Di Maio
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Politik | M5S pro EU

Di Maios überraschende Wende

Die Fünf Sterne billigen plötzlich den bisher vehement abgelehnten EU-Rettungsfonds ESM.
Der Europäischen Union konnte die Fünf-Sterne-Bewegung noch nie viel abgewinnen. Schon zu Grillos Zeiten wurden die Vertreter Brüssels und die EZB gerne als volksfremde Instanzen an den Pranger gestellt, die fette Subventionen an die falschen Adressaten verteilten. Das galt auch für den umstrittenen Rettungsfonds ESM, der als "Symbol europäischer Unterdrückung" abgelehnt wurde. Als klassisches Vorbild dafür galt der gnadenlose Umgang der EU-Troika mit Griechenland. Als strenger Kritiker der EU stand Luigi Di Maio stets an vorderster Front ihrer Gegner. Im Oktober 2018 sorgte der M5S-Chef in Paris für einen politischen Eklat, als sich der Vizepremier in Eintracht mit der Führung der militanten Gelbwesten fotografieren liess. Di Maio damals: "Questa Europa è finita. Tra 6 mesi si vota e come c' è stato un terremoto politico in Italia ci sarà anche in Europa. Molte delle istanze che sono state tradite e ignorate arriveranno al parlamento europeo con il triplo e il quadruplo della forza che hanno avuto quest'anno. L'Europa dei banchieri verrà licenziata da 500 milioni di elettori." Doch der erhoffte Triumph der Identitären blieb aus. Die Prognosen erwiesen sich als verfehlt. 
 
Plötzlich war alles anders - und die Stimmen der Cinque Stelle waren in Brüssel mitentscheidend für  die Wahl Ursula von der Leyens  zur EU-Kommissionspräsidentin.
 
War die Fünf-Sterne-Bewegung damals mit Salvinis europafeindlicher Lega verbündet, so ist sie es heute mit dem EU-freundlichen Partito Democratico. Und was für Di Maio bisher Teufelswerk war, hat jetzt plötzlich positive Seiten: "Sul MES dobbiamo essere pragmatici. Questa è la partita della vita per noi", so der Aussenminister in einer plötzlichen Kehrtwende. 
Und so liess sich der wendige Di Maio auch nicht von der rechten Parteichefin Giorgia Meloni aufs Glatteis führen, mit der er bisher in Sachen EU-Abneigung durchaus harmonierte. Meloni brachte vor wenigen Tagen in der Kammer einen Antrag gegen den anrüchigen Rettungsfonds ein – eine riskante Situation. Daher griffen Interims-Parteichef Vito Crimi und Minister Federico D'Incà zum Telefon, um unsichere Parlamentarier der Bewegung vor dem Hinterhalt zu warnen.
 
Grund der Alarmstimmung: eine Abstimmungsniederlage würde  unweigerlich zum Rücktritt von Premier Conte führen.
 
Die Warnung zeitigte den gewünschten Erfolg. Schliesslich votierten nur 7 M5S-Parlamentarier für den Antrag, der für Meloni zum Eigentor geriet, weil Berlusconis Fraktion ebenfalls dagegen stimmte und damit für einen überraschenden Bruch im Rechtsbündnis sorgte. 
Doch die Lage in der Fünf-Sterne-Bewegung ist derzeit so wirr, dass auch die Wahl des neuen Vorsitzenden verschoben wurde. Die sollte eigentlich innerhalb eines Monats nach Di Maios Rücktritt erfolgen. 
Diese Frist ist längst vergangen. Doch mit Billigung von Beppe Grillo wurde die brisante Wahl nun kurzerhand vertagt – auch um die unerwünschte Kandidatur Alessandro di Battistas zu verhindern. Die Lage ist verworren – allein in dieser Woche wurden erneut zwei Parlamentarier wegen Verweigerung der Pflicht-Beiträge ausgeschlossen, darunter mit dem sizilianischen Anwalt Michele Giarusso ein Senator, der zum Urgestein der Bewegung gehörte. Vier EU-Parlamentarier wurden dagegen wegen Verletzung der Parteidisziplin bei Abstimmungen in Brüssel verwarnt. Und vor wenigen Tagen sind erneut drei römische M5S-Abgeordnete zur gemischen Fraktion übergelaufen
 – kein gutes Omen für eine politische Kraft, die von 32 auf 18 Prozent abgestürzt ist und durch dauernde interne Grabenkämpfe auffällt. Der für März geplante Partetag der stati generlali wurde auf unbefristete Zeit verschoben.
Dagegen erreicht Regierungschef Giuseppe Conte sensationelle Sympathiewerte. Mit 61 Prozent verbucht der Premier nun eine Zustimmung, von der seine Vorgänger Prodi, Berlusconi, Monti, Letta und Renzi nur träumen konnten.
Zur Beschreibung der aktuellen M5S-Wirrnisse beschränkt sich der Corriere della Sera am Sonntag auf wenige Zeilen: "L'unica veritiera accusa a Grillo è quella di aver spinto in parlamento una massa di inadeguati, inesperti e pasticcioni."