Gesellschaft | Original Play

Original Play - Ursprüngliches Spiel.

Ich möchte über „Original Play - Ursprüngliches Spiel“ schreiben, um Menschen, die wirklich interessiert sind, einen Einblick in die Methode des Original Play zu geben.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: Brigitte Ennemoser

In den letzten Wochen war dieser Begriff in den Medien sehr präsent und die Methode sehr heftig kritisiert. Ich habe selbst eine Weiterbildung zu Original Play mit Fred Donaldson, dem Entwickler der Methode, und Steve Heitzer besucht und beide persönlich getroffen. Daher möchte ich über „Original Play - Ursprüngliches Spiel“ schreiben, um Menschen, die wirklich interessiert sind, einen Einblick in die Methode des Original Play zu geben.

Zudem habe ich mich gefragt, wie manche Personen zu manchen Schlüssen und Äußerungen kommen und habe festgestellt, dass die Autoren der veröffentlichen Artikel und Personen in meinem Umfeld nicht mit der Methode vertraut sind. Es schaut so aus, als hätte sich niemand die Mühe gemacht, vertieft zu recherchieren. Viele Aussagen in der Presse, die nicht den Tatsachen entsprechen und völlig aus dem Kontext gerissen sind, kommen einer Diffamierung der Tätigkeit des Vereins "Original Play Österreich" gleich.

Und aus den oben genannten Gründen berichte ich hier von Original Play.

Ich habe selbst seit 20 Jahren Erfahrung im Bereich Achtsamkeit im Alltag und habe seit acht Jahren Aus- und Weiterbildungen gemacht im Bereich "Achtsame Kommunikation mit Kindern" über den Verein "Mit Kindern Wachsen" und dem Arbor Verlag in Freiburg. Ich kann nur dementieren, was die Artikel in den Medien aussagen und was wie nachgeplappert klingt. Und ich frage mich wozu solche Aussagen gemacht werden.
Steve Heitzer macht in Schulen keinen Einsatz, ohne die LehrerInnen zum Thema Achtsamkeit einzubeziehen und die LehrerInnen können jederzeit dabei sein. Im Spiel selbst werden vor dem Spielen der Ablauf und die Regeln erklärt und auf die Freiwilligkeit verwiesen und darauf, dass jedes Kind, das NICHT spielen will, einfach sitzen bleibt und NICHT aufs Spielfeld kommt. Jedes Kind kann also, wenn es schweigend mit Handzeichen zum Spielen (zur Begegnung und nicht zum Kuscheln) eingeladen wird, den Kopf schütteln oder "nein" sagen, wenn es nicht spielen will und bleibt dann einfach sitzen und schaut zu. Es wird sogar sehr darauf geachtet, dass die Kinder gut für sich entscheiden und kein Kind gedrängt wird.
Der/die erwachsene SpielerIn ist zudem nicht aktiv sondern zunächst passiv und fängt nicht mit dem Kontakt an, sondern wartet ab und berührt das Kind gar nicht, wenn es nicht selbst Körperkontakt aufnimmt, sondern bleibt auf Distanz ohne es zu berühren.

"es braucht eine erwachsene Bezugsperson, die für den Rahmen des Spiels (Spielfeld und Zuschauerraum) die Verantwortung trägt und für einen sicheren Raum sorgt"

Original Play verfolgt an sich keinen Zweck, sondern es geht um achtsame Präsenz und Begegnung, um Spiel und nicht um Kampf und Konkurrenz. Und es braucht eine erwachsene Bezugsperson, die für den Rahmen des Spiels (Spielfeld und Zuschauerraum) die Verantwortung trägt und für einen sicheren Raum sorgt. Jedes Kind wird in seiner Würde wertgeschätzt. Der achtsame Umgang von Seiten des Erwachsenen ist Vorbild für einen achtsamen Umgang miteinander. Die Kinder können eine Erfahrung von Spiel und Freude abseits von Kampf machen.

Kinder können spielerisch lernen: Was will ich jetzt (spielen oder nicht spielen)? Wie entscheide ich in diesem Moment (wie möchte ich spielen)?

Die Haltung der erwachsenen Person ist hier von enormer Wichtigkeit, und dass die erwachsene Person nicht in den Gefahrenmodus wechseln darf. Dafür braucht es Übung und Training und das ist den Ausbildnern bestens bewusst. Das bedeutet z.B., dass sich die erwachsene Person auch bei ruppigen Verhalten der Kinder nicht angegriffen fühlen sollte, sondern im Verbindung mit sich und den Kindern bleibt und das Spiel mit liebevoller Klarheit und Geduld lenkt und sich natürlich selbst schützt, gut für sich sorgt und auch damit Vorbild ist. Darauf wird auch in den Weiterbildungen sehr viel Wert gelegt.

Kinder können über Original Play auch in ihrer Selbstwahrnehmung gefördert werden, und das ist eine Voraussetzung dafür, widerstandsfähig mit Belastungen und Stress umzugehen, Selbstvertrauen zu entwickeln, die eigenen Reaktionen zu steuern und in gutem Kontakt mit sich selbst und anderen zu sein.

Original Play beruht u.a. auf den neurologischen wissenschaftlichen Erkenntnissen, dass das menschliche Gehirn bei Gefahr im Gefahrenmodus mit Rückzug, Angriff (Aggression) oder Erstarrung reagiert. Bei gegenteiliger Erfahrung, wenn das menschliche Gehirn z.B. des Kindes eine Erfahrung von Sicherheit (sicherer Kontakt und sichere Begegnung) macht, so kann es im Sicherheitsmodus bleiben und eine Erfahrung von Verbundenheit (wo Oxytocin als Botenstoff ausgeschüttet werden kann) machen.

Die Wichtigkeit der Erfahrung von Verbundenheit für die Entwicklung eines gesunden Menschen wird heute von niemand geringerem unterstrichen als von Dr. Gerald Hüther, dem deutschen Neurobiologen und Autor von "Rettet das Spiel- Weil Leben mehr als Funktionieren ist“ sowie "Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn". Dr. Gerald Hüther nennt Wachstum (Entwicklung und über sich Hinauswachsen) auf der einen und Verbundenheit (Verbindung und Zugehörigkeit) auf der anderen Seite als die beiden wichtigsten Bedürfnisse von uns Menschen. Prof.Dr. Daniel Siegel, Professor für Psychiatrie in den USA, veröffentlichte wunderbare Bücher zur Entwicklung der Gehirnfunktionen von Kindern, wenn sie sichere Verbundenheitserfahrungen machen ("Achtsame Kommunikation mit Kindern", "Handbuch der interpersonellen Neurobiologie").

Wer wünscht sich als Eltern nicht ein gut integriertes Gehirn für seine Kinder? Deshalb ist es eher verwunderlich, dass wir nicht mehr von Original Play in unseren Schulen fördern möchten, denn das Ursprüngliche Spiel als intentionslose Methode hat zusätzlich den positiven Nebeneffekt, die Entwicklung des Gehirns unsere Kinder zu fördern.

Wir wissen heute aus tanztherapeutischen und körperorientierten Ansätzen, dass sich ein beweglicher verspielter bewusster Körper auf die Geistesstrukturen auswirkt, diese aufweichen und beweglicher machen kann. Wenn wir körperlich bewusst agiler sind, sind wir meist auch geistig flexibler.

Andreas Stötter, Leiter der Yoni-Akademie Innsbruck, hat die Auswirkungen von achtsamer Berührung auf neurologische Prozesse in einer wissenschaftlicher Studie in Hall (A) nachgewiesen. Haptik, unser Tastsinn über die Haut, ist wesentlich für die Entwicklung des menschlichen Gehirns, angefangen von der pränatalen Zeit des Embryos im Mutterleib bis hin zum Körperkontakt im Kindes- und Erwachsenenalter.

Virgina Satir, US-amerikanische Psychotherapeutin, oft als Mutter der Familientherapie bezeichnet, schreibt: "Wir brauchen vier Umarmungen am Tag zum Überleben, acht Umarmungen am Tag zum Leben und zwölf Umarmungen am Tag zum inneren Wachstum."

In vielen Sportvereinen und anderen gesellschaftlichen Initiativen erfolgt eine Selektion in Starke und Schwache, Gewinner und Verlierer. Dieses Klima bestimmt dann nicht nur das Verhältnis von Erwachsenen zu Kindern als eines von oben und unten, sondern auch das unter Kindern als eines von Konkurrenten. Diese Konkurrenz führt oft zu Bewertung, Vergleichen und zu Situationen der Beschämung. So kann Druck entstehen, wenn das vorgegebene Ideal, an dem sich z.B. manche Sportvereine orientieren, nicht erreicht wird.

Ich habe den Eindruck, dass nicht die Methode des Original Play "schwierig" ist, sondern dass Original Play schwierige Emotionen in Erwachsenen auslöst. Es liegt an den Erwachsenen, Verantwortung für diese Emotionen zu übernehmen und nicht die Methode schlecht zu machen. Sie sollten sich mit jenen Mustern auseinander setzen, welche sie selbst an die eigenen körperlichen oder geistigen Grenzen bringen.

Ich denke, unsere Gesellschaft flüchtet in den Kopf und kompensiert das Bedürfnis nach Kontakt, Begegnung, Nähe und Verbundenheit mit anderen Dingen.

"Bei Original Play geht es um achtsamen Kontakt und Begegnung"

"Das wirkliche Leben geschieht in der Begegnung", so Martin Buber. Und die, die diffamierende Artikel schreiben sind davon weit weg. Bei Original Play geht es um Kontakt und Begegnung und nicht ums Kuscheln. Dass der Kontakt achtsam passieren muss, das ist das 1. Gebot sowohl bei Original Play als auch bei Fred Donaldson und Steve Heitzer. Original Play basiert auf Freiwilligkeit, Gewaltlosigkeit, Körperintelligenz, Kultivierung des Bewusstseins, Präsenz und Achtsamkeit. Es ist ein Spielsetting und keine Therapieform.

Wäre es nicht bedauerlich, wenn die Kluft zwischen spielenden und nicht spielenden Menschen, zwischen Menschen mit mehr Körperbewusstheit und jenen mit weniger Bewusstsein für Körperwahrnehmung noch größer würde?

"Lernen geschieht bei Kindern vor allem im Spiel" (Gerald Hüther) und Original Play ist ein körperliches Spiel, bei dem Kinder und Erwachsene sehr viel fürs Leben für sich mitnehmen können.

Ist körperliches Spiel wie Original Play nicht eine sinnvolle und sinnstiftende Möglichkeit in Zeiten wo Kinder und Jugendliche Gefahr laufen, das virtuelle Leben befriedigender als das reale Leben zu finden? Ich denke, dass sich die unmittelbare nonverbale Begegnung positiv auf das menschliche Bedürfnis nach Resonanz auswirken kann, und dies kann identitätsstiftend wirken.

Das menschliche Belohnungszentrum kann von reizintensiven digitalen Medienerfahrungen aktiviert werden, Original Play ist eine wichtige Alternative, über die Erfahrung der körperlichen Nähe Freude zu erleben und Botenstoffe zu aktivieren. Original Play gibt die Möglichkeit, nicht nur den "Daumen", sondern den ganzen Körper zu bewegen.

Mancherseits hört man, dass digitale Spiele Erfahrungen erweitern, dass digitale Lernspiele als spannend erlebt werden. Es braucht Geschicklichkeit, Reaktionsvermögen, die Fähigkeit zu Kombinieren und Vorauszudenken,sowohl bei manchen digitalen Spielen als auch bei körperlichen Spielen wie Original Play. Ein mehrkanaliges Lernen wird besonders durch körperliches Lernen gefördert, z.B. über Original Play.

Im diesen Sinne wünsche ich ein achtsames Innehalten und bewusstes Erforschen der Methode von Original Play über das Großhirn und den Präfrontalen Kortex, um möglicherweise einen vorschnellen "Angriff" auf Original Play als eine Reaktion des Stammhirns im Gefahrenmodus zu vermeiden.

Vielleicht sollten manche ein wenig Scheu ablegen und sich einmal auch im körperlichen Spiel versuchen.