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Verdrehte Welt

Ausgerechnet der Landesbeirat für Chancengleichheit führt die Par-Condicio-Gesetzgebung ad absurdum. In der Frauenzeitschrift ëres wird aus der Beschränkung Wahlwerbung.
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Foto: upi
Als normal denkender Mensch muss man sich an den Kopf greifen.
Am 22. Februar 2000 wurde in Italien per Gesetz die Par Condicio in Wahlkampfzeiten eingeführt. Nach amerikanischem Vorbild sollen alle Kandidaten bei Wahlen vor allem in den öffentlich rechtlichen Medien dieselben Chancen bekommen. Zudem sollen Politiker aus ihrem öffentlichen Amt im Wahlkampf nicht direkte Vorteile ziehen können, indem sie die institutionellen Presseämter für ihre Wahlkampagnen einspannen.
Beide Anliegen kann man nur unterstützen. Doch die Umsetzung und die Blüten, die diese Gesetzgebung in Italien inzwischen treibt, erinnern mehr an Schilda als an eine aufgeklärte Demokratie. Das zeigt sich auch jetzt im laufenden Wahlkampf für die Landtagswahlen in Südtirol.
 

Namenlose Mitteilungen

 
Der Landesbeirat für das Kommunikationswesen hat die staatlichen Bestimmungen für den laufenden Landtagswahlkampf in einer Kurzfassung zusammengefasst.
Unter dem Titel „Einschränkungen für die Kommunikationstätigkeit öffentlicher Verwaltungen vor den Landtagswahlen“ heißt es:
 
Ab 22. August haben die öffentlichen Verwaltungen in Südtirol ihre Kommunikation auf dringende Mitteilungen zu beschränken und die namentliche Nennung der Verwalter zu vermeiden. Grund für diese Einschränkung ist die gesetzliche Par-Condicio-Regelung im Hinblick auf die Landtagswahlen vom kommenden 21. Oktober. Sie gilt bis zum Abschluss des Urnengangs.“
 
Es ist genau das, was das Staatsgesetz vorschreibt.
Demnach darf das Presseamt des Landtages oder auch das Landespresseamt seit Wochen weder den Namen eines Politikers nennen, der bei den Landtagswahlen antritt, noch die Bezeichnung einer Partei. Das führt dazu, dass in Pressemitteilungen zu den Beschlüssen der Landesregierung nur mehr von zuständigen Landesräten die Rede ist und über Landtagssitzungen ohne namentliche Nennung der Abgeordneten kommuniziert werden muss. Trifft Arno Kompatscher den Papst, darf zwar der Name des Papstes aber nicht jener des Landeshauptmannes in der offiziellen Mitteilung genannt werden.
Das Ganze ist sinnlose Wortakrobatik. Ob in einer Pressemitteilung „Der Landeshauptmann“ oder „Arno Kompatscher“ steht, dürfte den Gleichstellungs-Grundsatz kaum wirklich verletzen.
Doch so will es das Gesetz.
 

Der Trick

 


Ob bewusst oder unbewusst, zeigen jetzt ausgerechnet die Frauenzeitschrift „ëres“ und die Präsidentin des Landesbeirates für Chancengleichheit Ulrike Oberhammer, wie man die Par Condicio ad absurdum führen kann.
Denn sie nutzen die gesetzlichen Einschränkungen für die Kommunikationstätigkeit äußerst geschickt zur persönlichen Wahlwerbung.
Die Zeitschrift „ëres - frauen info donne“ ist das Infoblatt des Landesbeirates für Chancengleichheit,  eine offizielle Einrichtung des Landes. Traditionell schreiben drei Frauen in den ëres-Ausgaben nebeneinander ein kurzes Vorwort. Die zuständige Landesrätin Martha Stocker, die Präsidentin der Beirates Ulrike Oberhammer und deren Stellvertreterin Franca Toffol.
 
 
In der gerade erschienenen Ausgabe aber fehlt Ulrike Oberhammers Vorwort. In der Spalte zwischen Martha Stocker und Franca Toffol steht zu lesen:
 
"An dieser Stelle schreibt üblicherweise die Präsidentin des Landesbeirates für Chancengleichheit ein Vorwort. Ulrike Oberhammer, Präsidentin des Beirates, ist für diese und für die nächste ëres jedoch in einer anderen Mission unterwegs.
Ulrike Oberhammer verstärkt die Frauschaft auf der Liste der Südtiroler Volkspartei und tritt am 21. Oktober als Kandidatin für die Landtagswahlen an. Der Beirat für Chancengleichheit ist beratendes Organ der Landesregierung und zugleich Herausgeber der ëres. Daher gilt für dieses und das nächste Heft die par condicio, die am 22. August in Kraft getreten ist.
Ulrike Oberhammer kann als Kandidatin nicht an gewohnter Stelle schreiben - wobei wir klar stellen, dass es Präsidentin Oberhammer zuallererst und persönlich war, die ihren Verzicht auf dieses Vorwort erklärt hat. Die gebürtige Pustererin arbeitet als Rechtsanwältin in Bozen - präzise und korrekte Interpretation der Realität zählt zu ihrem beruflichen Erfolg“.
 
Der Text ist ein Musterbeispiel, wie man die par condicio zur amtlichen Wahlwerbung umfunktionieren kann.
Denn hier ist die gesetzliche Beschränkung der Vorwand zur Namensnennung und zur Information, dass Ulrike Oberhammer am 21. Oktober für die SVP antritt. Doch genau diese Botschaft ist laut Gesetz verboten.
Dass ausgerechnet der Landesbeirat für Chancengleichheit diesen Fauxpas macht, sagt einiges.
 
 

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gorgias Di., 25.09.2018 - 21:56

Der 3th wave feminism erinnert mich in manchen Zügen an die Farm der Tiere:
„Alle Tiere sind gleich,
aber manche sind gleicher.“

„Alle Menschen sind gleich,
aber manche sind gleichberechtigter.“

Di., 25.09.2018 - 21:56 Permalink