Politik | Bozen

"Da braucht es keine sechste Bürgerliste mehr"

Alleingang mit Einheitsliste und eigenem Bürgermeister-Kandidaten: Die Entscheidung der Bozner SVP scheint politikmüde Parteigenossen wie junge Kritiker zu motivieren.

Luis Walcher klingt an diesem Dienstag Vormittag weit enthusiastischer als in den Monaten zuvor.  „Das ist das klare Signal der Volkspartei, für das ich immer eingetreten bin“, sagt er nach der gestrigen Entscheidung des Bozner Koordinierungsausschusses. Eine starke Einheitsliste statt mehrerer kleiner Edelweißlisten, ein Alleingang mit eigenem Bürgermeisterkandidaten oder -kandidatin statt neuerliche politischer Allianzen: So lautet die einstimmige Entscheidung für den Wahlgang im Mai, die am Montag Abend im Beisein von Obmann Philipp Achammer vom Bozner Führungsgremium .der Volkspartei getroffen wurde. „Andere mögen weiter sich weiter zerraufen und als kleine Parteien oder Bürgerlisten antreten“, sagt Walcher. „Wir schauen auf uns und auf die deutsche und ladinische Bevölkerung statt nach rechts und nach links.“

Damit ist auch das viel diskutierte Experiment vom Tisch, als SVP in der Landeshauptstadt mit mehreren Stadtviertel-Listen anzutreten. Eine Option, die vor allem von SVP-Stadtobmann Dieter Steger lanciert worden war - als Schritt in Richtung Basis und um die konkreten Probleme vor Ort  aufzufangen, wie Steger Anfang Jänner im salto-Interview erklärt hatte.

„Dadurch ist es einfacher, den Bürgerinnen und Bürgern zu vermitteln, wofür wir stehen und was wir wollen. Und wenn man sich Inputs holt, tut man sich anschließend leichter, weil man das Gefühl hat, die Leute stehen hinter dir. Andererseits, so eine zweite Überlegung, könnte es einfacher werden, Kandidaten zu motivieren, wenn man Listen auf Stadtviertelebene aufstellt.“

Warum also hat man sich gestern doch dagegen entschieden? „Es gab zu große Zweifel mehrerer Exponenten, um sich auf einen solchen neuen Weg einzulassen“, erzählt ein Sitzungsteilnehmer. Dazu gehörte auch Luis Walcher: „Wir sind zum Schluss gekommen, dass diese Lösung unheimlich schwer zu kommunizieren wäre“, sagt er. Auf den Wahlzetteln sei es schon komplex genug, zwischen Gemeinderatswahlen und Stadtviertelratswahlen zu unterscheiden. Vor allem aber sei absehbar, dass die Anzahl der Listen diesmal noch höher als im letzten Wahlgang werde. Genau deshalb müsse die Volkspartei ihre Stärke als stabile und verlässliche Kraft ausspielen statt Experimente einzugehen, meint der SVP-Vertreter. „Wenn andere Parteien sich in jedem Wahlkampf anders nennen, ist es umso wichtiger, wenn die Volkspartei wie bereits seit 1948 unter einem Edelweiß antritt“, so  Walchers Linie. 

Unmittelbar nach den Wahlen im Mai 2015 war der Kandidat mit dem zweitbesten Stimmergebnis hart mit seiner Partei ins Gericht gegangen. Zuletzt hatte der Bozner Bauernvertreterin in Interviews zunehmend politische Unlust eingeräumt und eine neuerliche Kandidatur stark in Frage gestellt. Hat sich das nun geändert? „Das kann ich im Moment noch nicht sagen“ sagt Walcher. „Diese Entscheidung muss ich erst reifen lassen.“  Wenn man dem Bozner Bauern zuhört, scheint die Lust, weiter Politik zu machen in jedem Fall wieder entflammt zu sein. Die aktuelle Ausgangsbasis biete nun „ideale Bedingungen“, für die er immer eingetreten sei, sagt Walcher da zum Beispiel. Oder: „Wir müssen als Volkspartei laufen, laufen, laufen und mit einer Mannschaft das Ziel erreichen“.

Bruggers Umschwung

Doch nicht nur Luis Walcher hat mit dem Edelweiß seit Montag Abend wieder mehr Freude. „Die Stoßrichtung stimmt auf jeden Fall“, sagt auch Jakob Brugger, der in den vergangenen Monaten mit lauter Kritik  an der Sammelpartei und Plänen für eine eigene sprachübergreifende Bürgerliste von sich reden gemacht hatte. Die ist nun angesichts der aktuellen politischen Situation Schnee von gestern, lässt der junge Anwalt verstehen. „Nachdem die SVP nun doch dorthin geht, wo ich den Eindruck eines Vakuums hatte, und sich dort auch noch andere Bürgerlisten tummeln werden, sehe ich den Raum dafür nicht mehr“, sagt Brugger. Wir brauchen wirklich keine fünfte oder sechste Bürgerliste mehr, meint er. Mit der Entscheidung für eine politische Unabhängigkeit der SVP habe sich einer seiner Hauptkritikpunkte an der Sammelpartei erledigt. „Auch was den Umgang mit der italienischen Sprachgruppe betrifft, habe ich den Eindruck, dass die Sensibilität der SVP letzthin gestiegen ist.“ Wird Jakob Brugger also nach dem ganzen Medienrummel selbst auf der SVP-Liste kandidieren statt dem Edelweiß Konkurrenz zu machen? „Ich habe ein paar sehr positive Gespräche mit Verantwortlichen der SVP, aber auch mit anderen Parteien geführt“, lautet seine Antwort. „Doch ob diese tatsächlich in einem politischen Engagement münden, kann ich noch nicht sagen.“

Junge Unterstützung kann sich das Edelweiß aber auch von einer anderen Gruppe erwarten, die medial mit Erneuerungswünschen für die SVP  in Aktion getreten ist: „Der Kleine-Edelweiß-Vorschlag von Dieter Steger war sicherlich innovativ“, kommentiert Sebastian Seehauser die Entscheidung der Bozner SVP. „Doch eine Einheitsliste mit eigenem Bürgermeisterkandidaten ermöglicht nun sicherlich mehr Manövrierfähigkeit auf dem schwierigen Bozner Parkett mit seinen vielen Gruppierungen.“ Der junge Bozner, der mit seiner Gruppe im vergangenen Herbst mit einem Ruf nach Erneuerung das politische Parkett betreten hatte, war bei der Sitzung des Koordinierungsausschusses am Montag Abend bereits mit von der Partie. Heißt dass, dass er schon Fixstarter auf der SVP-Liste ist? Noch gibt es zu viele Fragezeichen wie das Wahlgesetz, aber auch die Frage des SVP-Bürgermeisterkandidaten, sagt Seehauser. Prinzipiell stehe das Angebot „die SVP als junge Truppe zu unterstützen“ aber weiterhin. „Zumindest wenn damit auch die  Möglichkeit des Mitgestaltens gegeben ist und der Jungend und neuen Kandidaten Raum eingeräumt wird“, sagt er.

Pitarellis Versprechen

Keinen Weg zurück in die Volkspartei gibt es dagegen nicht nur wegen ihres  Parteiausschlusses für Anna Pitarelli. Im Gegensatz zu Jakob Brugger zieht die resolute ehemalige Gemeinderätin ihr Projekt einer sprachgruppenübergreifenden Liste entschlossen durch. Und zumindest ihrer regen Facebook-Aktivität ist zu entnehmen, dass sie dabei ebenso unabhängig bleiben will wie ihre ehemalige Mutterpartei.

„Es wäre wirklich kinderleicht mit meiner Bürgerliste irgendeine Partei für die kommenden Wahlen zu unterstützen: die Wahrscheinlichkeit einen Sitz als Gemeinderat oder sogar als Stadtrat zu bekommen wäre sehr hoch, wenn nicht sogar gesichert... Genauso leicht wäre es gewesen, in der letzten Legislatur stumm in der Mehrheit zu sitzen und beim Abstimmen fleißig das Händchen aufzuhalten, aber natürlich nur wenn und falls erwünscht...Ich frage mich aber: geht es bei den kommenden Wahlen nur darum ein Plätzchen im Gemeinderat zu ergattern oder geht es um ‪#‎Inhalte?
Geht es nicht etwa um unsere ‪#‎Zukunft, um unser Steuergeld und wie dieses richtig ausgegeben werden sollte? Geht es nicht um Arbeit, um Familien, geht es nicht um ‪#‎Menschen? ICH spiele NICHT mit den Köpfen meiner ‪#‎Mitbürger!“

Kurzum: Bozens Wahlkampf ist eröffnet. Und zumindest rund um die SVP sieht es ganz danach aus, als hätte so manche und mancher Lust darauf.