Umwelt | Zuständigkeiten

Das Abfall-Politikum

Der Streit um die Entsorgung der Abfälle auf den A22-Raststätten kommt in den Regionalrat. Der stellt sich gegen die Regionalregierung.
Müllabfuhr
Foto: Seab

Damit hätten die Einbringer nicht gerechnet. Am Mittwoch hat der Regionalrat einen Beschlussantrag angenommen, den Paul Köllensperger, Filippo Degasperi (beide 5-Sterne-Bewegung) und Rodolfo Borga (Civica Trentina) vorgelegt hatten. “Wider aller Erwartungen und gegen den Appell der Regionalregierung!”, kommentiert Köllensperger.

 

Wer darf an den Müll?

Es geht um eine brisante Frage, die inzwischen bereits vor Gericht gelandet ist. Darf die Brennerautobahngesellschaft die Müllentsorgung entlang der A22 selbst durchführen? Für Köllensperger, Degasperi und Borga ist die Antwort eindeutig: Nein.
Das sehen auch die Bürgermeister von Lavis und Pfatten so. Eigentlich hatten sich immer die Südtiroler und Trentiner Gemeinden, auf deren Grund die Autobahn-Raststätten und Rastplätze stehen, darum gekümmert. Der Hausmüll, der dort anfiel, wurde direkt von den Gemeinden eingesammelt und entsorgt. Für die Anliegergemeinden der Autobahn eine wichtige Einnahmequelle. So auch für Pfatten. Die Kleingemeinde hat an der Laimburg gleich zwei Raststätten – eine auf der Süd- und eine auf der Nordspur. Durch die Müllgebühren flossen jährlich rund 15.000 Euro in die Gemeindekassen. Diese Gelder erlaubten es, die Müllltarife für die Bürger möglichst niedrig zu halten. So war es zumindest bis 2017. “Dann kam die Überraschung”, meinte der Pfattner Bürgermeister Alessandro Beati im November zu salto.bz.

Anfang vergangenen Jahres entschied die Brennerautobahngesellschaft, den Dienst selbst durchzuführen bzw. über eine Ausschreibung an private Firmen zu übertragen. Die Begründung dafür: Sparmaßnahmen. “Wir sparen so rund eine Million Euro”, bestätigte Walter Pardatscher, Geschäftsführer der A22.
Das wollen sich zumindest zwei der Anliegergemeinden nicht gefallen lassen. Lavis und Pfatten haben ein Verwaltungsverfahren eingeleitet. Die beiden Gemeinden stützen sich vor allem auf die entsprechenden Landesgesetze. Laut Landesgesetz Nr. 4/2006, dem Südtiroler Abfallgesetz, fällt die Sammlung und den Transport der Hausabfälle in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinden. “So steht es übrigens auch im Einheitstext der Regionalgesetze und dementsprechend in den Gemeindeordnungen”, fügt Paul Köllensperger hinzu.


“Gegen das Gesetz”

“Die von den Medien berichtete Tatsache, dass die von den Raststätten produzierten Hausabfälle direkt von der A22 eingesammelt und einer Entsorgung zugeführt werden, verstößt gegen Artikel 9 des Landesgesetzes Nr. 4 aus dem Jahr 2006.” Das bestätigte Umweltlandesrat Richard Theiner bereits im November 2017. Köllensperger hatte damals im Landtag nachgefragt. Abgesehen von der Rechtslage erscheine es “vor allem aber absurd, dass ein gut verdienendes Unternehmen wie die Brennerautobahn, fast zur Gänze in öffentlicher Hand, nun auf Kosten der anliegenden Gemeinden Einsparungen vornehmen muss”, findet der 5-Sterne-Landtagsabgeordnete. “Denn diese sind nun faktisch gezwungen die Müllabfuhrtarife für ihre Bürger drastisch zu erhöhen. Wobei gerade diese Gemeinden eh schon unter den erheblichen negativen Auswirkungen durch Luftverschmutzung und Lärm der A22 belastet sind.”

 

Antrag durch

“Unserer Ansicht nach steht es außer Zweifel, dass das Landesgesetz Nr. 4/2006 die Zuständigkeit für die Abfallbeseitigung ausschließlich den Gemeinden zuweist. Aus diesem Grund haben wir über unseren Beschlussantrag die Regionalregierung zwingen wollen, Stellung zu beziehen”, schreiben Köllensperger und Degasperi in einer Presseaussendung.

Mit dem Beschlussantrag, über den der Regionalrat am Mittwoch abstimmte, wollten die drei erreichen, dass die Regionalregierung als Mehrheitsaktionärin der A22 – die Region Trentino-Südtirol hält knapp 32,3 Prozent der Anteile – “unverzüglich einschreitet”. Konkret forderte man eine Suspendierung des Beschlusses, mit dem die A22 die Müllentsorgung entschieden hat, die Müllentsorgung auf den Raststätten selbst durchzuführen – “bis die Rechtslage gänzlich geklärt ist”, präzisierte Köllensperger im Rahmen der Diskussion über den Beschlussantrag im Regionalrat. Regionalassessor Giuseppe Detomas sprach sich dagegen aus. Die A22 habe den Entsorgungsdienst per Ausschreibung vergeben, ein vorzeitiger Rücktritt aus dem Vertrag könne teuer werden, so Detomas. Er schlug vor, den Antrag zu vertagen. Auch der Vorschlag, einen runden Tisch zwischen Autobahngesellschaft und Gemeinden einzusetzen, wurde vorgebracht.

“Doch das war uns zu wenig”, erklärt Paul Köllensperger. “Geredet ist schon genug worden im letzten Jahr. Wir haben es auf die Abstimmung ankommen lassen.” Und siehe da, der Antrag ging durch, mit 24 Ja, 20 Nein und 4 Enthaltungen. Zur Freude der Einbringer: “Mit großer Genugtuung stellen wir fest, dass der Regionalrat unserer Linie gefolgt ist und den Antrag genehmigt hat – gegen den Willen der Regionalregierung.”
Diese ist nun verpflichtet, die A22 aufzufordern, ihren Beschluss aufzuheben, bis rechtlich geklärt ist, ob die intern durchgeführte Entsorgung des Hausmülls der Autobahn-Raststätten rechtens und ordnungsgemäß ist.