So wird man auf der SVP-Konferenz in Nals Positionspapier vorstellen, das von den sechs SVP-Parlamentarier in Rom unterzeichnet ist. Es ist ein klare und vor allem gewichtige Stellungnahme für ein JA der SVP.
„Die Sonderautonomien gehen aus der Reform sogar gestärkt hervor.“

Das Positionspapier

 
Das „Positionspapier des SVP-Team-Rom – Referendum zur Verfassungsreform vom 4.12.2016“ wurde von den SVP-Senatoren Karl Zeller, Hans Berger und den SVP-Abgeordneten Daniel Alfreider, Albrecht Plangger, Renate Gebhard und Manfred Schullian ausgearbeitet und unterzeichnet. Auf 12 Seiten werden alle Aspekte der anstehenden Reform detailliert analysiert.
Gleich zu Beginn werden die zentralen Zielsetzungen der Verfassungsreform erläutert:
 
Hauptziel der Reform ist es, die Entscheidungsabläufe zu vereinfachen und zwar
  • -  durch Abschaffung des bisher geltenden perfekten Zweikammer-Systems;
  • -  durch Neuordnung der Zuständigkeiten des Staates und der Regionen mit Normalstatut.
     
Dazu kommt die Stärkung der Elemente der direkten Demokratie durch Ergänzung der bisherigen Instrumente wie z.B. des gesetzeseinführenden Referendums.
 
 
 
Zum anstehenden Referendum heißt es:
 
„Das Referendum findet statt, weil im Parlament keine 2/3 Mehrheit erreicht wurde. Für dieses sog. bestätigende Referendum ist kein Beteiligungsquorum vorgesehen, d.h. es ist in jedem Fall gültig und zwar auch dann, wenn weniger als 50 % + 1 der Wahlberechtigten zur Wahl gehen.“
 
Dann gehen die SVP-Parlamentarier detailliert auf die Reform des neuen 100köpfigen Senates ein. Es wird erklärt, dass Südtirol in Zukunft zwei Senatoren haben wird. Einer vom Landtag gewählt, der zweite ein Bürgermeister.
Dazu schreiben die sechs SVP-Mandatare:
 
„Die Region Trentino-Südtirol wird überproportional stark vertreten sein, da die beiden autonomen Provinzen Bozen und Trient wie eigene Regionen angesehen werden. So wird die Region Trentino-Südtirol mit 4 Senatoren (bei 1,1 Millionen Einwohnern) doppelt stark vertreten sein wie z.B. die Region Ligurien mit 1,5 Millionen Einwohnern. Auch tritt die Region Trentino-Südtirol in den Hintergrund, da nur die beiden Autonomen Provinzen im Senat vertreten sind, nicht aber die Region. Auch verliert die Region die Befugnis, Wahlmänner für die Wahl des Staatspräsidenten zu ernennen.“
 

Die Autonomiegruppe

 


Die SVP-Parlamentarier geben in ihrem Positionspapier aber auch einen Ausblick, wie die konkrete politische Arbeit im neuen Senat aussehen könnte. Dabei geht es vor allem um die Autonomiegruppe, einer Fraktion im Senat, die seit Jahren von der SVP angeführt oder zumindest federführend geleitet wird.
Die SVP-Parlamentarier schreiben dazu:
 
Die Autonomiegruppe wird im Verhältnis zu heute mehr als doppelt so stark vertreten sein, falls sich – wie bisher – die Vertreter der Region Aosta (2) und jene der Provinzen Bozen und Trient (je 2) zusammenschließen (dazu kommen u.U. noch die Vertreter von Friaul-Julisch Venetien und einige der Senatoren auf Lebenszeit): Derzeit gibt es 8 Vertreter aus den Regionen Aosta und Trentino-Südtirol im Senat (1 Aosta, 7 aus Trentino-Südtirol), es besteht also ein Verhältnis von 8 auf 320 (2,4%) Senatoren, in Zukunft werden es 6 von 100 sein (6 %).“
 
Im Positionspapier wird dann auf die „Verstärkung der Element der direkten Demokratie“, die Eilverordnungen, die Beziehung zwischen Parlament und Regierung und die neue Rolle des Staatspräsident, sowie des Verfassungsgerichtes eingegangen.
In Zukunft wird der Senat das Recht haben direkt zwei Verfassungsrichter zu ernennen. Damit wird es nach Meinung der SVP-Parlamentarier „für die Vertreter der Regionen, autonomen Provinzen und Gemeinden im Senat erstmals möglich, selbst autonomiefreundliche Verfassungsrichter zu bestimmen.“
Wer jetzt an Karl Zeller denkt, ist ein Schelm.
 
 

Die Schutzklausel

 

Der zentrale Streitpunkt in und außerhalb der SVP ist aber, die sogenannte Schutzklausel für Südtirol. Und damit die Frage, ob diese Verfassungsreform für Südtirol ein Fluch oder ein Segen ist.
Das römische SVP-Team positioniert sich vor allem in diesem Punkt eindeutig.
 
Während für die Normalregionen eine starke Zentralisierung der Zuständigkeiten zugunsten des Staates vorgesehen ist, bleiben die Kompetenzen der Sonderregionen nicht aufrecht, (obwohl deren Abschaffung immer wieder thematisiert wurde), sondern die Sonderautonomien gehen aus der Reform sogar gestärkt hervor. Dieser Umstand ist einer der Hauptkritikpunkte der Reformgegner (siehe Aussagen der ehemaligen Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes Prof.Onida und Prof.De Siervo).“
 
Die SVP internen Gegner der Reform, die vor der Möglichkeit des direkten Eingreifen des Staates (Ersatzvornahme) warnen, bekommen ihr Fett ab:
 
"Die Verfassungsreform ändert also in Bezug auf die bisher geltende Rechtslage der Ersatzvornahme in Bezug auf Sonderautonomien rein gar nichts und bewirkt keine wie immer geartete "Verschlechterung"! Die "Alarmrufe" von Seiten der Reformgegner sind daher völlig fehl am Platz und erklären sich wohl nur durch die offenkundige Unkenntnis der derzeitigen Rechtslage.“
 
„Die Alarmrufe von Seiten der Reformgegner sind daher völlig fehl am Platz und erklären sich wohl nur durch die offenkundige Unkenntnis der derzeitigen Rechtslage.“
 
Auch die Diskussion darüber, ob es sich um beim neuen Einvernehmen um eine schwaches oder starkes Einvernehmen handelt, beenden Zeller & Co mit klaren Worten:
 
„Fakt ist, dass es seit 1948 noch nie eine wie immer geartete Form des Einvernehmens in der Verfassung oder im Autonomiestatut gegeben hat, d.h. das Parlament kann heute auch gegen den Willen des Landtags das Autonomiestatut abändern. Insofern ist diese Schutzklausel unzweifelhaft ein wesentlicher Fortschritt.“
 

Die Glaubwürdigkeit

 
Für die SVP-Parlamentarier steht in dieser Frage auch die politische Glaubwürdigkeit der Volkspartei in Rom auf dem Spiel:
 
„Die Regierung und die Mehrheit im Parlament haben alle Forderungen der Südtiroler Vertreten in Bezug auf Vertretung im Senat und Schutzklausel zu 100 % erfüllt. Daher haben diese gemäß eindeutigen Parteibeschlüssen im Parlament für die Reform gestimmt. Es geht daher auch um die Glaubwürdigkeit Südtirols, die in Rom unser größtes Kapital ist.“
 

Das Resümee

 
Am Ende des Positionspapiers werden 11 konkrete Gründe angeführt, warum die SVP und ihre Mitglieder beim Referendum für ein JA stimmen sollen.
 
  • sich der neue Titel V der Verfassungsreform nicht auf die Sonderautonomien anwendet;
  • die Sonderautonomien, die bei jeder Reform in Frage gestellt werden, mit der vorliegenden Reform nicht nur bestätigt, sondern sogar gestärkt werden;
  • die Erfahrung der Reform von 2001 zeigt, dass eine Angleichung der Kompetenzen zwischen Normal- und Sonderregionen nicht notwendigerweise zu einem Mehr an Autonomie führt, sondern sogar zum Gegenteil (siehe ausgehöhlte Kompetenzen im Vergaberecht, Personalwesen usw.);
  • erstmals seit 1948 das Einvernehmen, also ein Vetorecht, der jeweiligen Regionen und Autonomen Provinzen bei der ersten Überarbeitung der Autonomiestatut vorgesehen ist;
  • es aufgrund des Einvernehmens nun möglich sein wird, z.B. das Ergebnis des Autonomiekonvents, also die Überarbeitung des Autonomiestatuts, im Parlament einzubringen und zu diskutieren – ohne das heute bestehende Risiko eingehen zu müssen, dass das Parlament, dies zum Anlass nimmt, den Vorschlag in sein Gegenteil zu verkehren, also die Kompetenzen des Staates zu stärken oder Minderheitenschutzbestimmungen (Proporz, Zweisprachigkeit) abzuschwächen;
  • die völkerrechtlichen Garantien aufgrund von Pariser Vertrag und Paket aufrecht bleiben und es von großem Vorteil ist, wenn zusätzlich die innerstaatlichen Sicherungen verstärkt werden.
  • mit der nun vorgesehenen Anwendung des Art. 116 Abs. 3 der Verfassung auch auf die Sonderautonomien über ein erleichtertes Verfahren wichtige Kompetenzen wie jene für den Umweltschutz (Dynamisierungsklausel) übertragen werden können;
  • die beiden Autonomen Provinzen Bozen und Trient mit je 2 Senatoren überproportional stark und jedenfalls stärker wie heute im Senat vertreten sein werden; die Region Trentino-Südtirol wird weiter zurückgedrängt, nur die beiden Autonomen Provinzen im Senat vertreten sind, nicht aber die Region;
  • es angesichts der negativen Grundstimmung im Parlament gegen die Sonderregionen bei einer Ablehnung der Reform absehbar ist, dass bei der nächsten Verfassungsreform (die sicherlich kommen wird), die Abschaffung der Sonderregionen wieder thematisiert wird;
  • es fraglich ist, ob bei der nächsten Verfassungsreform (alle nach 2001 in Angriff genommenen Reformen hatten eine Rezentralisierung zum Ziel, wobei immer auch die Anpassung der Sonderstatute vorgesehen war) die parlamentarische Vertretung der Sonderautonomien wiederum ein solches Gewicht haben wird, um nicht nur die Abschaffung der Sonderautonomien zu vereiteln, sondern auch wieder die Nichtanwendung der Reform und das Einvernehmen durchzusetzen;
  • Wer also mit nein zur Verfassungsreform stimmt, spricht sich nicht nur für die Beibehaltung der derzeitigen Verfassung aus (die kein Einvernehmen vorsieht), sondern auch gegen die Schutzklausel, insbesondere das Einvernehmen bei Abänderung des Autonomiestatut und die Dynamisierungsklausel aus, die es ermöglichen würde, die Kompetenz für den Umweltschutz und die primäre Kompetenz für die Schule auf einem erleichterten Weg zu erhalten.
 
 
Das römische Sextett positioniert sich mit diesem Grundsatzpapier sehr klar. Auch Landehauptmann Arno Kompatscher und etwas weniger akzentuiert SVP-Obmann Philipp Achammer sind offen für ein Ja beim anstehenden Referendum
Spätestens in zwei Wochen wird klar sein, ob die SVP-Basis den Argumenten des römischen Teams folgen kann und will.
 

Lesen Sie hier das gesamte Dokument der SVP-Parlamentarier.