Gesellschaft | Papst im Visier

Der Papst als Häretiker

Eine undurchsichtige Spitzelaffäre und eine neuerliche Attacke der Traditionalisten auf den Papst sorgen im Vatikan für Turbulenzen.
Papa
Foto: Corriereweb

Eine seltsame Spitzelaffäre Im Vatikan und ein neuerlicher Frontalangriff konservativer Theologen auf den Papst  lassen im Kirchenstaat die Gerüchteküche brodeln. Für Aufsehen sorgte der letzthin zurückgetretene Oberste Wirtschaftsprüfer des Vatikans, Libero Milone mit der Erklärung, er sei von der Gendarmerie des Kirchenstaates aus dem Amt gedrängt und mit Verhaftung bedroht worden:"Non mi sono dimesso volontariamente. Sono stato minacciato di arresto. Il capo della gendarmeria mi ha intimidito per costringermi a firmare una lettera di dimissioni già pronta.  Non potevo piú permettere che un piccolo gruppo di potere esponesse la mia persona per i loro loschi giochi", erklärte Milone der Tageszeitung La Stampa und einigen ausländischen Blättern. Der international bekannte Manager war 2015 zum ersten revisore generale del Vaticano ernannt worden - mit der Aufgabe, nach zahlreichen Skandalen die Bilanzen des Vatikan zu prüfen und für mehr Transparenz in der Finanzgebarung zu sorgen. Nach Darstellung des Vatikans wurde Milone dagegen entlassen, weil er ranghohe Würdenträger im Kirchenstaat bespitzelt habe. Milones Büro habe auf eine externe Firma zurückgegriffen, um das Privatleben der Betreffenden auszuspionieren, behauptet der Vatikan. Aus  dem Computer des 68-jährigen wurden im November 2015 im Zuge der Vatileaks-Affäre vertrauliche Dokumente gestohlen, die Aufschluss über Misswirtschaft in der Kurie gaben. Milone hatte desgalb Anzeige erstattet. Der Fall lässt darauf schliessen, dass die Machtkämpfe und Intrigen im Vatikan trotz der redlichen Transparenz-Bemühungen des Papstes weiter andauern.

Nur wenige Tage später sorgte ein von 62 Theologen unterschriebenes Dokument für Aufsehen, in dem der Papst der "Verbreitung von Häresien" beschuldigt wird. Das Schreiben trägt den Titel Zurechtweisung wegen Verbreitung von Irrlehren und kritisiert den Umgang der Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen. Franziskus vertrete in dem päpstlichen Schreiben Amoris Laetitia sieben häretische Positionen zur Ehe, dem moralischen Leben und dem Empfang der Sakramente und sorge für die Verbreitung dieser häretischen Meinungen in der katholischen Kirche. Prominentester Unterzeichner ist der Generalobere der erzkonservativen Pius-Bruderschaft, Bischof Bernard Fellay.

Mit Befremden wurde in Rom festgestellt, dass das Dokument auch vom langjährigen Präsidenten der Vatikan-Bank IOR, Ettore Gotti Tedeschi unterzeichnet wurde.

Das dem Papst am 11. August zugestellte Schreiben wurde im Kirchenstaat nicht offiziell kommentiert. Der Vatikan hatte bereits mehrmals darauf hingewiesen, dass der gesamte Inhalt von Amoris Laetitia von zwei Dritteln der Synode gebilligt worden war. Der neuerliche Angriff bestätigt die wachsende Agitation  der weltweiten Traditionalistenfront gegen Papst Franziskus, die vor allem im Internet auf zahlreichen Webseiten und in vielen Sprachen betrieben wird.

Es ist ein weltweites Netzwerk unterschiedlicher Bewegungen, das die Kampagne gegen den Papst steuert - von der amerikanischen Tea Party über die Lefebre-Brüder bis hin zur Weihrauch-Bewegung. Eine vielschichtige Galaxie von Webseiten mit Hundertausenden Lesern in zahlreichen Ländern. In Italien tragen sie Namen, die unmissverständlich auf ihre Mission schliessen lassen:  Messa in latino, chiesa e postconcilio, riscossa cristiana, fondazione Lepanto...

60.000 ständige Leser hat allein die Webseite des erzkatholischen Journalisten Antonio Socci, dessen Buch Non é Francesco die These vertritt, die Wahl Bergoglios im März 2013 sei ungültig gewesen. Dabei war ein Wahlgang annulliert und wiederholt worden, weil ein Kardinal irrtümlich zwei Stimmzettel in die Urne geworfen hatte.  Die Bücher Soccis erreichen hohe Auflagen, sein jüngstes Werk La profezia finale ist der "drohenden Apokalypse" gewidmet.   Drei italienische Blogs (Rosso porpora, settimo cielo, libertá e persona) üben täglich harsche Kritik am Pontifikat Bergoglios.

Die dubiosen Gründe und Begleitumstände der Entlassung des Obersten Wirtschaftsprüfers Libero Milone sind Wasser auf deren Mühlen und tragen dazu bei, ihre Verschwörungstheorien zu nähren.

 

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Karl Trojer Mi., 27.09.2017 - 12:29

Bergoglio, Papst Franziskus, ist und bleibt ein Leuchttrum der katholischen Kirche, insbesondere ein Hoffnungsträger der allermeisten Katholiken ! Je näher jemand an der Botschaft Jesu mitwirkt, umso gehässiger werden seine Gegener. Die Fundamentalisten, welcher Couleur auch immer, waren schon immer und sind heute noch die eigentlichen Kriegstreiber . Wir brauchen Frieden, Solidarität mit den Schwächeren und eine (im Sinne Jesu) für alle Menschen offene Kirche.

Mi., 27.09.2017 - 12:29 Permalink