Kultur | Salto Return

#250917

In Salto Return geht es nicht direkt um Rechtsruck. Es geht vor allem darum, wie man ihn verhindern kann: Etwa mit guter Musik, Literatur und künstlerischer Sprengkraft.
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Foto: Foto: Salto.bz

Fassungslos
„Den Brenner sperren, von Norden her, damit die Horden dieser rechten Musik-Touristen nicht mehr nach Südtirol anreisen“ war heute Morgen eine vielleicht etwas überzogene Reaktion eines Zeitungslesers an der Theke meiner Stammbar. Ich vernahm seine Worte, nahm einen vorzüglichen Happen meines Marmelade-Cornettochens und rührte meinen Caffè corretto noch drei, vier Runden mit dem kleinen Löffelchen. Dann erhob ich den Zeigefinger und mahnte den Herrn: „Sie können doch nicht allen Ernstes den Südtiroler Schlagerkapellen mit ihren dümmlichen Texten, die Schuld für das beängstigende Wahlergebnis in Deutschland geben? Dieses Vorurteil ist sehr gefährlich. Da machen sie nun ein Fass auf… 

…denn so würden auch andere Musikgruppen aus der norditalienischen Deutsch-Gegend, die in den Rankings „draußen“ gut mitmischen, mit ihrem Rechtsrock, Schuld am Rechtsruck haben“ entgegnete ich. „Sie haben nicht direkt Schuld, nein, aber indirekt schon“ meinte der Herr und fuhr lautstark fort: „Die einen singen im lächerlichen Volkskostüm von einer ewig heilen Welt, die anderen von Feinden, die an jeder Ecke lauern und für alle eine Gefahr im Alltag sind. Das gefällt den Deutschen, die kaufen diese bescheuerten Südtirol-Tonträger und hören dieses konservative Liedgut auf und ab. Ist es nicht so. Ich fass es nicht...“ [Bandnamen der Redaktion bekannt] 

Ich nickte zustimmend, holte eilig mein Smartphone aus der Hosentasche und zeigte dem Herrn ein Foto: „Schau mal hier, der Pixner Herbert auf einer Litfaß-Säule in Frankfurt, dem gelingt es retro zu spielen und in der Gegenwart dennoch weltoffen in the future zu sein.“ In dem Gesicht des Herrn sah ich zum ersten Mal ein zufriedenes Lächeln.
Ich war am Ende meines Cornettochens angelangt und mit dem Herrn neben mir einig: Es darf nur mehr richtig feines Liedgut von hier über den Brenner gelangen, sonst verblöden die Deutschen vollkommen. Und was wählen sie dann?

Kaser los!
»Südtirol wird eine Literatur haben. Wie gut, daß es niemand weiß. Amen.« polterte der Dichter N.C. Kaser 1969 in ein Brixner Mikrofon. Mittlerweile gibt es sie reichlich und Kaser hätte seine Freude. Oder sonst eben seinen Ärger.
Was mich immer wieder ärgert, dass Südtirol keine große Übersetzungs-Kultur hat, vor allem wenn es um literarische Werke geht. Nun finalmente wurden N. C. Kasers Gedichte vom Lyrikkenner und Übersetzungskönner Werner Menapace ins Italienische übertragen. Bislang gab es lediglich eine Übersetzung von Kaser-Texten, sie liegt Jahrzehnte zurück und ist vergriffen. 

Nach der Buchvorstellung folgte in der vollbesetzten Brunecker Militärkaserne ein zeitgenössisches Opernfragment für eine große Kaser-Oper. Die Komposition stammte aus der Feder des jungen Lokalmatadors Alexander Kaiser.

Nicht Kaiser, nicht Kaser, sondern Kerer heißt Südtirols bekannteste Komponistin. Für Transart/Klangspuren hat sie eine "Kehrer"-Oper komponiert, die am heutigen Montag, ab 10 Uhr, als Kinderoper Villa Wunder über die Bühne ging.
Da hab ich mir beim Zusehen eingebildet, dass ich den Besen in die Hand nehmend, in Windeseile den ganzen braunen Politk-Dreck der weltweiten Erwachsenenwelt aus dem Weg kehre.
Nur mit einer Prise Fantasie. Es gelang.