Politik | Bozen

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Wie es mit der Bozner Stadtregierung weitergeht. Was mit dem Benko-Projekt passiert. Und warum Heinz Peter Hager die Dolomiten klagen will.

Die Bozner SVP hat sich nach dem furiosen Abgang Luigi Spagnollis rar gemacht. Weder Vize-Bürgermeister Klaus Ladinser noch SVP-Stadtobmann Dieter Steger waren bislang zu erreichen. Dabei dürfte es wohl viele brennend interessieren, was man in der Bozner Volkspartei von dem Paukenschlag hält. Eine, die Rede und Antwort steht, ist die SVP-Gemeinderätin Sylvia Hofer. “Ich finde es bedenklich, dass es der letzte Akt eines Bürgermeisters ist, einen Beschluss, den der Gemeinderat getroffen hat, zu umgehen.” Eine Anspielung auf den mittlerweile hinlänglich bekannten letzten Schritt, den Luigi Spagnolli vor seinem Rücktritt gemacht hat: Er hat seine Unterschrift auf ein Dokument gesetzt, mit dem er eine erneute Einberufung der Dienststellenkonferenz ermöglicht. Hat man in der SVP davon gewusst? “Gemunkelt wurde viel”, gesteht Hofer. Ihr stößt der “unmögliche” Akt auf. “Hier wurde eine demokratische Entscheidung missachtet und der Gemeinderat als Gremium nicht respektiert.” Auch SVP-Stadträtin Judith Kofler Peintner meldet sich zu Wort. Überrascht von dem Rücktritt Spagnollis ist sie nicht wirklich. “In den letzten Tagen haben sich mehrere Varianten abgezeichnet, darunter auch dieses Szenario. Verwundert bin ich nur über die Art und Weise, wie der Abgang passiert ist.” Daher wolle man nun auch die Stadt nicht “im Chaos” hinterlassen, sondern einen geordneten Übergang garantieren. So die Meinung jener fünf Stadträte, die am Freitag Vormittag zu einem informellen Treffen zusammengetreten sind. Nach einer guten Stunde Gespräch waren sich Claudia De Lorenzo, Luigi Gallo, Judith Kofler Peintner und Mauro Randi einig: “Wir werden vorerst nicht zurücktreten, bevor nicht Gespräche in der eigenen Partei erfolgt sind und bevor es keine rechtlichen Klärungen zu allen offen stehenden Fragen gibt.”


Rücktritt auf Zeit

Erst sobald diese beiden Punkte abgearbeitet seien, könne man sich vorstellen, die Geschicke der Stadt bis zu den Neuwahlen in die Hände eines Kommissärs zu übergeben. Und auch Klaus Ladinser scheint seine Ankündigung, zurücktreten zu wollen, noch einmal überdacht zu haben. So heißt es zumindest in den Gängen des Bozner Rathauses. Offiziell hat er seinen Rücktritt jedenfalls noch nicht eingereicht. Er wird wohl ebenso wie seine fünf Kollegen abwarten, weiter Teil des Stadtrats bleiben und bis zur endgültigen Klärung, wie es weitergehen soll, die Amtsgeschäfte des Bürgermeisters übernehmen. Dass der Stadtrat in seiner jetzigen Form bis zu den Neuwahlen im Mai oder Juni kommenden Jahres im Amt bleibt, ist eher unwahrscheinlich. “Es wird politisch sehr, sehr schwierig werden, für die Beschlüsse eine Mehrheit im Gemeinderat zu bekommen”, gesteht Kofler Peintner.


“Endlich rechtliche Schritte gegen die Dolomiten

Eine der Positionen, die in der Gemeinderatssitzung am 8. Oktober unter anderem geklärt werden soll, ist die Frage, wie es mit dem Areal um die Südtiroler Straße und den Busbahnhof weitergehen soll. Inzwischen wurde bekannt, dass Landeshauptmann Arno Kompatscher einen Akt unterzeichnet hat, um die Landesvertreter für eine erneute Einberufung der Dienststellenkonferenz zu ernennen – auf Bitte von Luigi Spagnolli persönlich. Damit scheint nun der Weg frei, für das, was Helmuth Moroder bereits vor einem Monat angekündigt hatte: “Das Verfahren zur Kaufhaus-Ausschreibung bleibt weiterhin aufrecht. Durch die Ablehnung des Gemeinderates Ende Juli ist nur die Programmatische Vereinbarung verfallen. Verhandlungen darüber können hingegen jederzeit wieder aufgenommen werden.” Das bestätigt nun auch ein Rechtsgutachten, das Arno Kompatscher eingeholt hat, bevor er der Bitte Spagnollis, die Vertreter der Provinz für die erneute Einberufung der Dienststellenkonferenz zu ernennen, nachkam.

“Alles Zufälle oder lang geplanter Coup?” fragt sich “krah” in einem Kommentar der Dolomiten-Ausgabe vom Freitag. Der anonyme Autor vermutet, dass “die Achse Spagnolli-Kompatscher-Hager” die Neuauflage des Kaufhaus-Bozen Projekts “von langer Hand vorbereitet” habe. Als Strippenzieher hinter dem “Coup” dürfte Heinz Peter Hager stecken, so die Mutmaßung. Von salto.bz auf den in den Dolomiten veröffentlichten Verdacht angesprochen, kontert Heinz Peter Hager unmissverständlich: “Das sind Unterstellungen, und ich werde jetzt eine persönliche, große Schadenersatzklage gegen die Dolomiten stellen, damit das Theater aufhört.” “Endlich” werde man nun gegen die Dolomiten rechtlich vorgehen, so Hager. Er selbst sei von dem Rücktritt Spagnollis überrascht. Am Donnerstag habe ihn Helmuth Moroder, City Manager und Vorsitzender der ersten Dienststellenkonferenz in Sachen Busbahnhofsareal, in sein Büro gebeten, um ihn über die Geschehnisse zu informieren. Hager zeigt sich zuversichtlich: “Wir gehen davon aus, dass unser Projekt noch einmal aufgerollt werden kann. Es gibt interne und externe Rechtsgutachten von sehr qualifizierten Rechtsexperten, die alle diese Meinung teilen.” Weiß man schon, wie es mit dem Benko-Projekt nun weitergeht? “Die Dienststellenkonferenz ist eingesetzt worden und die Sache wird nun organisiert, wie es der Bürgermeister festgesetzt hat.” Was genau in dem denkwürdigen letzten Beschluss Spagnollis drin steht, weiß noch niemand. Die Einsicht in das Dokument wurde sowohl den Stadträten als auch den Journalisten bislang verwehrt.


Zwei Fronten

Zu einem ganz anderen Schluss als der Landeshauptmann und Heinz Peter Hager kommt indes die Unternehmergruppe Point of Interest. Die Nachfolger der Erlebnishaus GmbH rund um zahlreiche Bozner Kaufleute bezeichnet den Versuch des mittlerweile Ex-Bürgermeisters, “in Sachen Benko einen Durchmarsch zu machen” als “besonders schwerwiegend”. Man wirft Luigi Spagnolli vor, die demokratischen Entscheidungsprozesse auszuhebeln und jenes Rechtsgutachten, das eindeutig festgestellt habe, dass die Wiederaufnahme des Projekts unmöglich sei, in den Wind zu schlagen. “Die mit unerklärlicher Starrköpfigkeit versuchte Wiederaufnahme der Prozedur Benko ist somit politisch und juristisch nicht zulässig. Das undemokratische und unlogische Verhalten des Bürgermeisters wirft Fragen nach Hintermännern und dem wirklichen Motiv auf”, schlägt Point of Interest in dieselbe Kerbe wie “krah”.

“Ich blicke sehr positiv in die Zukunft.” Mit einem Lächeln kamen diese Worte noch am Donnerstag Abend über die Lippen von Anna Pitarelli. Auch sie sei vom Rücktritt Spagnollis überrascht worden, obwohl bereits Gerüchte kursiert seien. Die Entscheidung ermögliche jedenfalls einen Neustart für die Stadt, was auch als positiv zu bewerten sei. Pitarelli ist überzeugt, dass das Benko-Projekt kommt. “Die Modalitäten, wie und wann sind noch zu klären, aber ich werde mich auch weiterhin dafür einsetzen”, sagt sie.

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Martin Federspieler Fr., 25.09.2015 - 21:44

Die Aussage von Spagnolli, dass das Amt des Bozner Bürgermeisters auch einem starkem Charakter derart zusetzt, dass er letztendlich daran zerbricht (oder so ähnlich), gibt schon zu denken.
Zu viele Politiker sind heutzutage darauf spezialisiert, sich bei jeder Gelegenheit zu Lasten der Verantwortungsträger zu profilieren. Und die zahlreichen Ein-Mann- und Minifraktionen müssen bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Grenzen der Belastbarkeit als Zünglein an der Waage ausloten.
Hätten man nur ein wenig politischen Anstand, würden man als Inhaber eines Resstimmenmandates bescheiden und ruhig im Eck sitzen, anstatt groß Fraktion zu spielen, um dann dem Bürgermeister in den Rücken zu springen, sobald er eh schon am Boden liegt.
Und dann macht man sich auch noch groß Sorgen um die Zukunft der Stadt ...
Zommpockn, huamgiehn!

Fr., 25.09.2015 - 21:44 Permalink