Politik | Debatte zum LTEK

Tourismus: Klimaschutz bleibt außen vor

Die touristische Überbeanspruchung steht im Gegensatz zu den Klimaplan-Zielen. Daran wird auch der angekündigte und vermutlich löchrige Bettenstopp allein nichts ändern.
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Massentourismus in den Bergen
Foto: (c) pixabay

Für die Tourismuslobby vordringlich bleibt die Rückkehr zum Status quo ante, also vor der Pandemie. IDM-Chef Töchterle drückte dies in der WiKu vom 28.10.2020 so aus: „Südtirol kann zum Thema Resonanztourismus einen großen Aufschlag machen. Den größeren als die meisten entwickelten Destinationen in Europa. Schlicht deshalb, weil es unserer Identität entspricht.“ Mit “unserer“ meinte er wohl die IDM, allenfalls die Tourismusbranche. Und das sagte Töchterle zu jener Region (Südtirol), die heute schon die höchste Tourismusintensität des Alpenraums hat. „Die Chance zu weiterem Wachstum winkt“, schlussfolgert daraus Hans Heiss in seinem Essay „Wo liegen die Grenzen des Wachstums des Tourismus?“ (Klimaland Südtirol?, arcaedizioni, 2022, 19-28), „mit neuer Dynamik gepackt in die Watte vorgeblicher Nachhaltigkeit.“

Die laufende Diskussion zur Bettenobergrenze lässt es tatsächlich erkennen: die ganze Branche ist immer noch voll auf Wachstum gepolt. Daran wird auch die im Landestourismus-Entwicklungskonzept (LTEK, „Südtirols mutiger Weg“) vorgesehene Deckelung der Bettenzahl nicht viel ändern. Für den Klimaschutz keine gute Nachricht, denn Wachstum heißt mehr Ankünfte, mehr Fahrten, mehr Ressourcenverbrauch, mehr Beton, mehr Events, mehr…auch wenn die ohnehin schon überzogene Bettenkapazität bei 229.000+10.000 eingefroren wird. Wie in Südtirol üblich erfolgen dann zahlreiche Ausnahmeregelungen, die das Konzept löchrig bohren wie einen Schweizer Käse. Statt den tourismusschwächeren Gemeinden das Aufholen bei der touristischen Entwicklung zu ermöglichen, wie jetzt viele Bürgermeister und HGV-Ortsgruppen verlangen, muss eigentlich ans Gesundschrumpfen der touristisch überentwickelten Gemeinden gedacht werden. Sonst wird sich an der Klimabelastung durch den Tourismus nichts ändern, sofern diese in dieser ganzen Debatte überhaupt eine Rolle spielt.

Eher nicht, denn die Landesregierung hat noch immer keine umfassende Ökobilanz des Tourismus einschließlich Klimabilanz (durch den Tourismus verursachte Treibhausgasemissionen) vorgelegt. Laut einer EURAC-WIFO-Studie soll der Tourismus für rund 18% der CO2-Emissionen verantwortlich sein. Die Emissionen pro Gast sind bei Weitem zu hoch, wenn man bedenkt, dass fast 90% der Gäste ihr Ziel in Südtirol mit dem eigenen Kfz erreichen. Dabei geht es im Tourismus nicht um Lebensmittel- oder Energieversorgung oder Daseinsversorge, sondern um Freizeitgestaltung mit Ortswechsel. Nicht nur direkte Emissionen der Mobilität fallen an, sondern ein Rattenschwanz an vor- und nachgelagerten klimaschädlichen Wirkungen vom Flächenverbrauch vor Ort, über den Verbrauch an fossiler Energie, Strom, Wasser und Lebensmitteln beim Betrieb, bis zu den Entsorgungsproblemen, aber auch bei den mit dem Bau der Tourismusanlagen verbundenen Emissionen. Nicht umsonst fordert Hans Heiss in seinem Essay Kostenwahrheit gleich Transparenz der externen Kosten. Eine Klimabilanz des Tourismus bildet eine unverzichtbare Entscheidungsgrundlage.

Die Deckelung der Bettenzahl ist legitim, aber viel zu wenig, um Land und Leute, Umwelt und Klima zu entlasten. Der vom Tourismus ausgelöste Verbrauch an Ressourcen und CO2-Emissionen wird allein durch diesen 239.000-Betten-Deckel sicher nicht reduziert. In diesem Rahmen kann sich noch eine Unmenge an Expansion touristischer Kubatur und Nutzung des Landes abspielen. Nicht umsonst denkt Schuler auch an eine Deckelung der Nächtigungen. Auch hier sind die 2019 in Südtirol eingespielten 33,4 Mio. Nächtigungen mit Klimaschutz nicht vereinbar. Es stellt sich eine zweifache Frage: warum wird der Beitrag dieser Branche zu Klimabelastung und Klimaschutz im Klimaplan 2050 völlig ausgeklammert, obschon dieser "Plan" die Klimaneutralität Südtirols bis 2040 postuliert? Und inwiefern bringt der LTEK anhand von Zahlen und Fakten eine Reduzierung der Klimabelastung? Gut und recht, wenn der Landeshauptmann mit der Nachhaltigkeitsstrategie durch Südtirol tourt. Doch wenn das weitere Wachstum emissionsintensiver Wirtschaftssektoren mit den propagierten Klimazielen nicht vereinbar ist, müsste er nicht Klartext reden?