Politik | Frankreich

Sieg ohne Euphorie

Marine Le Pen wurde trotz Rekordergebnis abgewehrt, aber das Land bleibt gespalten. Emmanuel Macron muss um eine klare Mehrheit bei den Parlamentswahlen im Juni bangen.
Macron, Emmanuel
Foto: upi
Die PR-Strategen hatten die Kulisse für den erhofften Wahlsieg Emmanuel Macrons wie immer gekonnt symbolträchtig gewählt. Aber festlich war lediglich die Beleuchtung des Eifelturms. Im Unterschied zum langen Sologang Macrons vor dem Louvre vor fünf Jahren, hatte der gestrige Auftritt des wiedergewählten Präsidenten gar nichts Pompöses. Die Europahymne wurde von einem DJ live remixt die Kameras zeigten wie Macron händchenhaltend mit seiner Frau Brigitte und umgeben von zwei Dutzend etwas verlegenen Kindern seiner Wahlhelfer zum hinteren Aufgang der Tribüne spazierte.

Ankündigung eines Neubeginns

 
Entgegen seinen Gepflogenheiten hielt Macron vor ein paar Tausend Anhängern eine kurze und nüchterne Rede. Er sei dankbar und geehrt, aber ihm sei auch bewusst, dass sehr viele Wähler nicht wegen seiner Politik für ihn gestimmt hätten, sondern um einen Sieg der extremen Rechten zu verhindern. Und seine zweite Amtszeit werde nicht eine Fortsetzung der ersten fünf Jahre sein. Macron versprach „eine neue Methode“, die stärkere demokratische Einbindung der Menschen und mehr Volksnähe, denn er nehme die Sorgen und Meinungen aller Wählerinnen und Wähler ernst, auch jener, die für seine Gegner gestimmt haben.
 

58,5% Macron - 41,5% Le Pen
37% Nicht- und Weißwähler

 
In der Tat belegen die Zahlen eine enorme Politikverdrossenheit und Unzufriedenheit im Lande. Von den 48 Millionen registrierten Wahlberechtigten blieben 14 Millionen (28%) zuhause und gaben  3 Millionen (9%) weiße oder ungültige Stimmzettel ab. Zusammengenommen wären sie die stärkste Einzel-Partei.
 
 
Emmanuel Macron erhielt knapp 17 Millionen Stimmen, (3 Millionen weniger als vor 5 Jahren), Le Pen 12,8 Millionen (ein Plus von 2,2 Millionen) – ein nie da gewesenes Rekordergebnis der extremen Rechten. Berücksichtigt man, dass rund ein Viertel der Macron-Stimmen in Wirklichkeit Anti-Le-Pen-Stimmen waren, dann zeigt das wie unbeliebt der alte und neue Präsident ist.
Berücksichtigt man, dass rund ein Viertel der Macron-Stimmen in Wirklichkeit Anti-Le-Pen-Stimmen waren, dann zeigt das wie unbeliebt der alte und neue Präsident ist.

Ungewisse Mehrheit bei Parlamentswahlen

 
Kein Wunder, dass die geschlagene Marine Le Pen nur wenige Minuten nach Bekanntgabe der Ergebnisse trotz nur schwer verstecktem Zähneknirschen die Resultate als spektakulären Sieg feierte und sofort zur neuen Schlacht für die Parlamentswahlen aufrief. Wie ihr identitär-rechtsextreme Rivale Éric Zemmour appellierte auch sie zur Bildung einer Koalition sämtlicher nationalen Kräfte, um die Parlamentswahlen im Juni zum „dritten Wahlgang“ zu machen und dem Präsidenten die gewohnte komfortable Regierungsmehrheit zu vermasseln.
Noch optimistischer rief der radikale Linke Jean-Luc Mélenchon zum Kampf für eine „dritte Runde“. Er führt schon intensive Gespräche zur Bildung einer veritablen „populären Linksfront“ und möchte damit als stimmenstärkste Fraktion im Parlament zum Premierminister werden. Zählt man zu seinen 7,7 Millionen Stimmen (22%) im ersten Wahlgang jene der Sozialisten, Kommunisten, Trotzkisten und Grünen hinzu, käme ein solches Bündnis gut über 30%. Aber aufgrund des uninominalen Mehrheitswahlrechts in zwei Durchgängen hängt alles von den Absprachen und Bündnissen in jedem einzelnen Wahlkreis ab.
 
 
Nachdem die politische Landschaft Frankreichs jetzt in drei Blöcke gegliedert ist – extreme Rechte, Mitte-Rechts-Macron und radikale Linke – ist eine eindeutige Gegenmehrheit eines Lagers zum Präsidenten schwer vorstellbar. Das allerdings würde dann eine Kohabitation bedeuten, wie sie Francois Mitterrand und Jacques Chirac mit ihren Widersachern einzugehen gezwungen waren.

Erleichterung bei den Partnern im Westen

 
Die ersten Gratulationen und Siegesglückwünsche für Macron kamen gestern erwartungsgemäß von den europäischen Partnern mit dem deutschen Kanzler Olaf Scholz und der Kommissionspräsident Van der Leyen an der Spitze. Denn welche Parlamentsmehrheit der Juni auch immer bringen mag, bleibt der Präsident für die Außenpolitik zuständig und ist durch seine Wiederwahl sogar gestärkt. Also ist die Kontinuität und Verlässlichkeit sowohl für die deutsch-französische Freundschaft, für den Kurs einer Vertiefung der EU als auch der Geschlossenheit gegenüber Wladimir Putin garantiert.