Politik | Wahlen 18 elezioni

Die Qual (nach) der Wahl

Der Politologe Günther Pallaver analysiert den Erfolg von Köllensperger, das Phänomen Salvini – und erklärt, welche Alternativen die SVP zur Koalition mit der Lega hat.
Günther Pallaver
Foto: Salto.bz

salto.bz: Herr Pallaver, welche war die größte Überraschung, die diese Landtagswahlen für Sie bereitgehalten haben?

Günther Pallaver: Die überaus große Anzahl an Abgeordneten, die die Liste Köllensperger in den Landtag schickt.


Damit stehen Sie nicht alleine. Warum kam das Wahlergebnis vom Team Köllensperger – 15,2 Prozent und sechs Landtagsabgeordneten – unerwartet?

Zum einen gab es keine Umfrageergebnisse. Die einzige Umfrage, in der das Team Köllensperger berücksichtigt wurde, stammt vom Monat August. Laut dieser Momentaufnahme erreichte er neun Prozent. Aber ich war sehr skeptisch, weil die Umfrage fast zeitgleich mit der Präsentation der neuen Liste durchgeführt wurde. Aufgrund der Beobachtungen und Eindrücke in der Zeit danach war ich schon der Meinung, dass sich drei oder vier Mandate ausgehen könnten. Mit sechs hat Köllensperger ja selbst nicht gerechnet.

 

Hypothetisch gibt es drei Möglichkeiten für die Koalitionsbildung.


“Viele Menschen haben die Schnauze voll von der Parteienherrschaft” haben Sie im Juni dieses Jahres behauptet. Ist Köllenspergers Ergebnis der Beweis dafür?

Für seinen Wahlerfolg gibt es mehrere relevante Gründe. Zunächst die persönliche Performance von Paul Köllensperger selbst. Er hat fünf Jahre lang ein Image von Seriosität, Glaubwürdigkeit und Arbeitsamkeit vermittelt. Das sind Werte, mit denen die Menschen etwas anzufangen wissen. Zweitens hat er in seinem Programm und mit seiner Liste etwas angeboten, das die anderen nicht im Angebot hatten: Erneuerung. Im öffentlichen Diskurs ist Erneuerung nach wie vor etwas Positives. Der dritte Grund war, dass in der Bewegung zwar nicht explizit, aber doch irgendwo leicht das “Anti-Establishment” mitgeschwungen ist. Das schadet in der Zeit des Bauchwehs gegen jene, die “oben” sind, auch nicht.
Mit diesen drei Elementen hat Köllensperger schon gewisse Wählerschichten und -segmente angesprochen. Dazu kommt, dass er geschickt Personen ausgewählt hat, die genauso bei den Grünen, der SVP oder den Freiheitlichen hätten kandidieren können.


In diesen drei Wählerbecken hat Köllensperger am stärksten gefischt?

Von der Volkspartei hat er sicher gar einige Stimmen geholt, vor allem in Problemregionen für die SVP wie dem Wipptal oder dem Pustertal. Bei den Grünen hat er Stimmen geholt – und dann kommt das große unerwartete Bassin, das er ausgeschöpft hat: jenes der Freiheitlichen.


Die Blauen sind krachend von 17,9 auf 6,2 Prozent abgestürzt.

Aber wieso? Sicher, die internen Streitereien haben der Partei geschadet. Aber meine These ist folgende: Die Freiheitlichen waren in der Vergangenheit keine typische rechtspopulistische Partei. Natürlich gab es Rechtspopulisten mehr als genug in der Partei, aber nicht nur, und die Wählerschaft war nicht ausschließlich rechtspopulistisch. Viele haben die Freiheitlichen gewählt, weil es eine Oppositionspartei war.


Eine Alternative zur SVP.

Genau. Dann kommt vor eineinhalb Jahren eine neue Parteiführung, verschiebt die Achse der Freiheitlichen nach rechts und eliminiert mit Roland Tinkhauser den liberalen Flügel. Damit kommt es  zu einem gewissen CSU-Syndrom. Die CSU in Bayern hat sich ebenfalls nach rechts bewegt, hatte nur mehr ein Thema – Flüchtlinge – und wurde von den Wählern abgestraft. Und dasselbe ist grosso modo auch in Südtirol passiert. Nur gab es im Gegensatz zu früher mit der Liste Köllensperger eine gute Alternative zu den Freiheitlichen, ein neues Angebot. Und diese Liste ist gewählt worden.

 

Das Problem für die Volkspartei mit der Lega ist, wie sie den gordischen Knoten Europa durchschneidet.


Die Wähler vom Team Köllensperger haben sich weniger ideologisch orientiert als vielmehr an Werten, die nicht einem Rechts-Links-Schema zuzuordnen sind?

Sie orientieren sich in jedem Falle an Werten, die nicht rechtspopulistisch sind. Wie die Bayern. Auch wenn die Gesellschaft in Südtirol längst stark säkularisiert ist – es gibt einen katholischen Bodensatz, der hier auch mitgespielt haben mag. Wenn’s zu viel wird, wird’s zu viel. Und das, was die Freiheitlichen von sich gegeben haben, war den Wählern offensichtlich eindeutig zu viel. Aber noch etwas kommt dazu: Ich habe den Eindruck, dass Köllensperger auch von jenen gewählt wurde, die seit Jahren innerhalb der SVP eine Stärkung des liberalen Flügels fordern. Es gibt seit Langem einen Diskurs – mitgetragen vom ehemaligen SVP-Obmann Siegfried Brugger – des “liberalen Flügels” oder gar einer liberalen Wirtschaftspartei. Köllensperger vertritt diese Vorstellung. Er selbst hat bei der Vorstellung seiner Liste gesagt, dass er für eine liberale Wirtschaftspolitik steht. Und in diesem Zusammenhang ist mir etwas aufgefallen, was rein symbolisch bemerkenswert ist.


Was?

Wen entdecke ich in der Wahlnacht zwischen den Freunden, Fans und Unterstützern in Köllenspergers Büro? Thomas Amonn, Enkel von Erich Amonn, dem Gründer und Exponent des liberalen Flügels der Volkspartei.


Der Unternehmer Thomas Amonn verkörpert die wirtschaftsliberalen Kräfte der SVP, die sich Köllensperger zugewandt haben?

In der liberalen Wählerschaft der SVP gibt es den starken Wunsch, dass dieser Flügel gestärkt wird. Und die haben, zum Teil jedenfalls, wohl Köllensperger gewählt.


Würde man sich nicht gerade von der Wirtschaft erwarten, dass sie auf Stabilität setzt?

Köllensperger hat zusätzlich gesagt, er will nicht in die Opposition. Er will mitregieren. Das war möglicherweise für viele ein Hinweis, dass es ihm um Stabilität geht. Er hat sich nicht als Querulant positioniert, sondern als seriöser Mit-Regent – auch weil er davon ausgegangen ist, dass die SVP nicht die absolute Mehrheit holt. Das Pech für Köllensperger ist, dass er keine Italiener in den Landtag gebracht hat.


Er will sein Team als eine “neue Volkspartei” aufbauen. Dafür hat es von der Wählerschaft einen großen Vertrauensvorschuss gegeben. Nun sitzen fünf neue, unbekannte Gesichter im Landtag, von denen man nicht weiß, wie und welche Politik sie betreiben werden.

Genauso ist es. Es hat einen großen Vertrauensvorschuss gegeben, den sie jetzt in Vertrauen umwandeln müssen. Ob und wie sie das schaffen, wird man erst im Laufe der nächsten Zeit überprüfen können.

 

Insgesamt wurde die politische Mitte gestärkt.


Die SVP hat am Sonntag vielleicht weniger verloren als sie selbst befürchtet hat: 3,8 Prozentpunkte. Aber sie mit einem stark geschwächten Landeshauptmann aus der Wahl hervor?

Ich glaube, die SVP hat keine Alternative zu Arno Kompatscher. Die Volkspartei wird sich hüten, ihn zu demontieren, wie es die Dolomiten heute (Dienstag, Anm.d.Red.) schon wieder durchschimmern lässt. Sie hat keine Alternative und sie hat auch keinen besseren als Arno Kompatscher.


Der erstarkte Parteiobmann Philipp Achammer wäre keine Alternative?

Nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Achammer kommt vielleicht bei der nächsten Landtagswahl ins Spiel, aber nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Für die Volkspartei war Kompatscher ein Glücksfall. Was er sicher nicht mitbringt, ist diese kumpelhafte Bürgernähe. Aber jeder hat halt seine Besonderheiten…


Seinen eigenen Stil, auf den Kompatscher immer wieder verweist.

Ja, und er hat eben diesen Stil. Den mögen viele bedauern, aber es ist eben so.


Zum Wahlergebnis insgesamt meint der Landeshauptmann: “Südtirol hat die Mitte gehalten, es hat keine Radikalisierung stattgefunden.” Teilen Sie diese Analyse von Arno Kompatscher?

Das habe ich am Montag schon um 7 Uhr in der Früh in der RAI gesagt. Wenn man die Wahlergebnisse anschaut, sehen wir, dass sich das Wahlverhalten der deutschen Wählerschaft nicht mehr zentrifugal entwickelt, also hin zu den extremen Rändern, sondern zentripetal, zurück zur Mitte. Die rechten Parteien haben im Vergleich zu 2013 stark abgenommen.


In Summe verlieren Freiheitliche, Süd-Tiroler Freiheit und Bürgerunion sechs von zehn Sitzen.

Ich spreche von den Parteien insgesamt, auch den italienischen. Die Mitte, die 2013 bei rund 68 Prozent war, ist jetzt bei etwas über 80 Prozent.

 

Die Volkspartei wird sich hüten, Arno Kompatscher zu demontieren.


Zugleich legt die Lega kräftig zu und holt alleine 11,1 Prozent. 2013 waren es im Bündnis mit Forza Italia und Team Autonomie gerade einmal 2,5 Prozent.

Bei den Italienern besteht mit der Lega die entgegengesetzte Tendenz, wo Stimmen zum rechten Flügel wandern. Aber insgesamt wurde die politische Mitte gestärkt.
Abgesehen davon kann man das Südtiroler Parteiensystem auch unter dem Aspekt der Nähe bzw. Entfernung zur Autonomie analysieren. Auch dort gab es eine zentrifugale Entwicklung. 2013 waren 27 Prozent der Parteien im Landtag für die Sezession. Jetzt sind es 12 Prozent. Der Wählerkonsens rückt also wieder weg von Parteien, die für die Selbstbestimmung sind und orientiert sich stärker an der Autonomie.


Sie beschreiben in Ihrem jüngsten Buch “Südtirols Parteien”, dass die Landtagswahlen in Südtirol seit jeher geteilte Wahlarenen kennzeichnen: deutschsprachige Südtiroler wählen deutsche Parteien, die Italiener italienische Parteien. Am Sonntag haben durchaus auch deutsche Wähler die Lega gewählt. War die Landtagswahl 2018 keine Wahl entlang ethnischer Bruchlinien?

Diese ethnischen Bruchlinien beim Wahlverhalten bestehen nach wie vor, denn wir haben nach wie vor deutsche Parteien und italienische Parteien. 2013 haben rund zwei Prozent der Deutschsprachigen eine italienische Partei gewählt, im Wesentlichen den PD, und rund zehn Prozent der Italiener haben eine deutsche Partei gewählt, nämlich die SVP. Ich kann dazu noch keine stichhaltigen Aussagen treffen, dazu muss ich noch die Daten analysieren. Was man auf alle Fälle sagen kann: Diese ethnische Undurchlässigkeit besteht nach wie vor. Aber es gibt immer wieder Ausreißer. Dieses Mal haben wir gesehen, so scheint es auf den ersten Blick zumindest, dass die Lega auch bei deutschen Wählern gepunktet hat. Noch mehr bei den Ladinern.


Die neuen Lega-Landtagsabgeordneten geben selbst zu, dass sie ihr starkes Wahlergebnis nur einem Mann zu verdanken haben: Matteo Salvini. Einverstanden?

Ja. Die Lega schwimmt auf der Welle der gesamtstaatlichen Entwicklung des Gladiators, der in die Arena tritt – der Popstar Salvini. Deshalb hat sie alle mitgezogen, wie die Auftritte in Südtirol, speziell in Kastelruth und Leifers gezeigt haben: Salvini, der geduldig Selfies macht – nach eigenen Angaben durchschnittlich 2.500 am Tag – und Autogramme gibt. Wenn ich solche Szenen sehe, fällt mir das berühmte Buch von Wilhelm Reich ein, “Die Massenpsychologie des Faschismus”.

 

Der Wählerkonsens rückt wieder weg von Parteien, die für die Selbstbestimmung sind und orientiert sich stärker an der Autonomie.


Erschwert die Tatsache, dass eine polarisierende Figur wie Matteo Salvini ausschlaggebend für den Wahlerfolg der Lega in Südtirol war, eine mögliche Koalitionsbildung zwischen SVP und Lega?

Die Lega hat diese 31.510 Stimmen für fünf Jahre erhalten, da braucht sie Salvini nicht mehr. Wichtig ist, die Stimmen zu sammeln. Das haben sie dank Salvini gemacht. Und diese Stimmen verwaltet sie jetzt fünf Jahre. Ob sie sie gut verwaltet oder schlecht, wissen wir nicht. Da mögen nach einem Jahr drei Viertel der Lega-Wähler sich abwenden und auf die Lega schimpfen – aber sie haben die Stimmen für fünf Jahre. Das Problem für eine Koalition ist nicht Salvini.


Sondern?

Das Problem für die Volkspartei ist, wie sie den gordischen Knoten Europa durchschneidet. Achammer und Kompatscher haben immer wieder die drei Grundprinzipien der SVP für die Koalition betont: Autonomie, friedliches Zusammenleben, Ja zu Europa. Bei den ersten beiden Punkten kann man mit der Lega durchaus einen Konsens finden. Beim dritten Punkt wird man sicher keinen finden. Wie das dann gelöst wird, weiß ich nicht.


Aber Sie gehen davon aus, dass es zu einer Koalition zwischen SVP und Lega kommt?

Muss nicht sein.


Muss es nicht?

Hypothetisch gibt es drei Möglichkeiten. Eine Koalition mit der Lega ist nur eine davon. Die Italiener haben den Anspruch, aufgrund der Sitze im Landtag, in dieser Legislaturperiode zwei Regierungsmitglieder zu stellen. Die Lega hat vier, also wäre das kein Problem. Es braucht ja auch eine absolute Mehrheit, um zu regieren.
Es gibt noch andere Varianten, denn es gibt weitere vier italienische Landtagsabgeordnete: einen Grünen, einen PD-Vertreter, einen vom Movimento 5 Stelle und Urzì. Aufgrund der ideologischen Distanz wird sich mit Urzì keine Koalition bilden lassen. Aber sowohl die Grünen als auch der PD sind Parteien, mit denen sich für die SVP in vielen Punkten ein Konsens finden ließe. Diese Option gibt es also auch.


Die SVP hat angekündigt, dem Wählerwillen der Italiener Rechnung tragen zu wollen. Und die haben sich für die Lega als stärkste italienische Partei entschieden. Mit einem Bündnis mit Grünen und PD würde die SVP den Wählerwillen nicht respektieren.

Die Volkspartei sagt jetzt, wir respektieren den Willen der Wähler. Ok. Aber die Volkspartei hat in der Vergangenheit auch andere Varianten gespielt. In den 90er-Jahren dominierten im Landtag auf italienischer Seite rechte Parteien. Aber im Gegensatz zu heute, wo es mit der Lega potenziell der Fall sein könnte, ging die SVP keine Koalition mit diesen Parteien ein, obwohl sie Ausdruck der Mehrheit der italienischen Wähler waren. Damals nahm die SVP die Minderheit der Italiener, die Zentrums- und Mitte-Links-Parteien als Regierungspartner.
Natürlich, konkordanzdemokratisch ist das ein Problem. Denn das Konkordanzmodell sieht vor, dass alle Sprachgruppen maximal in die Entscheidungsfindungsprozesse, also in die Regierungstätigkeit eingebunden werden. Wenn die SVP die Grünen und den PD als Regierungspartner nimmt, kann der ethnische Proporz in der Regierung formal eingehalten werden, die große Mehrheit der italienischen Sprachgruppe wäre aber von der Regierungstätigkeit ausgeschlossen. Ich erinnere daran, dass der PD als italienischer Koalitionspartner der SVP in der letzten Legislaturperiode weniger als 30 Prozent der italienischen Bevölkerung vertreten hat.

 

Die Lega hat diese 31.510 Stimmen für fünf Jahre erhalten, da braucht sie Salvini nicht mehr.


Sie sprachen von drei Szenarien für eine mögliche Koalition?

Die dritte Option ist jene, die schon einmal in der Legislaturperiode 1973-78 realisiert wurde: Damals gab es eine Koalition zwischen Volkspartei, Democrazia Cristiana und Partito Socialista Italiano (PSI). Der PSI war zeitweilig in der Regierung ohne das Regierungsprogramm mitzutragen, sondern nur unter dem ethnischen Titel. Den Italienern stehen laut Autonomiestatut auf der Basis des Wahlergebnisses eine gewisse Anzahl an Regierungsmitgliedern zu – um dieses Recht in Anspruch zu nehmen, haben die Sozialisten damals einen Regierungsvertreter gestellt. Aber sie haben kein politisches Programm unterzeichnet. Möglich ist so etwas mit der Lega.


Eine zweite Tür für eine Koalition zwischen SVP und Lega?

Die Lega ist der Wahlsieger und Ausdruck des Willens der Wähler der italienischen Sprachgruppe. Aber es gibt hier eine Barriere, nämlich die Europafrage. Deshalb könnte es eine Regierung geben, aber kein Koalitionsprogramm. Das ist, zumindest theoretisch, möglich.


Inwieweit könnte bei den Koalitionsüberlegungen in der SVP die Tatsache eine Rolle spielen, dass die Grünen den meist gewählten Italiener im Landtag stellen, nämlich Riccardo Dello Sbarba, der 4.515 Vorzugsstimmen erhalten hat?

Das ist auch ein Argument.


Andererseits wäre aus taktischen Gründen ein Bündnis mit der Lega für die SVP insofern vorteilhafter, da mit Maurizio Fugatti ein Lega-Vertreter nächster Landeshauptmann im Trentino wird. Und in Rom sitzt die Lega auch in der Regierung. Eine Nähe zur Lega in Südtirol könnte Vorteile in Rom bringen, richtig?

Ja. Aber: Die Volkspartei ist eine Partei, die in der Vergangenheit in Rom grundsätzlich jenen Regierungen das Vertrauen ausgesprochen hat, die sich positiv zu Südtirol geäußert haben. Es hat auch Zeiten gegeben, in denen die SVP gegen die Regierung gestimmt hat. Die Regierungen Berlusconi wurden von der Volkspartei nicht unterstützt. Und es ist auch nichts passiert! Natürlich hat die Volkspartei keine oder nur ganz wenige Durchführungsbestimmungen durchsetzen können Aber die Autonomie ist deshalb nicht weniger geworden. Wenn die Volkspartei eine neutrale oder ablehnende Haltung gegenüber einer Regierung einnimmt, dann passiert nichts. Natürlich wird sie nicht was weiß ich alles bekommen. Aber die Welt dreht sich weiter und die Autonomie wird darunter nicht leiden.


Ein Termin steht unmittelbar bevor: Innerhalb 30. November soll die Neuvergabe der A22-Konzession an die neu gegründete Inhouse-Gesellschaft der Region Trentino-Südtirol unter Dach und Fach gebracht werden. Dazu braucht es die Unterschrift aus Rom. Wird  die SVP riskieren, diesen Deal zu verspielen, indem sie die Lega nicht in die Koalition holt?

Bis dorthin haben wir noch keine Regierung in Südtirol. Koalitionsverhandlungen dauern, das geht nicht von heute auf morgen. Zuerst werden sie den Akt unterzeichnen, die Frage nach der Koalitionsbildung wird sich erst danach stellen.


Für die SVP wäre eine Koalition mit der Lega aber doch ein Tabubruch – weil sie bislang noch nie mit italienischen Rechtspartei regiert hat?

Naja, es gibt schon einen großen Unterschied zu früher. Früher waren die rechtspopulistischen und rechtsradikalen nationalen Parteien ausnahmslos zentralistisch. Die Lega ist hingegen – eine inzwischen rechtspopulistische und zum Teil rechtsextreme nationale Partei – keine anti-autonomistische Partei. Das ist eine völlig neue Situation. Für die SVP bringt die Lega das zentrale Argument für einen Koalitionspartner mit, nämlich eine pro-autonomistische Partei zu sein.

 

Im Gegensatz zu früher gab es mit der Liste Köllensperger eine gute Alternative zu den Freiheitlichen, ein neues Angebot.


Gibt es für Sie einen Wermutstropfen bei diesen Wahlen?

Eines bedauere ich sehr: Dass die Anzahl der Frauen im Landtag zurückgegangen ist.


Von zehn auf neun.

Trotzdem bedauere ich den Rückgang sehr. Das ist ein Armutszeugnis für Südtirol.


Für wen? Für die weiblichen Kandidaten oder für die Wählerinnen und Wählern?

Man wirft den Frauen immer vor, dass sie nicht Frauen wählen. Davon hängt das Wahlergebnis der Frauen nur indirekt ab. Es gibt eine Reihe von strukturellen Gründen, die eine sehr bedeutende Rolle spielen. Dazu zählt unter anderem die Erwerbsquote. Je stärker Frauen erwerbstätig sind, umso höher in der Regel ihre politische Vertretung.  Nur ein Beispiel der androzentrischen Hürden. Schon allein die Reihenfolge, in der die Parteien ihre Kandidaten aufstellen, weist  doch auf die männlichen Seilschaften in den Parteien hin. Wie viele Spitzenkandidatinnen gab es bei diesen Wahlen?


Eine, bei 14 Parteien.

Das kommentiert sich doch von alleine.

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Mensch Ärgerdi… Mi., 24.10.2018 - 13:01

"Die Regierungen Berlusconi wurden von der Volkspartei nicht unterstützt."
Das stimmt so nicht ganz. Als es 2011 um den Misstrauensantrag gegen Minister Bondi ging, hat sich die SVP taktisch enthalten und dafür die Kompetenz für den Stilfser Joch Nationalpark und noch ein Paar Dinge (die mir mittlerweile entfallen sind) bekommen. Das war so ein typischer Kuhhandel welcher in den italienischen Medien Tage lang breitgetreten wurde, um schlecht über Südtirol und die "crucchi" zu berichten und ein Paradebeispiel wie die römische Instabilität von der SVP geschickt ausgenutzt werden kann. Würde man hier ein wenig mehr recherchieren, dann würde man sicher weitere solche Beispiele finden.
Sonst finde ich es eine gute Analyse von Herrn Pallaver

Mi., 24.10.2018 - 13:01 Permalink